Wie ist es Ihnen im Sommer ergangen? Ich hoffe, Sie konnten einen erholsamen Urlaub verbringen. Auf der gesundheitspolitischen Wiese war das viel beschworene Sommerloch, das ja zumindest gelegentlich etwas gepflegte Langeweile verheißt, für mich jedoch nicht zu finden – vermutlich ist es dem Bermuda-Dreieck zum Opfer gefallen.

In der Fachöffentlichkeit wie auch in der allgemeinen Öffentlichkeit wird unverändert über zweifellos notwendige Änderungen am Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz diskutiert. Diese sollen in dem sogenannten Krankenhausanpassungsgesetz (KHAG) erfolgen. Beim Verfassen dieses Editorials lag der Gesetzentwurf noch nicht vor, bekannt sind lediglich einige Eckpunkte. Ungeachtet der vorgesehenen Inhalte brauchen die Krankenhäuser und insbesondere auch deren Beschäftigte so schnell wie möglich Klarheit. Die wegen ihrer Zukunft vor Ort verunsicherten Belegschaften brauchen eine verlässliche Perspektive. Das gilt natürlich auch für die Länder, in deren Verantwortung die Planung einer bedarfsgerechten Versorgung ihrer Bevölkerung liegt.

Lebhafte Diskussionen gibt es auch um das geplante Primärarztsystem (siehe dazu auch „Aus dem Präsidium“ S. 470). Die geäußerten Bedenken kann ich nachvollziehen, obwohl ich dem Vorschlag nicht grundsätzlich abgeneigt bin. Die Älteren unter uns erinnern sich bestimmt noch an den Überweisungsschein, den man sich früher beim Hausarzt abholen musste, um anschließend einen fachärztlichen Termin wahrnehmen zu können. Das hat meiner Erinnerung nach recht gut funktioniert. Allerdings gab es damals bekanntermaßen im Verhältnis Hausärzte zu Fachärzten deutlich mehr Hausärztinnen und -ärzte. Heute hingegen wird prognostiziert, dass bis zum Jahr 2035 ungefähr 11.000 Hausarztsitze unbesetzt bleiben könnten. Zudem benötigen viele Patienten keine Steuerung, und etliche Menschen haben schon heute keinen Hausarzt bzw. konnten keinen finden. Dann kann es auch keine Steuerung geben.

Wenn die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung jedoch nicht sichergestellt ist oder eine Versorgung für den Einzelnen nur mit langen Wartezeiten und womöglich auch langen Anfahrtswegen verbunden ist, wird das ohnehin schon abnehmende Vertrauen in das Gesundheitssystem – wohlgemerkt gemeint ist das System, nicht die Gesundheitsberufe! – weiter schwinden. Doch dieses Vertrauen in die Daseinsvorsorge ist einer der Grundpfeiler unserer Demokratie. Gerade in Zeiten, die als unsicher empfunden werden, sind verlässliche Anker wichtiger denn je. Die Folgen der Coronapandemie, unter denen nicht nur die Long Covid-Patienten leiden, sondern auch viele Kinder und Jugendliche mit daraus resultierenden psychischen Problemen, der seit über drei Jahren andauernde Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes durch Künstliche Intelligenz und vieles mehr hinterlassen Spuren in der Psyche unserer Gesellschaft und jedes Einzelnen. Verunsicherung und Ängste waren jedoch noch nie gute Ratgeber.

Deshalb sind nicht nur kluge politische Entscheidungen dringend nötig, sondern auch wir alle sollten uns fragen, was wir beitragen können. Ein Baustein dabei ist, Frauen und insbesondere Müttern eine Karriere in der Medizin zu ermöglichen. Mag der eine oder andere Pressebericht auch etwas überspitzt erscheinen, so ist das Problem doch weit verbreitet. Schwangere Ärztinnen müssen sich nicht nur mit Vorgaben des Mutterschutzes auseinandersetzen – hier werden noch immer zu oft unnötige Einschränkungen ausgesprochen – , sondern sie werden nach der Schwangerschaft von den ärztlichen Leitungen nicht selten bewusst ausgegrenzt, etwa indem sie nicht für den OP eingeteilt werden oder die familiäre Situation nicht berücksichtigt wird. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch kontraproduktiv, denn in der Versorgung werden alle Ärztinnen und Ärzte dringend gebraucht.

Doch zum Glück gibt es auch positive Entwicklungen, wie den aktuellen Gesetzentwurf, der eine Überkreuzspende bei Lebendnierenspenden ermöglichen soll. Noch besser wäre es natürlich, wenn es uns gelingen würde, die Zahl der Organspenden post mortem deutlich zu erhöhen. Daher plädiere ich unverändert für eine Widerspruchslösung anstelle der bisherigen Einverständnislösung.

Den Vorstoß von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), Cannabisrezepte nur nach einem persönlichen Arzt-Patientenkontakt auszustellen und den Versand an Endverbraucher über Apotheken zu unterbinden, begrüße ich ausdrücklich. Scheinrezepte über Onlineportale, die de facto nicht dem medizinischen Gebrauch dienen, entsprechen in keiner Weise der ärztlichen Sorgfaltspflicht. Die Verschreibung von Medizinal-Cannabis sollte wieder wie zuvor nur auf BtM-Rezepten erfolgen dürfen.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident