Gestern war es wieder soweit: In unserer Notaufnahme standen die Menschen bis weit in die Eingangshalle, in den Händen Einweisungsscheine, Überweisungsscheine oder auch gar keine Scheine, sondern einfach ein paar Unterlagen. Darunter Menschen, die nicht der deutschen Sprache mächtig waren, ebenfalls mit Papieren der Flüchtlingsaufnahmen. Dazu die schon in der Notaufnahmen liegenden und sitzenden wartenden Patientinnen und Patienten. Als wäre das nicht schon genug, kamen die Rettungsdienste mit zum Teil lebensbedrohlich Erkrankten in die Notaufnahme, davon einzelne als Schockraum.

Das pflegerische, administrative , technische Personal gab alles – die Ärztinnen und Ärzte der verschiedenen Fachabteilungen rannten von Zimmer zu Zimmer, wenn sie nicht gerade mit rasender Geschwindigkeit auf Tastaturen tippten und nebenher Telefonate führten – mit Angehörigen, um die Maßnahmen zu klären, um Medikamente zu erfragen, um zu erfragen, wie die Patientin zuhause beieinander war, um das weitere Prozedere zu besprechen.

Nachdem der Schockraum versorgt war, musste für diesen Patienten ein Intensivbett gesucht werden – auswärts, wir hatten keines mehr. Darum kümmerte sich eine Ärztin der Inneren Medizin. Die zweite versorgte die schon aufgenommenen Patienten und Patientinnen.

Ich habe mich den sogenannten Fußläufern gewidmet, also denen, die draußen in der Wartehalle auf Anmeldung und Triage warteten. Ich führte Gespräche mit denen, die nicht durch die Notaufnahme behandelt werden mussten und leitete sie weiter an den ärztlichen Bereitschaftsdienst, ich sichtete Papiere bei dem jungen Mann aus dem Ausland , sprach mit ihm via Handy-Übersetzer und leitete auch ihn weiter. Andere mussten ärztlich in der Notaufnahme angeschaut werden, ich nahm nach der Anamnese Blut ab, führte eine kurze Untersuchung durch, meldete Röntgen und EKG an in der Hoffnung, dass nach der Diagnostik eine rasche Aufnahme auf Station erfolgen könne.

Zwischendurch klingelte mein Telefon, ich sprach mit Einweiserinnen, mit dem Rettungsdienst, mit Angehörigen, mit Kollegen aus anderen Krankenhäusern. Zwischendurch fragten die Ärztinnen in Weiterbildung um Rat, besprachen Prozedere mit mir. Der zu verlegende Patient war immer noch da, stabil auf niedrigem Niveau, die Kollegin organisierte den Intensivtransport. Es war draußen mittlerweile schon dunkel.

„Ärztinnen und Ärzte sind immer im Dienst, deshalb sollten wir aufeinander acht geben“

Wenn Patienten sich über lange Wartezeiten beschwerten, versuchte ich ihnen zu erklären, dass jede und jeder Anrecht auf eine korrekte Behandlung hat, diese dauere eben bei unterschiedlichen Erkrankungen auch unterschiedlich lang.

Die ärztliche Profession war an diesem Abend bei weit mehr als 100 % gefragt und wurde auch so erfüllt – alle haben alles gegeben. Ärztliche Profession ist die Grundlage unseres Tuns, wir übernehmen Verantwortung für unsere Patientinnen und Patienten, aufbauend auf unserem Wissen und unserer Erfahrung, immer im Kontext mit dem Menschen, der uns konsultiert. Im Idealfall ohne ökonomische und juristische „Hintergedanken“. Wir diagnostizieren Krankheiten, lindern Schmerzen, heilen mit Medikamenten, Operationen und anderen Eingriffen, und manchmal können wir auch nur begleiten. Wir beraten Angehörige, trösten, führen sogenannte schwierige Gespräche, überbringen schlechte Nachrichten, sind immer konfrontiert mit dem Tod und der dazugehörigen Trauer.

All das begleitetet uns unser gesamten Leben als Ärztin und Arzt, formt unsere Persönlichkeit und beeinflusst in nicht unerheblichem Maße unser Leben und das unserer Familien, die muss dauernd Rücksicht nehmen auf uns, bspw. nach dem Nachtdienst und wenn wir Dienst am Feiertag haben. Die ärztliche Profession kann man nicht ablegen, irgendwie sind wir auch immer im Dienst – auch außerhalb von Klinik und Praxis. Daher sollten wir aufeinander achtgeben, fürsorglich miteinander umgehen und nach solchen Diensten wie beschrieben für ausreichend Erholung sorgen.

Passen Sie auf sich auf!

Dr. med. Christine Hidas, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen