Prof. Dr. med. Marcel A. Verhoff leitet den Kurs „Leichenschau“ an der Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung der Landesärztekammer Hessen. Im Interview stellt er dessen Inhalte vor.
Herr Prof. Dr. Verhoff, warum sollten Ärztinnen und Ärzte Ihren Kurs zur Leichenschau besuchen?
Prof. Dr. med. Marcel Verhoff: Die Leichenschau wird oft als unangenehme Pflicht empfunden – dabei ist sie eine der verantwortungsvollsten Aufgaben im ärztlichen Alltag. Viele Kolleginnen und Kollegen verspüren Hemmungen im Umgang mit Verstorbenen, sei es aus Berührungsangst oder weil der Tod als Niederlage erlebt wird. Unser Kurs setzt genau dort an: Er hilft, diese Schwellen abzubauen und vermittelt sowohl rechtliches Wissen als auch praktische Sicherheit. Die Leichenschau ist nicht nur die Feststellung des Todes. Ärztinnen und Ärzte treffen hier eine entscheidende Weichenstellung: Liegt ein natürlicher oder nicht-natürlicher Tod vor? Diese Unterscheidung hat weitreichende Folgen – etwa für die Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen, aber auch für den weiteren Ablauf der Bestattung. Gerade in einem Land wie Deutschland, in dem Gewaltverbrechen selten sind, ist es umso wichtiger, die wenigen Tötungsfälle zuverlässig zu erkennen. Jede übersehene Tötung ist eine zu viel.
Was sind typische Fehler, die passieren?
Verhoff: Häufig wird bei der Leichenschau nicht gründlich genug vorgegangen – der Kopf oder Rücken wird nicht inspiziert, Hinweise auf äußere Gewalteinwirkung bleiben unentdeckt. In der Folge wird ein natürlicher Tod attestiert, obwohl objektiv ein anderer Befund vorliegt. Auch bei der notwendigen Meldung von Berufskrankheiten sehen wir oft Defizite. Wenn relevante Zusammenhänge übersehen werden, entgehen den Angehörigen im schlimmsten Fall Ansprüche wie Sterbegeld oder Witwenrente. Das hat weitreichende soziale Konsequenzen.
Wie ist der Kurs konzipiert?
Verhoff: Der Kurs besteht aus vier Unterrichtseinheiten, die jeweils Theorie und Praxis kombinieren – 45 Minuten Theorie, 45 Minuten praktische Übungen. Inhaltlich geht es zunächst um medizinische Grundlagen wie Todeszeichen und Leichenveränderungen, dann um rechtliche Aspekte: Wann ist ein Tod meldepflichtig? Wie wird der Leichenschauschein korrekt ausgefüllt? Im praktischen Teil arbeiten wir direkt am Leichnam. Hier zeigen sich oft die größten „Aha-Momente“. Durch diese Erfahrung wächst die Handlungssicherheit enorm.
Was nehmen Teilnehmende konkret mit?
Verhoff: Wer den Kurs besucht, lernt, wie man einen Leichenschauschein korrekt und vollständig ausstellt, wie man Todesursachen fachgerecht einordnet – und wie man eine Leichenschau effizient, aber sorgfältig durchführt. Für viele Teilnehmende ist es das erste Mal, dass sie überhaupt praktisch mit einem Leichnam arbeiten. Anfangs herrscht oft Zurückhaltung – aber schon beim zweiten oder dritten Kontakt ist die Berührungsangst meist überwunden. Die Leichenschau wird dann als das wahrgenommen, was sie ist: eine selbstverständliche ärztliche Aufgabe.
Warum sollten auch Ärztinnen und Ärzte teilnehmen, die in ihrem Berufsalltag eher selten Verstorbene sehen?
Verhoff: Die Leichenschau kann jede und jeden treffen, unabhängig von der Fachrichtung. Und dann müssen sie handeln – rechtssicher, sorgfältig und verantwortungsbewusst. Deutschland hat den hohen Anspruch, dass jeder Verstorbene vor der Bestattung noch einmal ärztlich untersucht wird. Das ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Damit das so bleibt, brauchen Ärztinnen und Ärzte das nötige Wissen – und auch die Routine. Genau das wollen wir mit unserem Kurs vermitteln.
Dr. med. Peter Zürner, Maren Siepmann
Theorie und Praxis der Leichenschau – Fortbildung der Akademie | |
Termine & Ort: | 20.08. | 27.08. | 03.09. | 10.09.2025, jeweils von 15–16:45 Uhr, Institut für Rechtsmedizin – Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt |
Information und Anmeldung: | Sandra Scherbel, Fon: 06032 782-283, E-Mail: sandra.scherbel@laekh.de, www.akademie-laekh.de |