Mit Beschluss vom 23. September 2025 hat das Bundesverfassungsgericht den neu eingeführten § 5c IfSG, in dem für den Fall einer Pandemie bedingten Knappheit von intensivmedizinischen Ressourcen Triage-Regelungen vorgesehen sind, für nichtig erklärt.
In § 5c IfSG regelte der Bundesgesetzgeber unter anderem, anhand welcher materieller Kriterien die Ärztinnen und Ärzte die Entscheidung über die Zuteilung überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten bei nicht ausreichenden Ressourcen zu treffen haben, soweit dieser Knappheitsfall durch eine übertragbare Krankheit jedenfalls mitverursacht ist. Kennzeichnend für die in § 5c IfSG geregelte Triage-Situation war, dass jede Entscheidung über die Verteilung der unzureichenden, zur Verfügung stehenden intensivmedizinischen Ressourcen zu einem Verlust von Menschenleben führen kann. Diese Regelungen sind nichtig.
Die gesetzlichen Vorgaben des § 5c IfSG verletzten die Berufsausübungsfreiheit der behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie ihr Recht, im Rahmen ihrer therapeutischen Verantwortung „frei von fachlichen Weisungen“ eine Heilbehandlung durchführen zu können. Die Ärztinnen und Ärzte sind in ihrer beruflichen Tätigkeit frei von fachlichen Weisungen und entscheiden im Rahmen der Therapiefreiheit auch das „Ob“ und das „Wie“ einer Heilbehandlung. Dies ist Kern der ärztlichen Berufsausübungsfreiheit.
Der Bundesgesetzgeber hat keine Gesetzgebungskompetenzen, in der Gestalt des § 5c IfSG in die ärztliche Berufsausübungsfreiheit einzugreifen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes beschränkt sich auf „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten“. Für Regelungen zur Triage, wie sie in § 5c IfSG vorgesehen sind, sind jedoch die Länder zuständig.
Mit dem Urteil stärkt das Bundesverfassungsgericht die ärztliche Berufsausübungsfreiheit, die auch die ärztliche Therapiefreiheit umfasst. Die Ärztinnen und Ärzte haben das Recht und die Pflicht, ihre Patientinnen und Patienten nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu versorgen und in einer Notsituation bei unzureichenden intensivmedizinischen Ressourcen die notwendigen Entscheidungen zur Rettung einer möglichst großen Zahl an Menschenleben zu treffen.
Andreas Wolf, Stellv. Justitiar, Syndikusrechtsanwalt Landesärztekammer Hessen

