Mit seiner Entscheidung, die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes zur Triage für nichtig zu erklären, hat das Bundesverfassungsgericht die ärztliche Berufsausübungsfreiheit gestärkt (siehe S. 627). Das ist gut und richtig, denn eine Triage kann niemals durch ein Gesetz geregelt werden. Priorisierungsentscheidungen erfordern stets eine wohl abgewogene Entscheidung im Einzelfall auf der Grundlage einer medizinisch-fachlichen Beurteilung in Verbindung mit den Grundsätzen der Ethik, Menschlichkeit und Verantwortung.
Nach gefühlt endlos langen Jahren des Einsatzes für eine neue arzt- und sachgerechte sowie angemessen dotierte amtliche Gebührenordnung für Ärzte traue ich es mich fast nicht, will aber doch diese Aussage wagen: Es bestehen wirklich ernsthafte Chancen für die Umsetzung der neuen GOÄ, die der Deutsche Ärztetag im Mai in Leipzig mit überwältigender Mehrheit konsentiert hat. Zwar scheut sich Bundesgesundheitsministerin Warken noch, einen festen Termin zu nennen, verkündete aber, dass die ersten Arbeiten auf der Fachebene dazu bereits begonnen hätten. Die Ministerin darf versichert sein, dass ihr etwaig benötigte Hilfe und Unterstützung seitens der Ärzteschaft umgehend zur Verfügung gestellt wird.
So langwierig dieser Prozess auf der politischen Ebene auch war, um nicht zu sagen, dass es quasi ein Stillstand war, so richtig ist es dennoch, dass am Ende eine amtliche Gebührenordnung steht. Denn eine amtliche Gebührenordnung gibt sowohl den Patientinnen und Patienten als auch den Ärztinnen und Ärzten einen festen Rahmen, dem beide Seiten vertrauen dürfen, indem sie faire und nachvollziehbare Bedingungen schafft und beide Seiten absichert.
Fairness und Nachvollziehbarkeit sind nicht nur im Hinblick auf die GOÄ geboten, sondern müssen vielmehr für das gesamte Gefüge unseres Sozialsystems gelten. Der Eindruck, mag er auch subjektiv sein, einem nicht durchschaubaren Moloch ausgeliefert zu sein, ruft Ohnmachtsgefühle und/oder Aggression bzw. Ausweichbewegungen hervor. Gerade im Gesundheitswesen sind uns diese Reaktionen nur allzu bekannt. So gibt es gerade unter den Älteren nicht wenige Menschen, die unbestreitbar einen Termin in einer Arztpraxis benötigen und daran scheitern, weil sie schon mit der zunehmend elektronisch erfolgenden Terminvergabe, deren Vorteile ich gar nicht bestreiten will, nicht zurechtkommen. Von den Problemen technikferner Menschen im Umgang mit der elektronischen Patientenakte will ich erst gar nicht sprechen. Aggression, sei es körperlich oder auch „nur“ in Form verbaler Gewalt, haben inzwischen wohl alle im Gesundheitswesen Tätigen erleben müssen. Vielfach dürfte dahinter ein überzogenes Anspruchsdenken liegen, aber sicher auch bei dem einen oder anderen eine Reaktion auf erlebte Hilflosigkeit und/oder Überforderung. Ausweichbewegungen finden sich bei der viel zu unkritischen Gläubigkeit an Heilsversprechungen esoterischer Wunderheiler. Dort gibt es übrigens keinen Schutz vor unberechtigten Honorarforderungen und dennoch findet sich ein zahlungswilliges Publikum. Auch dies ist ein Zeichen der in Deutschland mangelnden Gesundheitskompetenz. Hier muss dringend etwas passieren, auch wenn dieses Pflänzchen einige Jahr(zehnt)e wachsen muss, bis es erste Früchte tragen wird.
Immerhin haben sich die 53 Mitgliedsstaaten der Region Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einstimmig auf eine gemeinsame Vision für ihre Gesundheitspolitik für die Jahre 2026–2030 verständigt. Zu den von WHO-Regionaldirektor Hans Kluge genannten Schwerpunkten gehören die verstärkte Prävention nicht übertragbarer Krankheiten und die Förderung gesunden Alterns. Und wann fängt das gesunde Altern an? Ganz genau, schon in der Kindheit. Doch auch für Ältere gilt: besser spät als nie. So zeigt ein kompletter Rauchstopp auch im höheren Lebensalter noch deutliche gesundheitliche Vorteile.
Auch die Vorteile möglichst zuckerarmer Ernährung sind unbestritten. Doch bevor Sie mich für einen Diktator der Vernunft halten, gestehe ich gerne ein, dass die Advents- und Weihnachtszeit für mich ohne süße mit Butter gebackene Weihnachtsplätzchen nicht vorstellbar ist. Hier halte ich es mit der Oscar Wilde zugeschriebenen Äußerung: „Alles in Maßen, einschließlich Mäßigung.“
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, besinnliche, frohe und gemütlichen Stunden im Kreise Ihrer Liebsten und die Möglichkeit, Ihre persönlichen Energiereserven wieder aufzutanken.
Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident

