Lachgas: von der Party in die Klinik

Lachgas hat sich zur Partydroge entwickelt. Beim Blick auf die Risiken und Nebenwirkungen bleibt einem jedoch das Lachen im Halse stecken. Trotzdem ist die Droge in Deutschland immer noch frei verkäuflich. Die Experten der Landesärztekammer Hessen fordern deshalb schon lange ein konsequentes Handeln der Politik. 

Worum geht es?

Lachgas, chemisch Distickstoffmonoxid (N2O), ist ein vielseitiger Stoff: Ärzte können damit Patienten behandeln und Rennfahrer mehr Leistung aus Verbrennungsmotoren herauskitzeln. Weil man damit aber auch Lebensmittel wie Sahne oder Frischkäse aufschlagen kann (der Verzehr ist unbedenklich), gilt N2O vor dem Gesetz als Lebensmittelzusatzstoff E 942 und ist zum Beispiel in Form von Sahnespender-Nachfüllkartuschen frei verkäuflich. Für jedes Kind. Unseriöse Anbieter nutzen diese Gesetzeslücke aus und vermarkten das Gas zunehmend als legale Droge, als vermeintlich harmlosen Spaß, angefeuert von Social-Media-Videos. Tatsächlich kann das Inhalieren von Lachgas unter anderem zu spontanen Lachanfällen führen. Daher der Name. Doch anders als bei der kontrollierten medizinischen Anwendung birgt der Missbrauch als Partydroge erhebliche Gesundheitsgefahren, von Gleichgewichtsstörungen über Nervenschäden bis hin zur Abhängigkeit. 

Risiken

  • Akute Risiken und Nebenwirkungen

    • Gleichgewichtsstörungen (verbunden mit Sturzgefahr)
    • Sauerstoffmangel (Hypoxie) mit Gefahr von Bewusstlosigkeit, Herz-Kreislauf-Versagen und Hirnschäden
    • Bei direkter Inhalation aus der Flasche/Kartusche: Erfrierungen z. B. an Mund, Lippen, Atemwegen
    • Kribbeln, Taubheitsgefühle
    • Erhöhtes Unfallrisiko, insbesondere im Straßenverkehr
    • Die Entsorgung der Kartuschen ist aufwendig, da die Behälter unter Druck stehen und es bei Erwärmung z.B. in der Müllverbrennungsanlage zu Explosionen kommen kann.
  • Langzeitrisiken

    • Schädigung von Nervenzellen durch Inaktivierung von Vitamin-B12. Lachgas macht Vitamin B12 durch Oxidation des Kobalt-Ions für den Körper unbrauchbar. Tückisch: Man erkennt diesen funktionellen Mangel nicht unbedingt am Vitamin-B12-Spiegel im Blut (oft normal), sondern nur an weiteren, teilweise aufwendig zu bestimmenden Wetten (Homocystein, Methylmallonsäure).
    • Nervenschädigungen, z. B. Gefühlsstörungen, Bewegungsstörungen, Schmerzen
    • Blutgerinnsel (Thrombosen, Thromboembolien)
    • Entwicklung einer Abhängigkeit
    • Halluzinationen oder Verfolgungsgefühl bis hin zum paranoiden Wahn
  • Risiken für Händler

    Obwohl Lachgas als Lebensmittelzusatz derzeit (noch) frei verkäuflich ist, ist der Handel mit mehreren gesetzlichen Auflagen verbunden. Wer Lachgas in Verkehr bringt, kann daher mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Neben der Gefahrgutgesetzgebung (hier droht bei Verstößen sogar Gefängnis) sind auch die Gefahrstoffverordnung mitsamt den technischen Regeln für Gefahrstoffe und das Verpackungsgesetz einzuhalten. 

    Gefahrgutgesetzgebung

    Für Vertreiber von Lachgas gelten nach der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) Verpflichtungen als Absender (§18 GGVSEB), Empfänger (§20 GGVSEB), Verlader (§21 GGVSEB) und Verpacker (§22 GGVSEB). Dies umfasst unter anderem eine umfassende Dokumentationspflicht, die Pflicht für An- und Abfahrtskontrollen, das Einhalten der korrekten Verpackungsvorschriften bei der Entsorgung restentleerter Behälter sowie entsprechende Schulungspflichten nach 1.3 ADR. Verstöße gegen die Vorgaben der Gefahrgutgesetzgebung können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, bei vorsätzlicher, beharrlicher Wiederholung Freiheitstrafen von bis zu einem Jahr (§ 11 GGBefG).

    Gefahrstoffverordnung

    Die Gefahrstoffverordnung regelt i,V,m, TRGS 510 Anforderungen an die Lagerung von Gefahrstoffen. Verstöße gegen die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

    Verpackungsgesetz

    Vertreibern von Lachgas ist es verboten, Verpackungen, welche vom Hersteller nicht ordnungsgemäß registriert wurden, zu verbreiten (§9 (5) VerpackG). Ebenfalls sind sie verpflichtet, gebrauchte, restentleerte Verpackungen der gleichen Art, Form und Größe wie die von ihnen in Verkehr gebrachten am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe unentgeltlich zurückzunehmen und der entsprechenden Wiederverwendung und Verwertung zuzuführen. Über die Erfüllung der Rücknahme- und Verwertungsanforderungen ist Nachweis zu führen (§15 VerpackG). Verstöße gegen die Vorgaben des Verpackungsgesetzes können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Hätten Sie's gewusst?

Lachgas ist nicht nur schädlich für den Menschen, sondern auch fürs Klima, denn N2O-Emissionen heizen die Erderwärmung an. Lachgas ist bis zu 300 Mal klimaschädlicher als CO2 und es verbleibt rund 100 Jahre lang in der Atmosphäre.

Wie steht die Landesärztekammer Hessen (LÄKH) dazu?

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident der LÄKH, macht deutlich: "Der freie Verkauf von Lachgas außerhalb des medizinischen Kontexts ist angesichts der aktuellen Situation unter keinen Umständen mehr vertretbar." Als Anästhesist und Schmerztherapeut weiß Dr. Pinkowski, wovon er redet. Insbesondere die fehlende Altersbeschränkung hält er für längst überfällig. "Die freie Verfügbarkeit und gezielte Vermarktung von Lachgas an junge Zielgruppen signalisiert jungen Konsumentinnen und Konsumenten Gefahrlosigkeit – fatalerweise", so Dr. Pinkowski. Die beiden Drogen- und Suchtbeauftragten der LÄKH, Dr. med. Mathias Luderer und Dr. med. Deborah Scholz-Hehn, unterstreichen diese Position.

Zumindest die Vermarktung an Minderjährige möchte die Bundesregierung nun einschränken. Ein entsprechender Gesetzentwurf von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) wurde im Kabinett beschlossen. Doch dies geht der LÄKH nicht weit genug. Warum, erklären die beiden Suchtexperten der LÄKH Dr. Mathias Luderer und Dr. Deborah Scholz-Hehn: "Es wäre fatal, wenn die Politik vermitteln würde, dass Lachgas für den Freizeitkonsum ungefährlich ist, sobald man volljährig ist. Das ist nachgewiesenermaßen nicht der Fall. Auch junge Erwachsene und andere vulnerable Gruppen verdienen einen Gesundheitsschutz." Dr. Luderer leitet den Bereich Suchtmedizin an der Frankfurter Uniklinik. Dort beobachtet man eine deutliche Zunahme der Fälle: 2022 wurde ein Patient in der Neurologischen Universitätsklinik wegen durch Lachgas verursachter neurologischer Schäden behandelt, 2024 waren es schon dreizehn. "Besonders tückisch ist, dass die Diagnose wegen der im Routine-Labor normalen Vitamin-B12-Werte nur schwer zu stellen ist. Zudem können die Beschwerden und die MRT-Befunde auch mit immunvermittelt entzündlichen Erkrankungen verwechselt werden", erklärt Dr. Luderer.

In der Psychiatrie der Frankfurter Uniklinik gibt es seit 2024 vermehrt Fälle mit Abhängigkeit von Lachgas. Alle Patieten waren volljährig – die geplante Altersbeschränkung beim Verkauf hätten also alleine nicht ausgereicht, sie zu schützen.

Die LÄKH fordert daher rasche Präventionsmaßnahmen, insbesondere an Schulen, um das vermeintlich harmlose Image von Lachgas zu widerlegen und über die Gefahren aufzuklären. Neben der dringend notwendigen Altersbeschränkung fordert die Kammer darüber hinaus eine Verkaufseinschränkung für größere Gebinde und für Aromastoffe. Ein Verkaufsverbot für Inhalationshilfen, die gezielt dem Missbrauch des Gases dienen, wie etwa sogenannte Cracker zum Öffnen der kleineren Kartuschen, halten die Experten der Ärztekammer ebenfalls für sinnvoll.
 

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