Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz

Aus Wuhan, China, kommend breitete sich das neue Virus SARS-CoV-2 rasch weltweit aus und die Covid-19-Epidemie wurde durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 11. März 2020 zur Pandemie erklärt. Am 16. März wurde der erste Lockdown in Deutschland verkündet, im Rahmen dessen auch Kindergärten und Schulen geschlossen wurden.

Die Schulschließungen waren Teil der Pandemiepläne des Robert-Koch-Instituts für die erste Phase. Die Erfahrungen mit Influenzavirus-bedingten Pandemien wurden analog auf Covid-19 übertragen. Später zeigte sich, dass Maßnahmen wie Schulschließungen die Pandemie nicht eingrenzen konnten, aber Kinder dadurch zum Teil schwere Schäden davontrugen. Während Covid-19 bei Senioren vorübergehend führende Todesursache wurde, erwies sich die Infektion mit SARS-CoV-2 für die weit überwiegende Mehrheit der Kinder (fast 14 Mio. bis 18 Jahre in Deutschland) als leichter Infekt der oberen Atemwege.

Epidemiologie

Unter den konsekutiv auftretenden Varianten des ursprünglichen Wuhan-Virus, insbesondere Alpha und Delta, nahm die Virulenz von 2020 bis Anfang 2022 allmählich ab und die Inkubationszeit sank unter der zuletzt zirkulierenden Omikron-Variante auf drei bis vier Tage. Die Ansteckungsfähigkeit beginnt schon einige Tage vor Symptombeginn und dauert bei Immungesunden bis zu einer guten Woche danach.

Um die Epidemiologie in Deutschland besser beschreiben zu können, hatte die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) ein Register für stationär aufgenommene Kinder unter 18 Jahren mit SARS-CoV-2 Infektion eingerichtet, an das etwa ein Drittel der in Deutschland stationär behandelten Kinder gemeldet wurde (DGPI.de/Covid-19-survey-update/). Vom 1. Januar 2020 bis 30. November 2022 (35 Monate) wurden von 200 teilnehmenden Zentren 7.374 Fälle gemeldet, nur 3 % mussten auf Intensivstation aufgenommen werden. Drei Viertel der gemeldeten Kinder waren an Covid-19 erkrankt. Die anderen wurden gemeldet, weil sie im Rahmen des Screenings bei Aufnahme ins Krankenhaus mit anderen Diagnosen positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden.

Den ersten Anstieg der Fälle gab es im April 2020, gefolgt von mehreren Peaks durch verschiedene Virusvarianten. Die meisten kindlichen Fälle wurden von Februar 2022 bis April 2022 gemeldet mit dem Auftreten der wesentlich ansteckenderen Omikron-Variante. 41 % der gemeldeten Fälle traten im ersten Lebensjahr auf, die anderen verteilten sich gleichmäßig über alle folgenden Altersstufen. 70 % der symptomatischen Kinder hatten Fieber, je ein Drittel Befunde an den unteren und oberen Atemwegen und 21 % Magen-Darmsymptome.

Selten führen Komorbiditäten zu einem schwereren Verlauf von Covid-19 bei Kindern. Entsprechend hatten nur ein Viertel der gemeldeten Kinder auf Normalstation eine Komorbidität, während 70 % der auf Intensivstation behandelten Kinder eine Komorbidität aufwiesen. Unter den Komorbiditäten fanden sich vor allem Adipositas, neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen, Frühgeburtlichkeit, Trisomie-21 sowie Erkrankungen der Atemwege, des Herzens und des Kreislaufs und des Magen-Darm-Traktes. Nur 20 % erhielten eine Therapie für ihre Covid-19-Erkrankung. Bei Entlassung lag bereits bei über drei Viertel der Patienten eine Restitutio ad integrum vor. Folgeschäden oder gar Todesfälle waren sehr selten. Unter den bis Februar 2022 der DGPI gemeldeten 21 kindlichen Todesfällen, die 60 % der offiziell erfassten Fälle ausmachen, litten 16 an einer schweren neurologischen oder pulmonalen Grunderkrankung, sechs Kinder waren in einer palliativen Situation, zwei starben aus nicht-Covid-19-Gründen. Bei 10 der 21 verstorbenen Kinder gaben die behandelnden Ärzte Covid-19 als todesursächlich an (DGPI 17.02.2022). Ohne Vorerkrankungen ist der Tod durch Covid-19 bei Kindern in Deutschland ein extrem seltenes Ereignis.

Die Erkrankung Covid-19 bei Kindern

Mindestens die Hälfte der Infektionen mit SARS-CoV-2 verlaufen bei Kindern asymptomatisch. Die Symptome von Covid-19 sind auch bei Kindern grippeartig und im Wesentlichen unspezifisch mit Fieber, Husten, Pharyngitis, Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Typisch, aber selten, war die Beeinträchtigung von Geschmack und Geruchssinn. Die Objektivierung dieser Störung ist schwierig und erst ab dem Schulalter durchführbar. Die Prognose bei Kindern ist fast immer gut mit Verschwinden der Riech- und Geschmacksstörung innerhalb weniger Wochen.

Folgeerkrankungen PIMS und „Long Covid“

Obwohl die Infektion mit SARS-CoV-2 bei zuvor gesunden Kindern fast immer sehr milde verläuft, gibt es einige wenige Kinder, bei denen eine schwere entzündliche Komplikation auftritt, das PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) oder in USA MIS-C genannt (Multisystem Inflammatory Syndrome in Children). Dabei kommt es aus ungeklärter Ursache mehrere Wochen nach Abklingen der eventuell nur milden Krankheitssymptome von Covid-19 zu einer plötzlichen Verschlechterung mit Atemnot, hohem Fieber und schwerem Krankheitsgefühl.

Pathogenetisch liegt eine verminderte Interferon-1 Produktion vor, die dem Virus eine erhöhte Replikation ermöglicht. Wenn dann die CD4-positiven T-Zellen unspezifisch stimuliert werden, bei hohen IL-2 Spiegeln proliferieren und nur wenig Interferon-γ vorhanden ist, kommt es zum Zytokinsturm mit lebensgefährlicher Hyperinflammation.

Im DGPI-Survey hatten 3,5 % der an PIMS Erkrankten bleibende kardiovaskuläre Schäden, meist in Folge von Coronararterien-Aneurysmen. Hingegen verhindern spezifische CD4-positive T-Zellen gegen das Virus und insbesondere gegen sein Spike-Protein das Auftreten von PIMS. Während die Häufigkeit von PIMS unter den ursprünglichen Varianten noch mit drei auf 10.000 Kinder angegeben wurde, ist die Erkrankung unter Omikron sehr selten geworden [1].

Postakute Folgen von Covid-19 („Long Covid“) sind bei Kindern selten. Risikofaktoren sind schwerer Verlauf der akuten Infektion einschließlich Intensivtherapie, Alter < 5 Jahre und das Vorhandensein einer komplexen chronischen Erkrankung. Beim individuellen Patienten ist es kaum möglich, „Long Covid“ von den Krankheitserscheinungen nach Kontaktbeschränkungen zu unterscheiden.

Diagnose Covid-19

Bei Verdacht auf Covid-19 wird zur Bestätigung der Diagnose wie bei Erwachsenen eine PCR auf SARS-CoV-2 aus dem Nasen-Rachenabstrich durchgeführt. Allerdings gibt es verschiedene kinderfreundliche Modifikationen, bei denen die unangenehme Passage des Wattestäbchens durch den Nasen-Rachenraum oder die Stimulation der Uvula vermieden werden, wie beispielsweise so genannte Lolli-Teste, bei denen die Kinder den Watteträger wie einen Dauerlutscher in den Mund nehmen. Wenn zuvor ein Schnelltest (Antigen-Test) durchgeführt wurde, muss dieser mittels PCR kontrolliert werden. Durch die inzwischen eingetretene hohe Serokonversionsrate bei Kindern ist die Aussagekraft der Serologie begrenzt.

Therapie

Die Behandlung von Covid-19 bei Kindern ist symptomatisch wie bei anderen Atemwegsinfektionen. Nur selten muss die Sauerstoffsättigung pulsoximetrisch bestimmt und eine Röntgen-Thorax-Aufnahme angefertigt werden. Zudem können Entzündungsmarker und Gase im Blut gemessen werden und dabei auch alternative Ursachen gesucht werden. Bei schwerem Verlauf von Covid-19 soll nasal Sauerstoff appliziert werden, eventuell mit High Flow und in sehr seltenen Fällen eine Beatmung durchgeführt werden. Wegen der mit Thrombopenie und erhöhten D-Dimeren einhergehenden Endothelitis können ASS und Enoxaparin eingesetzt werden. Zur Bekämpfung der Virusreplikation können Virustatika (-vir) oder monoklonale Antikörper (-mab) eingesetzt werden.

Das ab 12 Jahre zugelassene Paxlovid® (Nirmatrelvir Ritonavir) wird oral verabreicht; pharmakologische Interaktionen sind zu beachten. Prophylaktisch kann Evusheld® (Tixagevimab Cilgavimab) ab 12 Jahre i.m. eingesetzt werden. Zur Bekämpfung der überschießenden Immunantwort stehen Dexamethason, Anakinra, Tocilizumab und intravenöse Immunglobuline (IVIG) zur Verfügung. Bei PIMS soll frühzeitig IVIG gegeben werden.

Mittelbare Folgen der Pandemie für Kinder

Während die direkten Krankheitsfolgen durch die Infektion mit SARS-CoV-2 für Kinder deutlich geringer sind als für Erwachsene, insbesondere für ältere Menschen und solche mit Risikofaktoren, waren die psychosozialen und sozioökonomischen Folgen für Kinder erheblich, obwohl diese von der Politik und den Regierenden kaum wahrgenommen wurden.

Während des ersten Lockdowns, als Patienten und Eltern aus Sorge vor Ansteckung nicht in die Praxis des niedergelassenen Arztes oder das Kinderkrankenhaus gingen, gab es bei Kindern eine deutlich erhöhte Rate an diabetischer Ketoazidose, sowohl bei Manifestation als auch im Verlauf des Typ-1-Diabetes. Bei Vorschulkindern kam es sogar zu einer Verdoppelung dieser Inzidenz mit entsprechender massiver Stoffwechselentgleisung und Gefährdung.

Auch hat es eine starke Zunahme von Übergewicht und Adipositas unter den Kindern gegeben. Ursachen waren Bewegungsmangel, Schließung von Kindergärten, Schulen, Sportvereinen und Spielplätzen (im ersten Lock-down) und die Vereinsamung durch die empfohlene Distanzwahrung. Ein weiterer Grund ist vermutlich die schwere seelische Ausnahmesituation, in die die Kinder und Jugendlichen durch die Lockdown-Maßnahmen gestürzt wurden.

Obwohl bereits im Sommer 2020 alle Daten darauf hinwiesen, dass die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder wenig Einfluss auf die Inzidenz von Covid-19 unter Kindern und in der Gesamtbevölkerung haben, diese Maßnahmen aber für Kinder außerordentlich negative Folgen mit sich bringen, wurden von der Politik und den Regierenden immer wieder Schulschließungen als wichtige Maßnahme eingesetzt. Alle kinder- und jugendärztlichen Verbände wiesen wiederholt auf die Schädlichkeit und Unwirksamkeit dieser Maßnahme hin und empfahlen gleichzeitig in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene Maßnahmen, die ein Offenhalten der Gemeinschaftseinrichtungen unter Pandemiebedingungen erlaubten (buendnis-kjg.de; 4. August 2020). Dazu gehörten auch die AHA-Maßnahmen und das regelmäßige kurzzeitige Querlüften ohne Auskühlung der Räume.

Die Politiker begründeten die Schließungen auch mit der Intention, ErzieherInnen und LehrerInnen vor Ansteckung zu schützen. Die Verbände und Gewerkschaften dieser hoch geschätzten Berufsgruppen spielten dabei eine unglückliche Rolle, indem in ihrer Argumentation zwar ihr Einsatz für die MitarbeiterInnen zum Ausdruck kam, aber das Berufsziel, die Betreuung von Kindern, kaum noch erkennbar war. Vorschläge zur sicheren Arbeit unter Pandemiebedingungen wurden abgelehnt.

Psychische Folgen der Lockdown-Maßnahmen

Die Lockdown-Ereignisse und weitere Eindämmungsmaßnahmen führten bei Kindern zu psychischen Auffälligkeiten, Befindlichkeitsstörungen, depressiven Symptomen, Angst, psychosomatischen Erkrankungen wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und anderen Erscheinungen. Diese Symptome blieben nach Beendigung der Einschränkungen auf einem erhöhten Niveau im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie.

Kinder mit niedrigem sozioökonomischem Status waren signifikant häufiger und stärker betroffen. Die körperliche Aktivität der Kinder von 7 bis 17 Jahren nahm laut der Copsy-Studie aus Hamburg ab, während der Verzehr von Süßigkeiten und die Zeit zur Nutzung digitaler Medien zunahm, bis hin zur Internetspielsucht.

Die Gefahr für psychische Auffälligkeiten der Kinder stieg auf das 2- bis 3-fache, wenn die Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss oder Migrationshintergrund hatten, die Familie beengt wohnte (weniger als 20m2 Wohnfläche pro Person), oder die Eltern selbst psychisch belastet waren. Mangelnde Deutschkenntnisse waren in der Pandemie besonders nachteilig, so wie Behinderung oder chronische Erkrankung des Kindes oder psychische Erkrankung der Eltern. In mehreren Regionen nahmen die Suizidversuche junger Menschen zu. Die Inanspruchnahme von kinder- und jugendpsychiatrischen Angeboten einschließlich Klinikeinweisungen nahm zu, die Wartezeit für ambulante Psychotherapie verdoppelte sich.

Als Schlussfolgerung ist festzuhalten, dass die Eindämmungsmaßnahmen mit Schließung der Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder um ein Vielfaches schädlicher waren als die Erkrankung Covid-19. Der Bundesgesundheitsminister hat zuletzt eingeräumt, dass die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder unnötig gewesen sei; seine Behauptung, damals sei die Schließung entsprechend wissenschaftlicher Evidenz gewesen, ist sicher falsch.

Eindämmungsmaßnahmen

Wirksam in der Bekämpfung der Pandemie waren die AHA-Maßnahmen, also die Abstandswahrung, das Tragen einer Maske und die Beachtung von Hygienemaßnahmen wie das Niesen und Husten in die Ellenbeuge und das Vermeiden von Händeschütteln.

Das Tragen einer Maske ist prinzipiell eine wirksame Methode zur Eindämmung respiratorischer Infektionen, wie die Epidemiologie von Influenza und RSV eindrucksvoll gezeigt hat. Es gibt keine echten Nebenwirkungen, aber die Maske kann lästig sein. Allerdings muss der Träger die Funktion der Maske verstanden haben und sie technisch korrekt aufsetzen, weshalb Vorschulkinder sie nicht und Grundschulkinder nur eingeschränkt tragen sollten. Sie sollten nie zum Tragen gezwungen werden. Kinder an weiterführenden Schulen können Masken tragen. Die im öffentlichen Personenverkehr geforderte Verwendung von FFP2-Masken für Kinder ist abzulehnen, weil der bei korrektem Sitz erhöhte Atemwegswiderstand unerwünscht ist und Pausen erfordert und die Überlegenheit im Alltag gegenüber der korrekt sitzenden chirurgischen Maske nicht gezeigt werden konnte.

Isolierung und Quarantäne

Isolierung Erkrankter und Quarantäne enger Kontaktpersonen sind inzwischen aufgehoben. Quarantäne für Kinder selbst führte zur Disruption des Lebens der Familien ohne Nutzen für die Familie oder die Allgemeinheit. Im Gesundheitswesen wird von Besuchern ab sechs Lebensjahren auf stationären Einrichtungen weiter ein negativer Antigen-Test verlangt, bei Aufnahme gar ein PCR-Test durchgeführt. Die Mitarbeiter müssen sich laut Infektionsschutzgesetz §§ 22a, 28b weiterhin dreimal pro Woche testen und eine FFP2-Maske tragen.

Bei hoher Durchseuchung der Bevölkerung mit hybrider Immunität, endemischem Vorkommen von SARS-CoV-2 und freien Impfmöglichkeiten seit über einem Jahr ist der Sinn solcher Maßnahmen verloren gegangen, es sei denn es handele sich spezifisch um die Versorgung ausgewählter besonders vulnerabler Patienten wie Kinder nach Stammzelltransplantation.

Anlasslose Testung

Zur Eindämmung der Pandemie wurden Reihenuntersuchungen auf SARS-CoV-2 bei Kindern durchgeführt, bevor der Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen gestattet wurde. Da es bei diesen Kindern keine Krankheitszeichen gab, die die Testung gerechtfertigt hätten, wird sie als „anlasslos“ bezeichnet. Diese Testungen wurden damit begründet, Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen zu verhindern und Eltern, Kindern, Lehrern und Erziehern eine größere Sicherheit zu vermitteln.

Der Effekt dieser Maßnahme war, dass die Betreuung in den Einrichtungen nicht mehr verlässlich war und klinisch gesunde Kinder mit positivem Test zu Hause bleiben mussten, einschließlich einer Betreuungsperson, die ebenfalls ihrer Arbeit nicht nachgehen konnte. Eine Beeinflussung des pandemischen Geschehens konnte nicht nachgewiesen werden, die Nachteile für Familien waren aber evident. Zuerst aus Hessen wurde berichtet, dass die höchsten Nachweiszahlen von SARS-CoV-2 Infektionen am ersten Tag nach den Ferien auftraten, was dafür spricht, dass die meisten Ansteckungen zu Hause und in der Freizeit erfolgten (Hessisches Ärzteblatt 6/2021, S. 357).

Beeinträchtigung der Prävention für Kinder

Viele für Kinder wichtige präventive Maßnahmen wurden der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie geopfert, zum Nachteil der Kinder, die von diesen Bekämpfungsmaßnahmen keinen Vorteil hatten. So fielen Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen aus und ein ganzer Jahrgang hat keine Schuleingangsuntersuchung erhalten, obwohl dies die wichtigste epidemiologische Untersuchung bei Kindern ist, um Ressourcenallokation zu betreiben und Interventionsmöglichkeiten bei Fehlentwicklungen zu erkennen. Der Kinderschutz war nachhaltig beeinträchtigt, weil die Kinder in Kindergarten und Schule nicht gesehen wurden und die Jugendämter nur noch virtuell arbeiteten.

Bildungsdefizit

Zudem gab es ein ausgeprägtes Bildungsdefizit mit Ausfall vieler Monate der Schule. Daten der Bildungsökonomik zeigen, dass ein solcher Schulausfall zu einem bleibenden Bildungsdefizit mit mehreren Prozent lebenslangen Einkommensverlustes einhergeht. Kinder aus wohlhabenderen Familien kamen in den Genuss von ausgleichenden Maßnahmen ihrer Familie. Dadurch haben die Pandemie und die staatlichen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung zur Vergrößerung der sozioökonomischen Unterschiede in der Gesellschaft und zur Verschlechterung der Bildungschancen benachteiligter Kinder beigetragen. Die Politiker sollen aus der abgeklungenen Pandemie den Schluss ziehen, dass offene Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder zum unverzichtbaren Grundrecht gehören und nicht angetastet werden dürfen.

Impfstoffe gegen SARS-CoV-2

Kurz nach dem ersten Auftreten von Covid-19 und der Isolierung und Sequenzierung von SARS-CoV-2 begannen Bemühungen, einen Impfstoff herzustellen. Dabei wurden neue Impfstofftypen eingeführt, für Kinder war dies vor allem der mRNA-Impfstoff. Die STIKO empfahl Kindern und Schwangeren den Impfstoff BNT162b2 (Comirnaty®). Die mRNA für die Herstellung des Spike-Proteins wird in von einer Lipidschicht umgebenen Nanopartikeln (< 100 nm) verpackt und in den Musculus deltoideus appliziert. In den dortigen Zellen kommt es zur unspezifischen Stimulation der Abwehr und in den Ribosomen zur Ablesung der mRNA und nachfolgend zur Synthese des Spike-Proteins. Über MHC Klasse 1-Präsentation werden CD8 positive zytotoxische T-Zellen gegen das Spike-Protein induziert, über MHC Klasse 2-Präsentation CD4 positive Helferzellen und B-Zellen. Nach zwei Gaben im Abstand von drei bis sechs Wochen und einer Boosterdosis sechs Monate später, aktuell mit dem Kombinationsimpfstoff gegen das ursprüngliche SARS-CoV-2 und die Omikron-Variante, kommt es zur Ausbildung eines Schutzes vor schwerem Verlauf von Covid-19.

Impfstoffe für Kinder

Es liegen Studien zur Anwendung von BNT162b2 bei Kindern von 16–18 Jahren (30 μg), von 12–15 (30 μg), von 5–11 Jahren (10 μg) und von sechs Monaten bis vier Jahren (3 μg) vor. Wegen der geringen in die Studien eingeschlossenen Patientenzahlen kamen die entsprechenden Empfehlungen der STIKO im Vergleich zur Zulassung durch die EMA jeweils verzögert. Zudem wurde diskutiert, ob Kinder überhaupt geimpft werden müssen, wenn sie nur sehr selten schwer erkranken.

Die Beurteilung der Impfstoffe durch die STIKO war differenziert nach der Studienlage und für Ärztinnen und Ärzte sowie Eltern nachvollziehbar. Die Impfung war bei Erwachsenen wirksam in der Verhinderung von schwerem Verlauf, Hospitalisation, Intensivaufnahme und Tod. Wenn dann trotz Impfung später Covid-19 beim Impfling auftrat, wurde der Sinn der Impfung auch bei Erwachsenen von Laien und zum Teil Politikern fälschlicherweise in Zweifel gezogen.

Der Sinn der Impfung ist aber nicht, milde Atemwegssymptome zu verhindern. Aktuell empfiehlt die STIKO allen Kindern von 12–17 Jahren die Impfung mit zwei Dosen BNT162b2 und drei bis sechs Monate danach eine Auffrischimpfung mit dem Kombinationsimpfstoff, jeweils mit 30 μg. Für Kinder von 5–11 Jahren empfiehlt die STIKO eine Einzeldosis à 10 μg sowie zwei Dosen bei Vorerkrankungen des Kindes, wenn eine enge Kontaktperson ein Risiko für einen schweren Verlauf hat und bei individuellem Wunsch der Erziehungsberechtigten.

Die Einzeldosis begründet die STIKO bei dieser Altersgruppe mit dem niedrigsten Risiko für einen schweren Verlauf als Booster für einen langfristigen Schutz nach vermutlich bereits erfolgter Wildvirus-Infektion bei > 90 % der Kinder. BNT162b2 in der Dosis 3 μg mit drei Dosen zu den Zeitpunkten 0 und drei Wochen und mindestens acht weitere Wochen später ist für Kinder von sechs Monaten bis unter fünf Jahren zugelassen und von der STIKO für Kinder mit Vorerkrankungen empfohlen. Kinder von 12–17 Jahren haben in Deutschland Stand Anfang Oktober 2022 laut Impfdashboard.de zu einem Drittel drei und zu einem weiteren Drittel zwei Impfungen gegen SARS-CoV-2 erhalten; knapp 20 % der Kinder von 5–11 Jahren haben zwei Impfungen erhalten. Seitdem ist kaum noch geimpft worden.

Nebenwirkungen der Impfung

Die Nebenwirkungen von BNT162b2 bei Kindern betrafen vor allem die innerhalb weniger Tage folgenlos abgeklungene Reaktogenität mit Symptomen an der Einstichstelle sowie Fieber, Kopfschmerzen und Krankheitsgefühl. Einzig die in einer Häufigkeit von bis zu 1:15.000 Impfungen auftretende Perimyokarditis, überwiegend bei männlichen Jugendlichen von 12–18 Jahren (sowie volljährigen jungen Männern) nach der zweiten Impfung, bedarf einer besonderen Betrachtung. Es kam wenige Tage nach der Impfung zu Thoraxschmerzen, Herzklopfen und eventuell Atemnot.

In der Bildgebung mittels MRT fand sich ein Perikarderguss und ein Enhancement des Myokards. Unter symptomatischer Therapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika und Sportverbot verschwanden die Symptome meist innerhalb weniger Tage. Bisher sind bei Minderjährigen fast keine Spätfolgen berichtet worden. In der Zulassungsstudie betrug der Abstand zwischen 1. und 2. Dosis drei Wochen.

Epidemiologische Daten zeigen, dass sich die Häufigkeit der Perimyokarditis bei Wahl eines längeren Abstandes von sechs Wochen deutlich vermindert. Die amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) empfehlen inzwischen einen Abstand von acht Wochen. Dies entspricht der vermuteten Ursache der Perimyokarditis, freies Spikeprotein bei noch nicht ausreichender Antikörperproduktion.

Aufklärung vor Impfung

Die STIKO fordert vor Durchführung der Impfung eine ärztliche Aufklärung von Impfling und Sorgeberechtigten. Bei Kindern unter 14 Jahren sollte regelmäßig die Einwilligung der Sorgeberechtigten vorliegen. Bei Impfwunsch älterer Jugendlicher, von deren Einsichtsfähigkeit sich der Arzt persönlich überzeugen muss, kann auch ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten geimpft werden. Spätestens ab 16 Jahre können Jugendliche selbst entscheiden, ob sie geimpft werden möchten. Bei einer allgemein empfohlenen Impfung soll eine schriftliche und nachfolgend mündliche Aufklärung erfolgen. Bei mündlicher Zustimmung kann geimpft werden.

Einschätzung der Impfung gegen SARS-CoV-2 bei Kindern

Angesichts des milden Verlaufs von Covid-19 bei Kindern ist die Sinnhaftigkeit der Impfung gegen SARS-CoV-2 als allgemeine Impfung für Kinder in Zweifel gezogen worden. Wie junge Erwachsene begründeten Jugendliche ihre Impfbereitschaft oft mit dem Wunsch erleichterter Teilhabe, obwohl STIKO und pädiatrische Fachgesellschaften nicht müde wurden zu betonen, dass die fehlende Covid-19 Impfung kein Grund zum Ausschluss von Kindern sein darf. In einer Prioritätenliste der verschiedenen Altersgruppen zur Impfung gegen SARS-CoV-2 liegen Kinder bei den aktuell vorherrschenden Omikron-Varianten sicher an letzter Stelle. In einer Prioritätenliste von Kindern anzubietenden Impfstoffen wie z. B. bei Flüchtlingsfamilien liegt die Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken an erster Stelle und die Impfung gegen SARS-CoV-2 folgt gegen Ende. Kindern mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von Covid-19 hingegen sollte die Impfung vorrangig angeboten werden, denn angesichts der hohen Inzidenz ist mit einer baldigen Infektion zu rechnen.

Fazit

Nimmt man die Zahl der Toten pro 100.000 Einwohner als Maß, ist Deutschland gut durch die Pandemie gekommen mit 199 bis 1.2.2023 (Statista 2023), Hessen liegt bei 193. Die erfolgreichsten Bundesländer waren Schleswig-Holstein (118) und Bremen (141). In Bundesländern mit der höchsten Mortalität, Sachsen (414) und Thüringen (390), liegt diese sogar höher als in Staaten mit Regierungen mit Coronaleugnern während der Pandemie wie USA (338) und Brasilien (329). Manches ist also wenigstens in Teilen Deutschlands richtig gemacht worden. Es ist nicht damit zu rechnen, dass durch weitere Mutationen die Virulenz von SARS-CoV-2 noch zunimmt. Es kann eine verstärkte Immunflucht, also eine Umgehung der durch Impfung und Infektion erworbenen hybriden Immunität durch neue Varianten, auftreten. Die vorhandene Immunität ist aber offensichtlich ausreichend. Weitere Pandemien sind möglich, erleichtert durch die Vielzahl der Menschen auf dem Planeten und das enge Zusammenleben mit Wildtieren. Im Umgang mit neuen Pandemien sollen die Politiker beherzigen, bei allen erwogenen Maßnahmen auch die Folgen für Kinder zu berücksichtigen.

Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz, Bremen, Facharzt Kinder- und Jugendmedizin, Infektiologie, Kinderrheumatologie, Kontakt: hihuppertz@hotmail.de

Anmerkung:

Eine frühere, inzwischen aktualisierte Fassung dieses Artikels erschien in der Zeitschrift „Kinder- und Jugendarzt“ 12/2022, Hansisches Verlagskontor GmbH, Lübeck.

Fußnote:

[1] Sorg, A.L., Schönfeld, V., Siedler, A. et al. SARS-CoV-2 variants and the risk of pediatric inflammatory multisystem syndrome temporally associated with SARS-CoV-2 among children in Germany. Infection (2022). https://link.springer.com/article/10.1007/s15010-022-01908-6