Replik zum CME-Artikel „Akute Schädigungen der Leber durch Arzneimittel, pflanzliche Heil- und Nahrungsergänzungsmittel“ von Dr. med. Michael Zieschang und Dr. med. Ulrich Rosien (HÄBL 11/2024, S. 596 ff, Nachdruck aus Arzneiverordnung in der Praxis AVP, Ausgabe 03/2023).
Mit großem Interesse haben wir den CME-Artikel im Hessischen Ärzteblatt zum Thema DILI (Medikamentöse Leberschädigung) gelesen. Auch wenn es sicher wichtig ist, Methotrexat (MTX) als potenziell hepatotoxisches Medikament zu thematisieren, so sind doch leider die gegebenen Hinweise und Empfehlungen für den Niedrigdosisbereich bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen eher dazu geeignet, die Kolleginnen und Kollegen zu verunsichern als den wesentlich weniger beängstigenden Stand der Dinge darzustellen.
Dabei sollte man gewahr sein, dass MTX unter anderem den Standard der Erstlinientherapie der rheumatoiden Arthritis und der Psoriasisarthritis darstellt, und wegen der insgesamt guten Verträglichkeit und Wirkung dafür unverzichtbar ist. Seit Einführung einer routinemäßigen Folat-Gabe am Tag nach der wöchentlichen MTX-Gabe sind hepatische Nebenwirkungen von MTX selten geworden. Dies wurde auch in prospektiven Studien gut belegt. Zu den einzelnen Punkten:
- Die hier genannten Faktoren Alkohol, vorbestehende Lebererkrankung, Diabetes, Übergewicht und Hyperlipidämie beinhalten per se und auch bei jedem anderen Medikament, welches über die Leber verstoffwechselt wird, ein hohes hepatisches Risiko. Eine Fokussierung auf MTX ist somit nicht sinnvoll bzw. eher irreführend.
- Keine der nationalen oder internationalen Leitlinien zur Therapie chronisch-entzündlicher Erkrankungen, vor allem in der Rheumatologie, beinhaltet die konkrete Empfehlung, nach 3500 mg MTX eine Elastographie, geschweige denn eine Leberbiopsie durchzuführen. Dies würde bei einer Standarddosis von 15 mg/Woche bedeuten, dass nach Ihren Empfehlungen spätestens nach vier Jahren jede Patientin oder jeder Patient eine Leberbiopsie bekommen sollte. Seit der Einführung des MTX vor mehr als 30 Jahren und vielen 10.000 in unseren Ambulanzen und Kliniken selbst behandelten Patienten kennen wir weniger als zehn Patienten, bei denen tatsächlich eine Leberbiopsie durchgeführt werden musste. Auf der anderen Seite werden aktuell in Deutschland mehr als 500.000 Menschen mit MTX behandelt, was diese Empfehlung komplett unrealistisch macht und das schon aus hepatologischer Sicht aufgrund der personellen und zeitlichen Ressourcen gar nicht zu schaffen wäre.
- Dazu kommt, dass die Leberbiopsie ihren Stellenwert durch die Etablierung nicht invasiver Scores (FIB-4 oder NFS) für die Fibrose oder die ultraschallbasierte Elastographie weitgehend verloren hat.
- Wöchentliche und zwei wöchentliche Kontrollen der Leberwerte nach MTX-Initiierung werden in der Regel durch die hausärztliche Versorgung nicht durchgeführt, auch die Rheumatologen können das nicht leisten. Die Wartezeiten in der Facharztversorgung gehen weit über 14 Tage hinaus. Noch häufigere Untersuchungen wie sie im Beipackzettel empfohlen werden, sind also realitätsfremd, und werden bzw. können routinemäßig nicht durchgeführt werden und setzen nur die Kolleginnen und Kollegen unnötig unter Druck. Selbstverständlich kann und werden bei hepatischen Risikokonstellationen die Kontrollintervalle entsprechend individuell angepasst.
- Nach allen nationalen und internationalen Leitlinien ist eine geringfügige Erhöhung der Transaminasen (bis zum 2- bis 3-fachen der Norm) auch langfristig tolerierbar. Aus diesen Gründen muss den Patientinnen und Patienten auch keine komplette und sozial isolierende dauerhafte Alkoholkarenz auferlegt werden.
- Viele Patienten sind auf Statine, Antibiotika oder auch Antihypertensiva permanent oder in Abständen angewiesen. Diese Medikamente sind fast alle potenziell lebertoxisch, da sie hepatisch abgebaut werden. Diese Präparate sollten jedoch MTX-Patientinnen und Patienten nicht vorenthalten werden. Möglicherweise waren im Artikel eher wohl nicht erforderliche Therapeutika (PPI- oder NSAR-Dauertherapie) gemeint.
Des Weiteren erschließt sich nicht, wie der ebenfalls sehr häufig angewendete CD20 Antikörper (on label z. B. rheumatoide Arthritis, Granulomatose mit Polyangiitis) indirekt eine Leberfibrose begünstigen sollte. Rituximab kann zwar theoretisch durch die Reaktivierung einer Hepatitis B lebergefährlich werden. Hierüber muss und wird aber im Vorfeld zwingend aufgeklärt werden (sofern es nicht sowieso therapeutische Alternativen gibt) und im Zweifelsfall eine antivirale Therapie mit Tenofovir (früher Lamivudin) eingeleitet werden. Unter der antiviralen Therapie ist dieses Risiko nicht mehr vorhanden.
Zudem müsste diese „indirekte“ Hepatotoxizität dann für alle anderen Biologika und Immunsuppressiva genauso gelten und auch einzeln, denn die meisten können vergleichbar eine Virushepatitis (re)aktivieren.
Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Professur für Innere Medizin und Rheumatologie Justus-Liebig Universität Gießen; Ärztlicher Direktor, Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim,
Prof. Dr. med. Elke Roeb, Professur für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie, Justus-Liebig Universität Gießen
Prof. Dr. med. Christoph Fiehn, Sprecher der Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie e. V. (DGRh)
Kontakt per E-Mail via: haebl@laekh.de
Antwort der Autoren
Zu dieser Replik teilen die Autoren Dr. med. Michael Zieschang und Dr. med. Ulrich Rosien folgendes mit: „In dem Passus unseres Beitrags, der den Einsatz von Methotrexat behandelt, wird nicht vor dem Einsatz dieser Substanz gewarnt. Sie ist u. a. in der Rheumatologie nicht verzichtbar. Eine erhöhte Aufmerksamkeit im Einsatz der Substanz bezogen auf mögliche Leberschädigung ist trotzdem oder gerade aufgrund der klinischen Bedeutung angezeigt. Auch die amerikanische Gesellschaft der Rheumatologen1 spricht sich für den Einsatz von Methotrexat aus, stellt dem aber die entsprechenden Empfehlungen hinzu, die in dem Artikel zitiert wurden.“
1 Fraenkel L, Bathon JM, England BR et al.: 2021 American College of Rheumatology Guideline for the Treatment of Rheumatoid Arthritis. Arthritis Care Res (Hoboken) 2021; 73: 924–939.