Neuer Peer-Qualifikationskurs an der Akademie

Am 26. und 27.11.2025 (Beginn der E-Learning-Phase am 03.11.2025) bietet die Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) einen Qualifikationskurs zum Peer an. Dieser ist am komplett überarbeiteten Curriculum und Leitfaden der Bundesärztekammer (BÄK) zum Verfahren ausgerichtet. Die Aktualisierung betont die Systematik und Verbindlichkeit von Peer Reviews und schärft die Grundprinzipien. Der neue Titel „Peer Review in der Medizin“ (PRiM) drückt nun die interprofessionelle Herangehensweise des Verfahrens aus. Der Kern des Peer Reviews jedoch – der kollegiale Dialog auf Augenhöhe wurde beibehalten. Hierbei erarbeiten Peer und Behandlungsteam gemeinsam mögliche Maßnahmen, um Qualität und Patientensicherheit zu verbessern. [1]

In die Überarbeitung flossen die langjährigen Erfahrungen der Landesärztekammern zum Verfahren ein, die in einer Arbeitsgruppe bei der BÄK diskutiert wurden. Auch die LÄKH konnte Vorschläge einbringen. Sie bietet seit vielen Jahren das Peer Review in der Intensivmedizin an. Im Bereich der Chirurgie führt die Landesarbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung Hessen (LAGQH) als Kooperationspartner das „Peer Review Galle“ durch und auch der Fachverband für Spezialisierte ambulante Palliativversorgung in Hessen (Fachverband SAPV e. V.) strebt die Etablierung des Verfahrens an.

Der aktualisierte Akademiekurs wird das neue BÄK-Curriculum fachübergreifend umsetzen: Grundlegende Fertigkeiten für die Durchführung eines PRiM werden in einer Präsenz- und E-Learning-Phase vermittelt; spezifische Aspekte der einzelnen Fachgebiete (Intensivmedizin, Palliativmedizin – zukünftig auch Chirurgie), fließen in den Kurs mit ein. Um die vollständige Qualifikation zum Peer gemäß Curriculum zu erhalten, ist die Teilnahme an einem Schulungs-PRiM notwendig.

Anmeldung per E-Mail: adiela.candelo-roemer@laekh.de
Infos: Veranstaltungskalender der Akademie

Der Überarbeitungsprozess – hinter den Kulissen

Dr. med. Josef Mischo (Vorsitzender der AG Peer Review der Bundesärztekammer, BÄK) und Sonja Barth (für die AG zuständige Referentin im Dezernat 3/BÄK) geben einen Einblick in die Hintergründe und Ausblicke der Überarbeitung des Verfahrens hin zum „PRiM“.

Warum hat das „Ärztliche Peer Review“ den neuen Namen „Peer Review in der Medizin“ – PRiM – erhalten?

Mischo: Wir können unsere Patientinnen und Patienten nur erfolgreich behandeln, wenn die verschiedenen Professionen und Fachgebiete mit ihren jeweiligen Blickwinkeln eng zusammenarbeiten – dies ist auch beim Peer Review wichtig. Dies bringen wir mit der neuen Bezeichnung „PRiM zum Ausdruck.

Welche Bedeutung hat das „PRiM“ für die Qualitätssicherung bzw. Patientensicherheit?

Mischo: Beim PRiM geht es nicht um ein reines Messen und Bewerten, sondern darum, dass mit fachlicher Expertise und Erfahrung gemeinsam Qualitätspotenziale ausgelotet werden.

Wesentlich für das PRiM-Verfahren ist, dass auch die Qualitätskultur gefördert wird. Das bietet in dieser Weise kein anderes Qualitätssicherungsverfahren. Kolleginnen und Kollegen tauschen sich mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung fachlich und auf vertrauensvoller Basis aus und beide Seiten lernen dabei. Mit Evaluationen wird nachgehalten, durch welche Faktoren in Organisationen die Umsetzung von Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung gefördert oder gehemmt wird.

Barth: Mit PRiM werden Eigenschaften gestärkt, die vor allem sogenannte High Reliability Organizations (HRO) auszeichnen. So werden Organisationen genannt, die besonders gut darin sind, Fehlerereignissen vorzubeugen. [2] Es kommen bei PRiM keine hauptamtlichen Qualitätskontrolleure ins Haus, sondern Kolleginnen und Kollegen, die methodisch als Peers fortgebildet sind und sich tagtäglich ebenfalls mit den Herausforderungen befassen, die sich in der Patientenversorgung stellen.

Welchen Vorteil haben Einrichtungen, die ein „PRiM“ bei sich durchführen lassen?

Mischo: Neben Verbesserungen bei konkreten Fragestellungen, z. B. in der Intensivbehandlung, sehe ich den größten Vorteil in einer verbesserten Sicherheitskultur, d.h. in der Möglichkeit, Probleme offen anzusprechen und zielorientiert zu lösen, die Teamarbeit zu fördern und externe Erfahrungen einzubeziehen.

Barth: Zugleich ist PRiM nicht „quick and dirty“. Wenn Teams ein PRiM anfordern, dann müssen sie entsprechend Zeit in die Selbstbewertung investieren und sich mit den eigenen Abläufen befassen. Der Besuch vor Ort mit dem kollegialen Dialog nimmt ca. einen Tag in Anspruch. Danach geht es darum zu schauen, welche Maßnahmen können wir umsetzen, was brauchen wir dafür, etc.

Mischo: Ja, und damit ist trotz aller Freiwilligkeit des Verfahrens auch eine gewissen Selbstverpflichtung an die Umsetzung dieser Maßnahmen gekoppelt, um die Qualität nachhaltig zu verbessern. Sicherlich liegt ein Mehrwert des Verfahrens auch darin, dass es lösungsorientiert ist und nicht nur auf Defizite schaut, sondern auch Dinge in den Blick nimmt, die besonders gut laufen.

Barth: Hier knüpft PRiM an den sogenannten „Safety II“-Ansatz von Erik Hollnagel [3] an. Bei der Fehlerprävention soll es nicht nur um das Lernen aus Fehlern gehen, sondern auch aus Situationen, die unerwartet schwierig waren – z. B. weil Personal sehr kurzfristig ausfiel – und die trotzdem sehr gut bewältigt werden konnten.

Mischo: Mit PRiM besetzen wir Qualitätssicherung positiv – und dafür ist es höchste Zeit!

Das Peer Review in der Praxis: Herausforderung und Chance für die Qualität

Prof. Dr. med. Haitham Mutlak, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Sana Klinikum Offenbach, erfahrener Peer, Kursleiter für den PriM-Kurs bei der LÄKH und Verantwortlicher einer besuchten Einrichtung, gibt einen Praxiseinblick.

Im überarbeiteten Leitfaden des „Peer Review in der Medizin (PRiM)“ spielt der Begriff „Qualitätskultur“ eine große Rolle – also eine „gelebte Qualitätssicherung“. Was bedeutet das für Sie und Ihre Tätigkeit?

Mutlak: Gelebte Qualitätssicherung bedeutet für mich, dass wir nicht nur mechanisch Indikatoren prüfen oder ausschließlich ein Aktenstudium betreiben, sondern diese Aspekte direkt am Patientenbett sowie im kollegialen, interprofessionellen Dialog im Alltag erfassen. Papier ist geduldig – entscheidend sind die realen Abläufe und Erfahrungen in der jeweiligen Einrichtung.

Wie stehen Sie zum Titel „Peer Review in der Medizin“, der die Bezeichnung „Ärztliches Peer Review“ abgelöst hat?

Mutlak: Die Umbenennung zu „Peer Review in der Medizin“ ist eine konsequente und sinnvolle Entscheidung. Dadurch wird die Multiprofessionalität gestärkt, die Bedeutung und Anerkennung der Pflegekräfte ausdrücklich hervorgehoben und eine umfassendere Beschreibung des Verfahrens gewährleistet. Ich begrüße die Umbenennung ausdrücklich, da sie die Realität auf deutschen Intensivstationen einfach transparenter darstellt!

Ihre Intensivstation wurde bereits von einem Peer-Team besucht. Welche wichtigsten Eindrücke und Schlüsse konnten Sie daraus ziehen?

Mutlak: Der Besuch des Peer-Teams hat uns viele positive und sinnvolle Verbesserungsvorschläge gebracht. Wir konnten aus der Erfahrung der Kollegen lernen, haben den interdisziplinären Austausch auf Augenhöhe als besonders wertvoll erlebt und konnten eine Reihe Prozesse neu beleuchten und dadurch Abläufe gezielt verbessern. Aus unserer Sicht ist ein Re-Peer Review nach einer gewissen Zeit wichtig, um die Qualität sowie Patientensicherheit kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Auch als Peer haben Sie bereits Peer Reviews in anderen Einrichtungen begleitet. Wie blicken Sie aus dieser Perspektive auf dieses Verfahren?

Mutlak: Als Peer erlebe ich häufig eine gewisse Aufregung auf den Stationen, die jedoch unbegründet ist, da es um konstruktive Verbesserungen geht. Auch wir Peers profitieren vom gegenseitigen Austausch und nehmen viele Anregungen mit in unsere Kliniken. Die wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe ist dabei ein zentraler Grundbaustein. Rückmeldungen zeigen zudem, dass durch die Begehungen und die schriftlichen Berichte Problemlösungen oftmals schneller umgesetzt werden als bei anderen Verfahren.

Ein Verfahren – Viele Fachperspektiven

Dr. med Björn Misselwitz, Leiter der Landesarbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung Hessen (LAGQH), gibt einen Überblick über das Peer-Review-Verfahren zur Cholezystektomie (CHE):

„Das Peer-Review-Verfahren CHE wurde 2014 in Hessen auf Initiative der Mitglieder des Fachausschusses CHE in Zusammenarbeit mit der GQH – heute LAGQH – und der LÄKH ins Leben gerufen. Motivation war die fragliche Wirksamkeit und Tiefe der damals eingesetzten Maßnahmen zur externen Qualitätssicherung. Das Verfahren wurde innerhalb eines Jahres in Anlehnung an das damalige Curriculum der BÄK zum „Ärztlichen Peer-Review“ entwickelt.

Für die Selbst-/Fremdbewertung werden allgemeine strukturelle sowie spezielle Fragen zur Organisation der prä- und postoperativen Behandlung und der Sicherheitskultur abgefragt. Zentraler und für das Peer-Review auch charakteristischer Bestandteil ist der Besuch im OP-Saal und die Teilnahme an einer laparoskopischen Gallenblasenentfernung. Ein weiterer Bestandteil ist das Aktenstudium zur Validierung der Dokumentation, aber auch kritischen Aufarbeitung ausgewählter Komplikationsfälle. Alle hieraus gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse münden i. d. R. in einer Zielvereinbarung mit entsprechenden Selbstverpflichtungen. Das Peer-Review-Verfahren CHE ist ein freiwilliges Angebot an die hessischen Kliniken. Auch die Tatsache, dass sich in der Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (DeQS-RL) [4] der Begriff „Peer Review“ im § 17 (Bewertung der Auffälligkeit und Durchführung von QS-Maßnahmen) wiederfindet, ändert dies nicht. Zwar kann Kliniken, bei denen im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens nach DeQS-RL ein Qualitätsdefizit festgestellt wird, die Teilnahme an einem Peer-Review vorgeschlagen werden, jedoch hat dies keinen verpflichtenden Charakter.

Silke Nahlinger, Stabsstelle Qualitätssicherung

Die Literatur finden Sie hier.