Postpartale Depressionen sind eng mit den säkularen und liberalen Entwicklungen in den Industrienationen des Westens verbunden. In ursprünglichen Lebensformen ist diese Störung so gut wie unbekannt. Dort unterliegen Gemeinschaften von Geburt bis zum Tod einer durch Riten und Tabus geprägten Ordnung. Säuglinge wachsen in der Gehöft- oder Dorfgemeinschaft in engstem Kontakt mit ihren Müttern, Geschwistern und Verwandten auf. Dieses Buch hat den Vorzug, dass die Autorin beide Kulturformen zu verbinden vermag. Als Kinderärztin und Psychoanalytikerin hat sie ab dem Jahr 2000 ethnopsychoanalytische Feldforschungen bei den halbnomadisch lebenden Himba Namibias unternommen, die ihre Tätigkeit als Mitbegründerin der Frankfurter Babyambulanz des Anna-Freud-Instituts prägten. Wichtige Publikationen zu beiden Forschungsbereichen unterstreichen diese kulturvergleichende Synthese und haben neue Lösungswege in der therapeutischen Praxis eröffnet.

Die „Co-Therapie von Mutter und Kind“ lokalisiert die Störung der Dyade nicht im Individuum. Statt Einzelbehandlung findet die Therapie in Kleingruppen statt, die aus zwei analytischen Therapeutinnen oder Therapeuten, der Mutter mit Baby und dem Vater bestehen. Der hohe Aufwand rechtfertigt sich, weil in vielen Fällen rasche Besserung oder Heilung möglich ist, wie die Autorin in spannend zu lesenden Fallberichten zeigt.

Dr. med. Eberhard Th. Haas, Arzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychoanalyse