Zum ersten Mal fand der Deutsche Ärztetag online statt. Welche Eindrücke hatten die hessischen Delegierten? Die Antworten lesen Sie nachfolgend in gekürzter Fassung. Über die Inhalte des Deutschen Ärztetages berichteten wir bereits im HÄBL 06/2021.

Eröffnung: Welchen Eindruck hat die Videobotschaft der Bundeskanzlerin zum Auftakt der Deutschen Ärztetages (DÄT) auf Sie gemacht?

Dr. med. Michael Repschläger: Ihr kurzes Grußwort war eher nichts­sagend. Aber immerhin hat sie sich gezeigt.

Dr. med. Peter Zürner: Die Botschaft war sehr unverbindlich und eher ein Abschiedsgruß.

Dr. med. Klaus J. Doubek: Formaler Dank; wenig bis eher nicht empathisch.

Pierre E. Frevert: Frau Merkel hat einen freundlichen Eindruck hinterlassen, hat aber nichts Substanzielles mitgeteilt.

Dr. med. Barbara Jaeger: War leider gesamt auf die Pandemie-Bewältigung beschränkt, sie betont (zu recht), was gut gelaufen ist, bleibt aber an der Ober­fläche. Leider wagt sie dabei nicht, vom (zukünftigen) Fachkräftemangel in der Bewältigung der Herausforderungen im Gesundheitswesen zu sprechen.

Dr. med. H. Christian Piper: Die erste Ansprache einer Bundeskanzlerin oder eines Bundeskanzlers beim DÄT überhaupt! Spürbar vom näherkommenden Abschied aus dem Amt getragen, sympathisch und zugewandt, mit großem und ehrlichem Dank an alle KämpferInnen gegen das Leid in der Pandemie.

Prof. Dr. med. Alexandra Henneberg: Von den Politikern war ich enttäuscht, unsere Kanzlerin hätte dasselbe Dankeschön beim Tag des Deutschen Einzelhandels ausdrücken können.

Dr. med. Susanne Johna: Das Grußwort der Bundeskanzlerin war kurz und knapp. Sie hat den Fokus auf die aus meiner Sicht richtige Corona-Notbremse der Bundesregierung gesetzt. Zusätzlich hat sie die Notwendigkeit angesprochen, bessere Bedingungen für Pflegekräfte zu erreichen. Da ist der Ärztetag das falsche Forum, denn hier ist die Politik selbst gefordert. 

Wie bewerten Sie das Referat von Bundesärztekammerpräsident Dr. med. Klaus Reinhardt?

Zürner: Herr Reinhardt hat eine ruhige und präzise Übersicht über die aktuelle Gesundheitssituation gegeben.

Doubek: Analytisch, Ausdruck von Dankbarkeit, Fokus Mensch, Finger in die Wunde gelegt: Schwachpunkte der Strukturen im Gesundheitswesen und Bundestagsdrucksache; daraus abgeleitete Ansprüche der Strukturreformen im Gesundheitswesen; ÖGD, Krankenhausplanung, Klinikvernetzung, ausdrückliche Nennung des Belegärztlichen Systems; Reduktion des Wettbewerbs unter den Kliniken!

Jaeger: Für mich erstaunlich, positioniert er sich offen gegen die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen, auch wenn ich seine Lösungsansätze (Kontrolle von nicht-ärztlichen MVZ-Trägern durch MVZ-Register) als nicht ausreichend ansehe. Spricht alle Probleme der Ärzteschaft an: Wichtigkeit der Freiberuflichkeit, Digitalisierung mit Maß und Ziel, Ärger über den Stau bei den Investitionen im Gesundheitswesen durch die Länder und Verzögerung bei der Umsetzung der neuen GÖÄ.

Johna: Es war breit aufgestellt und ausgewogen. Er hat viele Inhalte des Leitantrags des Vorstands angesprochen und diesen digitalen Ärztetag vor der Bundestagswahl genutzt, um Reformvorschläge aus Sicht der Ärzteschaft zu machen.

Frevert: BÄK-Präsident Reinhardt hat die wichtigsten Probleme der Ärzteschaft angesprochen. Seine Führung der beiden Tage war souverän und professionell.

Piper: Gutes Statement, alles Wichtige in der Krise und hohe Anerkennung der Höchstleistungen von Ärzten, den Pflegenden und den MFA in den Praxen. Mahnungen an die Politik dazu, auch die noch immer unabsehbar großen Kollateralschäden im Sozialen, im Bildungswesen, in den Familien und in der Wirtschaft endlich anzugehen. Ja, auch pflichtgemäß die bekannten Themen der Freiberuflichkeit, die Never-ending-Story GOÄ, und die Forderung nach De-Kommerzialisierung des Gesundheitswesens.

Henneberg: Beim BÄK-Präsidenten hat mich einerseits erstaunt, wie gründlich er offensichtlich im Hintergrund arbeitet und an Gesetztextvorlagen teilnimmt (...). Seine Statements, dass die Intensivstationen nie überfüllt oder gefährdet waren, und die Betonung, dass das Gesundheitssystem ohne Abstriche erhalten werden sollte, waren interessant.

Eindruck gemacht hat er mir mit der Konstanz, mit der er Minister Spahn bearbeitet hat, bis auch der versichert hat, dass kein Arzt in den Regress zu nehmen ist, wenn bundesweit die Telematik nicht funktioniert.

Hat die Rede von Bundesgesundheits­minister Jens Spahn Ihren Erwartungen entsprochen? Konnte er Fragen zur Bewältigungsstrategie der Pandemie aus Ihrer Sicht zufriedenstellend beantworten und neue Perspektiven für die Gesundheitspolitik aufzeigen?

Repschläger: Ich war enttäuscht, sowohl von seiner Rede, als auch von seinem Dialog mit Herrn Reinhardt. Ich habe aber auch nicht mehr erwartet.

Stork: Er strotzte vor Selbstdarstellung, nur schmaler Bereich mit belastbaren Zusagen/Angeboten.

Doubek: Eingangs blabla zum digitalen Format; Höre: Er möchte zum nächsten Ärztetag dazukommen. Ein ehrliches Dankeschön hat auch ohne finanzielle Komponente einen Stellenwert.

Jaeger: Leider ja, viel Selbstlob in der Bewältigung der Pandemie durch die Stärken in unserem Gesundheitssystem. Stellt berechtigt die Pandemie als Katalysator für die Entwicklung der Digitalisierung (Möglichkeiten der Videosprechstunde) heraus. Teile sein Motto „Digitalisierung macht Behandlung leichter“ nicht vollumfänglich, denn er sieht den Aufwand und die zusätzlichen Kosten (...) sowie meine Bedenken zur Datensicherheit nicht. Sein Wunsch, Angebote aus Deutschland (Server und Plattformen) zu bekommen, finde ich gut! (...) Spahn lobt zu Recht die flächendeckende Krankenhaus-Struktur und den ambulanten Bereich in Deutschland, wobei er es sinnvoll findet, Aufgaben/Schwerpunkte zwischen den Krankenhäusern aufzuteilen, ohne zu sagen, wie das gehen soll. Wichtig finde ich seine Haltung, die Globalisierung in sensiblen Bereichen zurückzufahren, er warnt vor zu starker Abhängigkeit von China.

Frevert: Der Gesundheitsminister hat meiner Ansicht nach unscharf auf die klaren Fragen des BÄK-Präsidenten und meist ausweichend geantwortet, was die Gematik angeht oder die elektronische Patientenakte. Hier hätte ich gewünscht, dass er zu mehr klaren Statements gedrängt worden wäre.

Piper: Wie immer selbstbewusst, im „Wir packen (all)es an“-Modus. Immerhin eingestanden, nicht alles in der Pandemiepolitik sei gelungen Und viel Lob für Ärztinnen und Ärzte und alle Mitarbeitenden, auch für den nun einsetzenden erhofften Impfturbo in den Praxen. Im Rededuell mit dem Ärztetagspräsidenten professionell im Vor-Bundestagswahlkampf aufgestellt und anscheinend offen für alle großen zukünftigen Ämter. Auch dann würde er gerne zum nächsten DÄT kommen…

Henneberg: Bei Minister Spahn war ich vielleicht voreingenommen durch die Tatsache, dass er sich nicht entblödet hat, 250 delegierte Ärzte mehr als eine halbe Stunde warten zu lassen, was zu seinem sonstigen Habitus der Ärzteschaft gegenüber aus meiner Sicht nur zu gut gepasst hat.

Johna: Jens Spahn hat mehrfach deutlich gemacht, dass er der kommenden Regierung aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr als Gesundheitsminister angehören werde. Seine Bilanz aus der Coronakrise war eher positiv, auch wenn er Probleme nicht geleugnet hat. Es war eher eine politisch bilanzierende Rede, konkret hat er sich kaum mit den Inhalten der Rede des Präsidenten auseinandergesetzt, jedoch wieder sein Lieblingsthema, die Digitalisierung, betont. In dem anschließend moderierten Gespräch mit Herrn Reinhardt und Herrn Spahn lag der Fokus auf den Schwierigkeiten bei der Einführung der ePa, und hier war auch die einzige Zusage zu hören, die Spahn gemacht hat: Zumindest dort, wo Ärzte keine technischen Optionen bekommen, die ePAs zu befüllen, sollen es auch keine Sanktionen geben.

Die neuen Perspektiven haben mir weitgehend gefehlt. Zur Pandemie hat er aus meiner Sicht korrekt analysiert, dass unsere föderale Struktur in diesem Zusammenhang oft problematisch war. Insbesondere in der zweiten Hälfte der Pandemie war es kaum noch möglich, dass sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder auf ein gemeinsames Vorgehen einigten. Diese permanente in der Öffentlichkeit geführte kontroverse Debatte hat die Bevölkerung verunsichert und den Coronaleugnern Vorschub geleistet.

Werden die auf dem DÄT formulierten Lehren aus der Covid-19-Pandemie zu nachhaltigen Verbesserungen des Gesundheitswesens führen?

Stork: 1. Den ÖGD verbessern – das wird hoffentlich als Forderung und öffentliche Aufgabe bleiben. 2. Besseres Setting für Pandemiemanagement – warten wir es ab, was wirklich auf der politischen Agenda bleibt.

Repschläger: Vermutlich nein, zumal es ja einen Masterplan für Pandemien seit 2012 gibt, der acht Jahre lang in der Schublade lag...

Frevert: Der verqueren Kommunikation in der Pandemie hätte mehr Raum eingeräumt werden sollen. Was die in der Pandemie deutlich gewordenen Probleme der Ökonomisierung des Gesundheitswesens und die verheerenden Folgen der DRGs betrifft, wurden keine schlüssigen Konzepte für eine über 20 Jahre währende und sich zuspitzende prekäre Situation für die Krankenhäuser und den niedergelassenen Bereich präsentiert.

Jaeger: Gut war ein Antrag, der Begleitforschung gefordert hat, dass man wirklich weiß, was gelaufen ist. Von den Ideen, den ÖGD zu verbessern oder ein besseres Pandemiemanagement zu fordern, muss man sehen, was übrig bleibt.

Zürner: Voraussichtlich nicht, aber es sind wichtige Themen angesprochen worden: Auswüchse der Ökonomisierung im Gesundheitssystem sollten beseitigt werden. Die Ärzte im ÖGD müssen vergleichbar mit Ärzten in der Patientenversorgung bezahlt werden. Nur so können die Stellen besetzt werden. Ambulante wie stationäre Versorgung dürfen nicht auf Kante genäht sein und müssen Spielräume für außergewöhnliche Situationen haben, die übrigens regelmäßig auftreten werden. Die Digitalisierung in der Medizin soll Patienten und Ärzten dienen und kann nicht in einem dysfunktionalen Hauruckverfahren, bei fehlender funktionierender Hardware und Software und unter Androhung von Strafen, den Ärzten übergestülpt werden.

Henneberg: Beeindruckend fand ich, dass der Deutsche Ärztetag sich hinter die Schwachen der Gesellschaft gestellt hat: Es gab mehrere gute Resolutionen, die das Kindeswohl zum Ziel hatten, und damit war ja vor allem Nachteilsausgleich nach verlorener Zeit des Lernens, des sozialen Miteinanders, des Sports, der Musik gemeint und nicht, wie dann schrecklicherweise als einziger Punkt in den Medien hervorgehoben wurde, als wichtigstes Recht der Teilhabe die Teilnahme an Impfprogrammen!! Daneben haben wir uns aber auch für die Geflüchteten eingesetzt, dass sie vernünftigen Wohnraum brauchen, um Infektionsgefahr zu minimieren, dass sie auch unversichert ein Anrecht auf Notfallbehandlung haben und dass sie Dolmetscher brauchen. Und wir haben sogar über die Landesgrenzen hinweggeschaut und das Recht des globalen Südens betont, an Impfprogrammen teilzuhaben.

Welche Themen und Beschlüsse des Deutschen Ärztetages aus den Bereichen Gesundheits-, Sozial- und ärzt­liche Berufspolitik waren besonders wichtig?

Repschläger: Die Aussprache über die Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum § 217 StGB.

Stork: Thema zu § 217 war zentral und wurde gut diskutiert. Ruhige, souveräne Leitung durch Dr. Reinhardt. Gut war auch die Setzung einer zweiten Hälfte DÄT für Oktober mit dem Schwerpunkt Klimawandel & Gesundheit.

Frevert: Es ist sehr wichtig, dass das mehrfach verschobene Thema „Klimawandel und Gesundheit“ doch noch in diesem Jahr auf dem DÄT stattfindet.

Diskussion der Anträge zur Ökonomisierung des Gesundheitswesens, die soziale Situation, Impfprogramme für ärmere Länder und vor allem um den ärztlich assistierten Suizid und die Abschaffung des § 16, Abs. 3 unserer Berufsordnung waren wichtig.

Jaeger: Die Diskussion um § 217 StGB war berechtigt im Zentrum der Diskussion und Aufmerksamkeit.

Henneberg: Neben den schon genannten Themen und Beschlüssen sicherlich die Stimmen für den Ausbau des ÖGD. Hier ist eine Zusammenarbeit der einzelnen Gesundheitsämter mit besserer Bezahlung der dort tätigen Kolleginnen und Kollegen sicherlich auch für die von mir schon häufig angesprochenen Begleitstatistiken erforderlich. (...) Die große Mehrheit, mit der eine Bonuszahlung für unsere MFA unterstützt wurde, hat mich sehr gefreut!

Johna: Der Leitantrag des Vorstands: „Für ein zukunfts- und krisenfestes Gesundheitswesen“ enthält meiner Meinung nach sehr viele wichtige Aspekte und Problemfelder, denen wir und in den nächsten Jahren stellen müssen. Spätestens nach der Wahl und abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen wird im Jahr 2022 die Diskussion um Umstrukturierung im Gesundheitswesen Fahrt aufnehmen.

Halten Sie es für richtig, dass „Klimawandel und Gesundheit“ aufgrund der zeitlichen Kürze nicht mehr zu den zentralen Themen des DÄT gehörte?

Jaeger: Wurde zum Glück für wichtig erachtet und als Hauptthema für einen Sonder-DÄT im Herbst geplant.

Piper: Ja, die Entscheidung für einen weiteren, in Präsenz gewollten Ärztetag im Herbst 2021 ist der Thematik, die alle Bereiche des Lebens und Arztseins betrifft, angemessen.

Henneberg: Der Klimawandel war ein zu wichtiges Thema, um es schnellschnell abzuhandeln, deshalb ist ein Zusatzärztetag im Oktober angemessen.

Johna: Es ist schade, dass dieses wichtige Thema verschoben werden musste. Aber es ist ja geplant, es noch in diesem Jahr auf einem weiteren Ärztetag, dann mit ausreichender Zeit zu behandeln. Eine zu kurze zeitliche Berücksichtigung wäre diesem Thema sicher nicht angemessen gewesen.

Wurde das Thema Ärztliche Weiterbildung ausreichend behandelt?

Repschläger: Ja, und auch sehr kontrovers diskutiert.

Zürner: Sehr gute Präsentation des Vorstandes. Der Facharzt für Innere und Infektiologie stärkt die Kompetenz der Ärzteschaft. Die Etablierung einer Qualitätssicherung in der Weiterbildung auf Anregung von Dr. Fach ist ein wichtiger Meilenstein.

Frevert: Die Weiterbildung wurde, soweit ich es beurteilen kann, sehr kontrovers (z. B. FA Innere und Infektiologie), aber auch konstruktiv behandelt.

Jaeger: Für die vorgesehenen Themen ja. Da es ein lernendes System darstellt, bin ich froh, dass das Thema Weiterbildung ständig auf zukünftigen DÄT behandelt werden soll.

Piper: In allen Gremien der Landesärztekammer und BÄK umfassend vorbereitet, sehr ansprechendes Video-Eingangsstatement der Auschussvorsitzenden H. Gehle und Prof. H. Herrmann, insgesamt gut und mit klaren Beschlussmehrheiten gelaufener TOP.

Henneberg: Hier waren ja nur wenige Einzelpunkte angesprochen. Aufgrund des Zeitmangels wegen der großen Themen Covid-19-Herausforderungen und assistierter Suizid ist das Thema Weiterbildung leider genauso wie das Thema neue Approbationsordnung etwas zu kurz gekommen.

Johna: Es gab keine längeren Diskussionen, die verabschiedeten Änderungen waren gut vorbereitet und wurden von einer großen Mehrheit der Abgeordneten begrüßt.

Wie beurteilen Sie die Aussprache über die Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum § 217 StGB?

Repschläger: Hervorragende sachliche und faire Diskussion.

Zürner: Die von Dr. Reinhardt exzellent geführte, reflektive und aufrichtige Debatte war ein Highlight der letzten Ärztetage. Keine billige Polemik, sondern ehrliches Ringen um eine ärztliche Position aufgrund langjähriger persönlicher Beratungserfahrung mit Patienten.

Doubek: ausgesprochen respektvoll.

Frevert: Diese Aussprache, an der ich mich selbst beteiligt und an einem Antrag mitgewirkt habe, der mit anderen Anträgen angenommen wurde, war trotz der Kürze sehr umfassend und ließ den unterschiedlichen Positionen genügend Raum, um das Spektrum ärztlicher Haltung zu beschreiben. Ein Highlight, das aber die Ärzteschaft noch die nächsten Jahre beschäftigen wird.

Jaeger: Ich war erleichtert und froh, wie vorsichtig, achtsam und offen das Thema diskutiert wurde.

Piper: Schlicht gelungen, sehr breiter, aber weit überwiegend sehr konstruktiver Diskurs zur Freigabe des assistieren Suizids für Jeden, ob gesund oder krank. In den Beschlüssen unmissverständliche Statements zum Primat der gereiften ärztlichen Ethik und den über Generationen gewachsenen Regeln der Berufsordnung, dem Wohl und der Gesundheit der Menschen und Lindern von Leiden verpflichtet zu sein. Ärzte sind keine Tötungshelfer.

Henneberg: Hier war ich angenehm überrascht. Das Thema war uns ja durchs Verfassungsgericht aufgezwungen, ich persönlich fand es anfangs fast makaber, zu Zeiten von Corona-Druck auf die Bevölkerung ausgerechnet hierüber zu diskutieren, und habe mühsam einsehen müssen, dass die Änderung unserer Berufsordnung zeitnah sein und dahinter auch der von mir als Thema favorisierte Klimaschutz zurückstehen musste.

Dass wir als Ärzteschaft aber so sensibel damit umgehen konnten, einfach zu betonen, dass wir aufgrund des Urteils in Zugzwang geraten waren, wir aber weiterhin die Assistenz beim Suizid nicht als ärztliche Aufgabe ansehen, sondern diese in einer individuellen, auf den Patienten abgestimmten und bis zum Ende begleitenden und seinen Bedürfnissen folgenden Behandlung verorten, fand ich sehr ansprechend.

Johna: Ich fand die Aussprache bei diesem schweren Thema persönlich sehr bereichernd. Es hat sich gezeigt, wie wichtig es den Abgeordneten ist, trotz unterschiedlicher Haltungen zum ärztlich assistierten Suizid hier zu einer gemeinsamen ärztlichen Haltung zu kommen. Sicher wird uns dieses Thema noch weiter beschäftigen.

Welche Erwartungen haben Sie an die neu gewählte Ärztin bzw. den neu gewählten Arzt im Vorstand der BÄK?

Repschläger: Volles Engagement für unseren ärztlichen Belange.

Zürner: Ich wünsche mir eine Stärkung der niedergelassenen Kolleg/-innen und eine Frau im Vorstand der BÄK. Also Frau Dr. Held.

Frevert: Ich habe die Erwartung, dass die/der neugewählte Ärztin/Arzt stärker den Akzent auf die globaleren, drängenden Themen wie Klimaschutz, sektorenübergreifende Medizin, medizinische Versorgung der Zukunft usw. setzt.

Jaeger: Mir hat besonders der Beitrag von Herrn Maitra gefallen, der neue Themen (Klimaschutz) in den Vorstand bringen und die demokratischen Strukturen, die unter der Pandemie gelitten haben, im Auge behalten möchte.

Piper: Teamgeist, Impulse setzen, breite Erfahrungen in der Kammerwelt, Integrationsfähigkeit.

Henneberg: Sie sollte dafür Sorge tragen, dass bei wichtigen Gesundheitsfragen die Ärzteschaft in Entscheidungen mit einbezogen wird. Hierbei muss in Klinik und Praxis verhindert werden, dass der Trend der Ärzteschaft zur geduldeten (Selbst-)Ausbeutung anhält, damit wir unseren jungen Kolleginnen und Kollegen stattdessen wieder Freude und Stolz über einen der schönsten freien Berufe vermitteln.

Johna: Selbstverständlich geht es darum die Interessen der Ärztinnen und Ärzte zu vertreten. Hierbei sind die beiden vom Ärztetag gewählten Ärztinnen oder Ärzte weniger einer einzelnen Landesärztekammer verpflichtet als es die Kammerpräsidentinnen oder Kammerpräsidenten sind.

Ihr Fazit des 124. Deutschen Ärztetages als Online-Veranstaltung?

Repschläger: Gelungene Onlineveranstaltung mit souveräner sachlicher Führung durch Herrn Reinhardt.

Stork: Die Online-Veranstaltung ist anstrengender wegen technischer Barrieren. Durch das anonyme Abstimmungsportal gab es mehr inhaltlich geleitete Abstimmungsergebnisse. Das taktische „Lagerabstimmen“ wurde damit unterbunden. Wäre auch eine Anregung für die Delegiertenversammlung der LÄKH.

Zürner: Trotz des Online-Formates ein Höhepunkt meiner langjährigen Ärztetagerfahrung.

Doubek: gut so, besonderen Umständen gerecht geworden.

Frevert: Das Online-Format hat ausgesprochen gut funktioniert (...). Aber in Zukunft wünsche ich mir einen Präsenzärztetag!

Jaeger: Die reine Online-Veranstaltung fand ich schon als Beobachterin anstrengender und war froh, nicht mit der Technik bei Wortbeiträgen, Anträgen und Abstimmungen kämpfen zu müssen.

Piper: Technisch und inhaltlich-sachlich gelungen, tolle Vorbereitung, danke! Gleichwohl: Ohne Präsenz und unmittelbares parlamentarisches Mit- und Gegeneinander ein Torso.

Henneberg: Die Veranstaltung ist entgegen meiner Vorurteile gut gelungen, obwohl es viel schöner ist, sich zu sehen, spontan auf die Redner-Innen-Liste zu stürmen oder sich an witzigen Zwischenrufen zu erfreuen. — Herzlichen Glückwunsch an Frau Kollegin Hach-Wunderle zur Paracelsus-Medaille!

Johna: Insgesamt hat alles sowohl technisch als auch vom Ablauf gut geklappt. Es war richtig, nicht mehr Themen zu behandeln, denn im Online-Format muss man doch etwas mehr Zeit einplanen.

Katja Möhrle