Substanzkonsum in der Schwangerschaft ist ein relevanter Faktor für die Gesundheit von Mutter und Kind. Cannabis wird oft als vergleichsweise harmlos wahrgenommen. Doch aktuelle Daten zeigen, dass der Konsum während der Schwangerschaft mit messbaren Risiken für das ungeborene Kind verbunden ist.

Erhöhte Risiken

Eine systematische, jüngst aktualisierte Metaanalyse hat 51 Studien mit insgesamt über 21 Millionen Schwangerschaften ausgewertet [Lo et al. 2025]. Die Ergebnisse zeigen, dass pränataler Cannabiskonsum mit einem erhöhten Risiko für Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht, intrauterine Wachstumsverzögerung („small for gestational age“) sowie mit perinataler Mortalität assoziiert ist. Die Qualität der Evidenz wurde nach Auswertung neuerer Studien nun in einigen dieser Bereiche von „niedrig“ auf „moderat“ angehoben [Lo et al. 2025]. Die beobachteten Effekte betreffen vorwiegend neonatale Outcomes, also direkt messbare Größen zum Zeitpunkt der Geburt [Gunn et al., 2021]. Die dokumentierten Effekte wie ein niedriges Geburtsgewicht oder Frühgeburtlichkeit sind vergleichsweise unspezifisch, aber es gibt ergänzende Daten zu Outcomes im späteren Kindesalter: so weisen cannabinoidexponierte Kinder häufiger kognitive Defizite wie Aufmerksamkeitsstörungen und Probleme in der emotionalen Regulation auf [Paul et al., 2021].

Trotz in den meisten Studien erfolgter Adjustierung für mütterliche Störvariablen wie begleitender Tabakkonsum oder sozioökonomischer Status könnten auch weitere, nicht cannabisbezogene Faktoren eine Rolle bei den späteren Auffälligkeiten der Kinder spielen [Marchand et al., 2022]. Allerdings werden die epidemiologischen Befunde durch Tiermodelle unterstützt [z. B. Scheyer et al., 2019; Jenkins et al., 2025]. Auch der beobachtete Dosis-Wirkungs-Zusammenhang macht es wahrscheinlicher, dass die erhöhten Risiken tatsächlich kausal dem Cannabiskonsum zuzuordnen sind.

Interaktion mit Endocannabinoid-System

Diese Befunde erscheinen plausibel, wenn man die Wirkung von Cannabis auf das sich entwickelnde Gehirn betrachtet: Cannabis enthält bis zu 70 verschiedene Phytocannabinoide, darunter das psychoaktive Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Diese Substanzen interagieren mit dem Endocannabinoid- System des Menschen, insbesondere mit den Rezeptoren CB1 und CB2. Endogene Cannabinoide wie Anandamid und 2-Arachidonylglycerol spielen eine zentrale Rolle in der neuronalen Entwicklung – ein Prozess, der in vielen Aspekten noch unzureichend verstanden ist. Bereits während der Embryogenese sind Komponenten des Endocannabninoidsystems nachweisbar und regulieren wahrscheinlich die Entwicklung des ZNS von der Neurogenese über die neuronale Migration bis hin zur Synaptogenese und Netzwerkbildung [Gomes et al., 2020].

Exogene Cannabinoide – also solche, die durch Konsum zugeführt werden – beeinflussen das sich noch entwickelnde Nervensystem stärker als im späteren Lebensalter [Rodriguez et al., 2024; Dellazizzo et al., 2022]. Das unreife neuronale Netzwerk reagiert noch empfindlicher auf Signalveränderungen und ist anfälliger für externe Modulationen. Diese Unterschiede in der neurobiologischen Vulnerabilität sind vielen werdenden Eltern nicht bekannt.

Durch die veränderte gesetzliche Lage werden Schwangere wahrscheinlich häufiger eine Beratung wegen der Einnahme von (medizinischem) Cannabis wünschen, zum anderen steigt der Cannabiskonsum seit längerer Zeit an [Olderbak et al., 2021].

Anstieg des Konsums

In anderen Ländern ist ein deutlicher Anstieg von Cannabiskonsum in der Schwangerschaft in den letzten Jahren beobachtet worden [Hayes et al., 2024; Bespalova et al., 2024]. Nach der Legalisierung von Freizeitkonsum in Kalifornien stieg insbesondere der Konsum im ersten Trimester an [Young-Wolff et al., 2024]. Medizinisches Fachpersonal sollte jeglichen Konsum bei Schwangeren, aber insbesondere die häufigsten Substanzen (Tabak, Alkohol und Cannabis) offen und wertfrei erfragen. Die aktuelle Evidenz sollte dabei als Grundlage für sachliche Aufklärung und Beratung dienen – mit dem Ziel, informierte Entscheidungen zu ermöglichen und Risiken für das ungeborene Kind zu vermeiden.

Dr. med. Deborah Scholz-Hehn, Agaplesion Markus Krankenhaus Frankfurt am Main, Drogen- und Suchtbeauftragte der Landesärztekammer Hessen

Dr. med. Siegmund Drexler, Berater der LÄKH in Drogen- und Suchtfragen

Dr. med. Mathias Luderer, Goethe Universität Frankfurt, Universitätsklinikum, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Drogen- und Suchtbeauftragte derLandesärztekammer Hessen

Die Literaturangaben zum Artikel finden Sie hier.