Soziodemografische Trends zu den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung

Dr. Iris Natanzon, Annette Seelig, Silke Nahlinger, Nina Walter

Wie sehen die Berufspläne des ärztlichen Nachwuchses aus? Welche Facharztrichtungen wählen junge Ärztinnen und Ärzte? Bis 2013 verfügte Hessen über keine aktuellen Daten über die sich in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte. Um diese Lücke zu schließen, wurde bei der Landesärztekammer ein Weiterbildungsregister etabliert, das die in Hessen tätigen Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) einmal jährlich erfasst. Dies geschieht über eine Abfrage aller zur Weiterbildung befugten Ärzte in einer Gebietsbezeichnung, die nach der aktuellen Weiterbildungsordnung (WBO § 5 Abs. 7) verpflichtet sind, die Ärztekammer bei der Aktualisierung des Weiterbildungsregisters nach Aufforderung zu unterstützen. 2014 sowie 2016 wurde im Hessischen Ärzteblatt über die ersten zentralen Ergebnisse des Weiterbildungsregisters berichtet [1–3].

Nach acht Erhebungsjahren liegt in diesem Beitrag der Fokus auf den soziodemografischen Merkmalen der ÄiW und auf der Weiterbildungsdauer. Eine zusätzliche Analyse von Daten aus der Mitgliederdatenbank der Landesärztekammer Hessen sowie eine repräsentative Absolventenbefragung der LÄKH [4] wurden herangezogen, um die Angaben aus dem Weiterbildungsregister genauer analysieren zu können.

Methodik

Seit 2013 werden einmal jährlich alle Weiterbildungsbefugten einer Gebietsbezeichnung in Hessen schriftlich aufgefordert, die sich bei ihnen in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte zum Stichtag 1.10. zu melden. Befugte für eine Zusatz- oder Schwerpunktbezeichnung werden nicht berücksichtigt.

Die Meldung erfolgte in den ersten beiden Erhebungsjahren postalisch oder per Fax. Seit 2015 ist eine Meldung auch über das Mitgliederportal möglich. Die Weiterbildungsbefugten werden um folgende Informationen gebeten: die Einheitliche Fortbildungsnummer (EFN) der Ärzte in Weiterbildung, die vertragliche Wochenarbeitszeit der ÄiW und der Hinweis darauf, ob sich die Ärzte in Mutterschutz oder Elternzeit befinden. Falls ein Befugter zum Stichtag über keine ÄiW in seiner Weiterbildungsstätte verfügt, soll er dies ebenfalls der Landesärztekammer mitteilen.

Ergebnisse

Seit Erhebungsbeginn im Jahr 2013 liegt die durchschnittliche Rückmeldequote bei 90 %. Pro Erhebungsjahr hatten sich bei ca. 4 % der angeschriebenen Personen die Voraussetzungen einer Weiterbildungsbefugnis verändert. Sie wurden von der jährlichen Grundgesamtheit ausgeschlossen. Gründe dafür waren u. a. „Ruhestand“, „Praxisschließung“ oder „verstorben“.

Abb. 1 verdeutlicht, dass im Jahr 2020 45 % der rückgemeldeten Befugnisse über einen oder mehrere Ärzte in Weiterbildung verfügten. Rund 55 % der Befugnisse waren ohne ÄiW. Im Vergleich zu den Vorjahren ist der Anteil an Befugnissen mit ÄiW um drei Prozentpunkte gestiegen.

Abb. 1: Befugnisse mit und ohne ÄiW (2013–2020), Landesärztekammer Hessen

Wie viele Ärzte in Weiterbildung wurden gemeldet?

Zum Stichtag 1. Oktober 2020 wurden 6.650 aktive ÄiW von den Weiterbildungsbefugten einer Gebietsbezeichnung gemeldet. Wie in Abb. 2 dargestellt, ist der Anteil der gemeldeten Ärztinnen und Ärzte seit Erhebungsbeginn um 30 % gestiegen.

Abb. 2: Gemeldete ÄiW (2013–2020), Landesärztekammer Hessen

Welche soziodemografischen Daten weisen die ÄiW auf?

Wie auch in den Jahren zuvor ist die Mehrheit weiblichen Geschlechts (57 %), der Anteil der männlichen ÄiW ist seit 2017 konstant geblieben (43 %). Allerdings ist der Anteil an männlichen Ärzten seit 2013 um fünf Prozentpunkte gestiegen. Ferner verdeutlichen die Registerdaten, dass der Anteil an ÄiW mit ausländischem Pass bis 2018 zugenommen hat (vgl. Abb. 3). Während im Jahr 2013 rund 17 % der gemeldeten ÄiW über einen ausländischen Pass verfügten, besaß 2018 jeder vierte Arzt in Weiterbildung einen ausländischen Ausweis. 2020 blieb der Anteil an ausländischen ÄiW im Vergleich zum Vorjahr unverändert (n=1.818; 27 %). Mit 19 Prozentpunkten stark gewachsen ist seit 2013 der prozentuale Anteil von Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern (2020: 64 %).

Abb. 3: Anteil an ÄiW nach ausländischer vs. deutscher Staatsangehörigkeit (2013–2020), Landesärztekammer Hessen

Auffällig ist, dass die 1.818 ÄiW mit ausländischer Staatsangehörigkeit überwiegend männlichen Geschlechts sind (2020: 53 %). Hierdurch lässt sich vermutlich der Anstieg an männlichen ÄiW in der Grundgesamtheit erklären.

Hinsichtlich der Altersstruktur gab es seit Erhebungsbeginn kaum Unterschiede. Während im Jahr 2013 das Durchschnittsalter der gemeldeten Ärzte in Weiterbildung 34,7 betrug, lag es 2020 bei 34,9 Jahren. Die gültige Weiterbildungsordnung fordert in der Regel Mindestweiterbildungszeiten von 5–6 Jahren. Die seit 2013 erhobenen Daten aus dem Weiterbildungsregister sowie die soziodemografischen Daten aus der Absolventenbefragung der Landesärztekammer belegen jedoch, dass selbst in durchschnittlich 7,4 Jahren nach Erhalt der Approbation die Weiterbildung noch nicht abgeschlossen wurde. Zielgruppe der seit Herbst 2009 kontinuierlich laufendenden Befragung sind alle Absolventen der ärztlichen Prüfung in Hessen, die mit ihren Examensergebnissen zusammen den Fragebogen erhalten. Hier werden Fragen zum Verlauf des Medizinstudiums und Pläne für die Weiterbildung gestellt. Der Rücklauf beträgt im Durchschnitt 50 %, sodass die Ergebnisse repräsentativ sind. Wie man Abb. 4 entnehmen kann, betrug das Durchschnittsalter der Absolventen des Medizinstudiums im Laufe von acht Erhebungsjahren 27,4 Jahre. Betrachtet man nun die Zeitspanne zwischen Ende des Medizinstudiums und Facharztprüfung, fällt auf, dass durchschnittlich 10,7 Jahre vergehen.

Abb. 4: Durchschnittsalter der Absolvent/-innen des Medizinstudiums, der Ärzt/-innen in Weiterbildung sowie der Absolvent/-innen der Facharztprüfung, Landesärztekammer Hessen

Rund elf Jahre liegen zwischen Approbation und Facharztprüfung: Welche Gründe gibt es für diese Zeitspanne?

Es stellt sich die Frage nach den Ursachen dieser relativ späten Weiterbildungsabschlüsse. Gibt es Verzögerungen während der Weiterbildung? Dazu wurde anhand der Daten aus dem Weiterbildungsregister untersucht, wie viele der gemeldeten Ärzte in Weiterbildung in Teilzeit beschäftigt waren. Wie in Abb. 5 dargestellt, verdeutlichen die Zahlen, dass der Anteil an Teilzeitbeschäftigungen seit Erhebungsbeginn um 4 Prozentpunkte gestiegen ist (2020: 20 %). Besonders zugenommen hat hierbei der Anteil an männlichen Teilzeitbeschäftigten: um 4 Prozentpunkte seit 2013 (2020: 8 %).

Der Anteil der in Mutterschutz oder Elternzeit gemeldeten Ärzte in Weiterbildung betrug 2014 rund 4 %. 2020 waren es 7 %.

Abb. 5: Anteil an ÄiW nach Teil- und Vollzeittätigkeit (2013–2020), Landesärztekammer Hessen

Diskussion

Die Landesärztekammer Hessen beschäftigt sich schon seit Jahren mit Fragen zum ärztlichen Nachwuchs. Anhand des bundesweit einmaligen Weiterbildungsregisters können Entwicklungen des fachärztlichen Nachwuchses genauer prognostiziert, potenzielle Engpässe in der zukünftigen Versorgung frühzeitig identifiziert sowie Handlungsmaßnahmen abgeleitet werden. Ferner können potenzielle Trends zur Weiterbildungsdauer erkannt werden.

Die Registerdaten verdeutlichen, dass zwar der weibliche Anteil an Ärztinnen in der Weiterbildung größer ist, die Zahl der männlichen Ärzte jedoch überproportional gestiegen ist. Potenzielle Trends, die häufig durch den wachsenden Frauenanteil erklärt werden, lassen sich im Rahmen der Registerdaten durch die steigende Zahl an männlichen Ärzten in Weiterbildung nicht mehr ausschließlich begründen. Die lange Zeitspanne zwischen Ende des Medizinstudiums und Facharztprüfung von durchschnittlich 10,7 Jahren kann somit nicht nur durch die häufigere Teilzeittätigkeit und Inanspruchnahme von Elternzeit/Mutterschutz durch Ärztinnen erklärt werden. Immer mehr männliche Ärzte in Weiterbildung sind in Teilzeit tätig. Neben dem allgemeinen Anstieg an Teilzeitbeschäftigung müssen zukünftig weitere Gründe für die relativ lange Weiterbildungsdauer – bspw. durch eine Evaluation der Weiterbildungssituation – untersucht werden.

2004 verzeichnete man bereits eine relativ lange Weiterbildungsdauer.

Bereits im Jahr 2004 beschäftigte sich die Landesärztekammer Hessen mit der Weiterbildungszeit hessischer Ärzte. Anhand einer eigenen Auswertung wurde die Zeitspanne zwischen Approbation und Facharztprüfung von Ärztinnen und Ärzten anhand von Informationen aus der Mitgliederdatenbank der LÄKH analysiert [5]. Die Daten belegten, dass im Jahr 2004 ca. 42 % aller Ärzte selbst 7 Jahre nach der Approbation ihre Weiterbildung noch nicht abgeschlossen hatten. Elf Jahre nach ihrer Approbation verfügten 77 % über eine Facharztqualifikation, davon 86 % der männlichen Ärzte, aber lediglich zwei Drittel der Ärztinnen. Ein nicht unerheblicher Anteil dieser „Noch-nicht-Fachärztinnen“ dürfte damals das Ziel, Fachärztin zu werden, aus familiären oder sonstigen Gründen bereits aufgegeben haben.

Gezielte Befragungen der sich in Weiterbildung befindlichen Ärzte zu ihrer fachärztlichen Weiterbildung können nun anhand der Kontaktdaten der gemeldeten Ärzte für das Weiterbildungsregister direkt durchgeführt werden, ohne „Umweg“ über die Befugten.

Jede Meldung für das Weiterbildungs- register ist wichtig!

Im Oktober werden erneut alle für eine Facharztbezeichnung befugten Ärzte in Hessen für das Weiterbildungsregister angeschrieben und um Meldung ihrer sich in Weiterbildung befindlichen Ärzte gebeten. Zur Fortsetzung eines aussagekräftigen Weiterbildungsregisters benötigen wir weiterhin die Mitwirkung aller Weiterbildenden. Wir möchten alle Befugten deshalb darauf hinweisen, ihre Meldung für das Register nach Aufforderung fristgerecht einzureichen. Nur so können verlässliche Aussagen aus dem Weiterbildungsregister gewonnen sowie Trends kontinuierlich identifiziert werden.

Weitere Informationen zum Hessischen Weiterbildungsregister sind auf unserer Website unter der Rubrik „Weiterbildung“ abrufbar: https://www.laekh.de/fuer-aerztinnen-und-aerzte/weiterbildung/weiterbildungsregister

Dr. Dipl.- Soz. Iris Natanzon, Wissenschaftliche Referentin, Landesärztekammer Hessen, E-Mail: qs@laekh.de