Im Rahmen des Projekts ProSECoM1 hat das Bundesinstitut für Berufsbildung das Onlinetraining SECoTrain2 entwickelt, mit dem sozial-emotionale Kompetenzen von Medizinischen Fachangestellten (MFA) in der Ausbildung gefördert werden können. Im Herbst 2023 startete eine Interventionsstudie mit rund 520 angehenden MFA im zweiten Ausbildungsjahr. Das Fazit ist positiv. Als erste Pilotschule wird voraussichtlich die Carl-Oelemann-Schule der Landesärztekammer Hessen im Herbst 2025 die Trainings den Auszubildenden des zweiten Ausbildungsjahrs zur Verfügung stellen.
Link zur Projektseite: https://www.bibb.de/de/185832.php
Bedeutung sozial-emotionaler Kompetenzen
Soziale und emotionale Kompetenzen sind entscheidend für den beruflichen Erfolg, aber auch für die Gesundheit der Mitarbeitenden und das Wohlbefinden im beruflichen Alltag. Dies gilt insbesondere in Berufen mit vielen Interaktionen, beispielsweise mit Kundinnen und Kunden oder Patientinnen und Patienten, aber auch im Team. Für MFA ist es wichtig, empathisch zu kommunizieren, effektiv im Team zu arbeiten und mit verschiedenen Anforderungen wie Zeitdruck, Interessenskonflikten und wechselnden Aufgaben umgehen zu können. Dafür benötigen sie soziale und emotionale Kompetenzen, die nicht nur zur Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten beitragen, sondern auch die Arbeitsleistung und die Atmosphäre im Team verbessern. Angesichts der oft anspruchsvollen Interaktionssituationen ist es wichtig, dass diese in der Ausbildung vermittelt werden. SECoTrain unterstützt Auszubildende darin, diese Kompetenzen zu verbessern. Damit soll die Belastung im Beruf reduziert werden, was in Zeiten von Fachkräftemangel auch aus Sicht der Betriebe ein wichtiges Anliegen ist.
Lernziele und Aufbau von SECoTrain
SECoTrain besteht aus drei Lerneinheiten: Emotionsregulation, Perspektivenkoordination und Kommunikationsstrategien. Aus Studien zum Umgang mit Emotionen ist bekannt, dass sowohl das Unterdrücken negativer Emotionen als auch ungefiltertes Ausleben sich negativ auf Beziehungen und auf die Gesundheit auswirken.
- In der Lerneinheit „Emotionsregulation“ geht es um die Entstehung und Funktion von Emotionen sowie darum, welche alternativen und langfristig gesunden Strategien es zum Umgang mit Emotionen gibt.
- Die Lerneinheit „Perspektivenkoordination“ vermittelt grundlegendes Wissen über soziale Wahrnehmung und Gründe menschlichen Verhaltens. Anschließend üben die Auszubildenden, ihre eigene Perspektive und ihre Bedürfnisse zu reflektieren und zugleich die Perspektiven und Bedürfnisse von anderen Beteiligten nachzuvollziehen und zu berücksichtigen.
- Im Mittelpunkt der Lerneinheit „Kommunikationsstrategien“ stehen die wertschätzende Formulierung der eigenen Belange bzw. der Belange der Praxis und das empathische Eingehen auf die Situation des Gegenübers. Angelehnt an Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation lernen die Auszubildenden, wie sie heikle Inhalte angemessen formulieren und dabei ihren eigenen Standpunkt klar und freundlich vertreten können.
Die Lerneinheiten dauern jeweils etwa eine Stunde und sind so konzipiert, dass sie unabhängig von Lehrpersonen absolviert werden können. Jede Einheit besteht aus mehreren Blöcken: In der Einführung erfolgt anhand von Videos und Quizfragen eine Sensibilisierung für problematische Denk- und Verhaltensweisen. Ein Wissensblock vermittelt praxisnahe Inhalte und zeigt positive und negative Verhaltensbeispiele. Im Anschluss folgen Übungen, in denen die Teilnehmenden das Gelernte schrittweise anwenden. Reflexion und Artikulation sollen schließlich das bewusste Nachdenken über das Gelernte und dessen Anwendung im Arbeitsalltag fördern.
Die Lerneinheiten beinhalten sowohl Wissensvermittlung als auch zunehmend offener gestaltete interaktive Aufgaben, welche die Lernenden dazu anregen, das Gelernte in authentischen Kontexten auszuprobieren. Auf diese Weise sollen die Entwicklung flexibler Wissensstrukturen und die Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden gestärkt werden.
Ein Avatar begleitet die Lernenden durch das Training, bietet Hilfestellungen, gibt Feedback zu den Aufgaben und erklärt die nächsten Schritte. Dies erleichtert die Verarbeitung des Lernstoffs. Weitere Details zur Trainingsgestaltung und Einblicke ins Training finden sich unter: https://rdcu.be/deMck, siehe Abb. 1.
Vorteile des Onlinetrainings
- Das Onlinetraining ermöglicht es den Teilnehmenden, unabhängig von Lehrpersonen zeitlich und räumlich flexibel, selbstgesteuert und in ihrem eigenen Tempo zu lernen und Inhalte nach Bedarf zu wiederholen.
- Durch interaktive Aufgaben wird das Lernen aktiv gestaltet, um die Motivation und den Lernerfolg zu steigern. Die Aufgabentypen werden zunehmend offener und schwieriger, um die Lernenden nach und nach zur eigenständigen Anwendung zu führen.
- Videos spielen eine zentrale Rolle im Training, da sie realistische Verhaltensweisen in überschaubaren Sequenzen präsentieren. Diese Darstellung ermöglicht den Lernenden, das Verhalten zu reflektieren und zu analysieren. Zudem wird durch die Präsentation sowohl positiver als auch negativer Verhaltensmodelle der Transfer in den Arbeitskontext erleichtert.
- Die Trainingsinhalte basieren auf realistischen Szenarien, die in Zusammenarbeit mit Auszubildenden, Praktikerinnen und Praktikern sowie Expertinnen und Experten entwickelt wurden. Dies unterstützt, dass das Gelernte direkt auf die Herausforderungen im Berufsalltag angewendet werden kann.
Positive Bewertung des Trainings
Für die Evaluation des Trainings nahmen die Trainingsteilnehmenden sowie eine Kontrollgruppe in einem Prätest-Posttest-Follow-up-Design an Tests zu den Zielkompetenzen teil. Die Ergebnisse fallen positiv aus und werden in Kürze veröffentlicht. Die 170 Teilnehmenden der Trainingsgruppe beantworteten zusätzlich Fragen zur subjektiven Trainingsbewertung, vgl. Abb. 2 (nur online im Literaturverzeichnis).
Die Ergebnisse zeigen, dass das Training von der Mehrheit der Teilnehmenden positiv bewertet wurde. Bei allen sechs Fragen gab deutlich mehr als die Hälfte eine Bewertung ab Stufe 4, die den neutralen Mittelwert der Antwortskala bildet, oder höher ab. Besonders fällt ins Auge, dass 59 % der Teilnehmenden motiviert sind, das Gelernte am Arbeitsplatz umzusetzen, wobei 32 % eine starke Motivation (Stufe 6 oder 7) angeben.
Ausblick
SECoTrain ist so konzipiert, dass die Auszubildenden sich die Inhalte eigenständig aneignen können. Allerdings ist aus der Transferforschung bekannt, dass Lerninhalte eher in der Praxis angewendet werden, wenn sie mit verschiedenen Methoden vermittelt wurden. Außerdem äußerten einige Trainingsteilnehmende den Wunsch, die Inhalte ergänzend im Unterricht oder Betrieb besprechen und üben zu wollen. Aus diesem Grund werden im Projekt derzeit Materialien entwickelt, mit denen die Inhalte im Unterricht und in der Ausbildungspraxis vertieft werden können. Im nächsten Schritt soll SECoTrain für den Einsatz in Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben zur Verfügung gestellt werden.
Dr. Tanja Tschöpe, Dr. Annalisa Schnitzler, Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, Arbeitsbereich „Kompetenzentwicklung“, Friedrich-Ebert-Allee 114–116, 53115 Bonn, E-Mail: prosecom@bibb.de
1: SECoTrain = Social and Emotional Competences Training
2: ProSECoM = Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen von Medizinischen Fachangestellten – Promotion of Social and Emotional Competences of Medical Assistants