„Wir sind ein Maximalversorger der höchsten Versorgungsstufe, unsere Mitarbeitenden erleben immer wieder herausfordernde Situationen und traumatische Ereignisse, die verarbeitet werden müssen. Aus diesem Grund haben wir uns als Haus entschieden, dass wir ein niedrigschwelliges Hilfssystem auf kollegialer Basis etablieren möchten“, erklärt Arbeitspsychologin Lotte Schwärzel, die die „Kollegiale Krisenbegleitung“ am Klinikum Darmstadt etabliert hat. Zwölf Mitarbeitende aus dem Haus sind bisher geschult worden, weitere folgen. „Wir haben uns zuerst auf besonders belastete Bereiche, wie Notaufnahme und Intensivstation, fokussiert“, erklärt die Arbeitspsychologin, die auch den Bereich Organisations- und Führungskräfteentwicklung im Klinikum verantwortet. In einem zweiten Schritt sollen Mitarbeitende des OP, des Kreißsaals und weitere Kliniken folgen.

„Es geht um eine psychosoziale Erstversorgung“, erläutert Lotte Schwärzel. Die kollegialen Krisenbegleiter fungieren als Ansprechpartner für die Kollegen, die belastende Situationen erlebt haben. Das können eine erfolglose Reanimation, emotional-intensive Situationen mit Angehörigen, Gewaltübergriffe und einige mehr sein. Die kollegiale Krisenbegleitung zeichnet sich dadurch aus, dass sie niedrigschwellig, zeitnah und vertrauensvoll ist. Im besten Fall kennt man die Kollegin oder den Kollegen gut und es besteht bereits ein Vertrauensverhältnis.

Begleitend dazu gibt es im Klinikum Darmstadt Arbeitspsychologen, die dann übernehmen, wenn klar wird, dass eine professionelle und langfristige Unterstützung notwendig ist oder wenn das gesamte Team betroffen ist. Seit mehr als einem Jahr gibt es bereits einen psychologischen Dienst, der fest auf der Intensivstation eingesetzt ist und den Patienten, den Angehörigen und vor allem den Teams in emotional belastenden Behandlungssituationen zur Seite steht.

„Ein traumatisches Erlebnis ist ein Arbeitsunfall, deshalb wurde das Projekt auch als Pilotprojekt von der Unfallkasse Hessen unterstützt“, so Lotte Schwärzel weiter. Insgesamt 64 Stunden Schulung haben die kollegialen Krisenbegleiterinnen und -begleiter absolviert, beispielsweise in Gesprächsführung auch im Gruppenkontext oder im Erkennen von Verhaltensweisen, die auf eine Belastungssituation bei Kollegen hinweisen.

„Mich hat es in der Schulung sehr überrascht zu sehen, welche Dynamiken durch eine Belastungssituation in einem Team entstehen können, und wie wichtig es deshalb ist, rechtzeitig zu reagieren“, sagt Dr. med. Christine Hidas. Die leitende Oberärztin der Zentralen Notaufnahme (ZNA) und Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen ist auch eine kollegiale Krisenbegleiterin und kennt belastende Situationen aus ihrem Arbeitsalltag nur zu gut. „Wir sind in der ZNA permanent mit Verlust, Trauer, Tod und schwierigen Situationen konfrontiert und dann gibt es natürlich noch die Super-Gau-Ereignisse, zum Beispiel, dass ein Kind stirbt oder es einer Kollegin oder einem Kollegen schlecht geht, da braucht es schon ein Angebot für diejenigen, die an der Situation beteiligt waren.“ Insbesondere in der ZNA sei es wichtig, dass ein solches Angebot niedrigschwellig und unkompliziert sei, da knapp besetzte Dienstpläne eine Aufarbeitung oft schwierig machten und häufig reiche ein kurzes Gespräch.

„Ich bin sowieso die ,Mutti der ZNA’ und kümmere mich um alle, aber ich war daran interessiert, professionelleres Handwerkszeug zu bekommen. Und außerdem hatte ich Lust, mal wieder etwas zu lernen“, sagt Hidas und lacht. Gelernt habe sie vor allem, dass es wichtig ist, zuzuhören und den Emotionen Raum zu geben. „Wir sind so fokussiert darauf, immer ein Problem lösen zu müssen und ins Handeln zu kommen. Eine überraschende Erkenntnis war für mich, dass ich in diesem Moment kein Problem lösen muss, weil ich es oft ja auch gar nicht kann, sondern dass es um das Zuhören und Dasein geht.“ Sie habe auch schon die Erfahrung gemacht, dass allein das Aussprechen, dass es so ein Angebot gebe, den Mitarbeitenden helfe. „Sie wissen dann, es gibt einen Raum und Verständnis dafür und es ist okay, wenn sie mit einer Situation nicht gut klarkommen.“

Ariane Steinmetz, Kommunikation Klinikum Darmstadt