Hitzeaktionsplan in Hessen veröffentlicht

Dass auch die Sommer im Rahmen des Klimawandels heißer werden, ist ein Fakt, der seit den 1990er-Jahren in das kollektive Bewusstsein Einzug gefunden hat. Bereits damals hatte die Europäische Union (EU) das Ziel formuliert, die Erderwärmung durch transformatives Handeln auf maximal 2 ºC zu beschränken. Auf der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen (UNO) im Jahr 2015 in Paris legten die teilnehmenden Staaten fest, dass man deutlich darunterbleiben wolle, optimalerweise bei 1,5 ºC. Diese Ziele sind kein Selbstzweck, sondern Ausdruck des Wissens um die Gefahr für Ökosysteme und Menschen, die selbst von kleinsten Temperaturerhöhungen ausgehen.

Klimaschutzziele werden nicht erreicht

Inzwischen zeichnet sich ab, dass diese Ziele nicht erreicht werden können. Bereits im Jahr 2023 lag die Durchschnittstemperatur laut Weltklimarat (IPCC) 1,1 ºC über dem vorindustriellen Niveau mit deutlich steigender Tendenz. Laut der vorgestellten Daten ließe sich das 1,5-Grad-Ziel nur noch erreichen, wenn die globalen Treibhausgasemissionen sofort drastisch gesenkt und bis 2030 halbiert würden. Leider ein unrealistisches Szenario. Daher ist zu erwarten, dass 1,5 ºC Erderwärmung in den 2030er-Jahren überschritten werden.

Mehr Extremwetterereignisse

Wer dabei noch immer an eine Freibad- und Softeisidylle denkt, sei an die durch den Klimawandel hervorgerufenen Extremwetterereignisse mit allen ihren Folgen erinnert. Aber auch die gestiegene Hitze der Sommer allein birgt massive Gesundheitsgefahren. So konnte bereits im Jahr 2003 das Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main unter der damaligen Stellv. Leiterin Prof. Dr. med. Ursel Heudorf eine signifikante hitzebedingte Übersterblichkeit in der hessischen Metropole nachweisen und Gegenmaßnahmen einleiten. Teil dieser Arbeit war es, auch in der Politik ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen.

Dies ist gelungen und einer der Gründe, weshalb die hessische Landesregierung in Umsetzung des Beschlusses der 93. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) aus 2020 einen Hitzeaktionsplan erarbeitet hat, der Anfang 2023 veröffentlicht wurde. Dieser ist unter Mitarbeit verschiedener Expertengruppen, unter anderem der Landesärztekammer Hessen, entstanden und kann auf der Website der Landesregierung eingesehen werden (Link siehe Kasten).

Warnstufen bei Hitzeepisoden

Ziel des Aktionsplans ist der Bevölkerungsschutz in besonderen Hitzeepisoden. Dabei sind auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zwei Warnstufen definiert worden.

  • Stufe eins, Warnung vor starker Wärmebelastung, wird bei gefühlten Temperaturen von über 32 ºC erreicht.
  • Stufe zwei liegt vor, wenn die gefühlte Temperatur 38 °C übersteigt oder Warnstufe 1 an vier aufeinanderfolgenden Tagen andauert.

Teil des hessischen Hitzeaktionsplans ist die flächendeckende Etablierung eines Warnsystems in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst, um Institutionen mit Verantwortung für besonders gefährdete Gruppen wie zum Beispiel Altenheime, Krankenhäuser und Kindergärten zu informieren. Auch wir Ärztinnen und Ärzte sind Adressaten und können uns jederzeit für das Warnsystem registrieren.

Hinweise für besondere Zielgruppen, darunter Ärztinnen & Ärzte

Teil des Hitzeaktionsplans sind zielgruppenspezifische Informationssammlungen zu Handlungsmöglichkeiten bei Hitzeepisoden. So sind jeweils für niedergelassene als auch stationär tätige Ärztinnen und Ärzte Flyer mit entsprechenden Hinweisen entstanden. Je nach Fachbereich gibt es unterschiedliche Krankheitsbilder, die sich in Hitzeepisoden häufen. Viele davon können durch gezielte Prävention vermieden werden. Dennoch zeigt die Erfahrung aus den jüngsten Sommern, dass sowohl Praxen als auch Krankenhäuser eine hohe Zahl an Patientinnen und Patienten mit hitzebedingten Entitäten oder Exazerbationen behandeln müssen.

Dehydratation: Häufig kommt Hilfe zu spät

Ein sehr häufig auftretendes Beispiel, da durch klassische präventive Maßnahmen nur schwer erreichbar, ist die Exsikkose bei älteren, alleinlebenden Personen. Meist handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen. So leben die Betroffenen nicht selten in Wohnungen, deren Innenräume sich in Hitzeepisoden überproportional aufheizen. Durch oft vorbestehende Erkrankungen wie eine Herzinsuffizienz stehen körpereigene Mechanismen der Thermoregulation wie die Erweiterung peripherer Gefäße zur Ableitung von Körperwärme, nur eingeschränkt zu Verfügung. Hinzu kommt häufig eine mangelnde Flüssigkeitsaufnahme beziehungsweise erhöhter Verlust durch die Einnahme von Diuretika. Setzt im Verlauf eine exsikkosebedingte Bewusstseinsstörung ein, beginnt ein Teufelskreis aus Flüssigkeitsmangel, Elektrolytentgleisungen und kardialer Dekompensation, der von den Betroffenen nicht adäquat wahrgenommen und unterbrochen werden kann. Wird dieser Zustand durch Dritte erkannt, ist die stationäre Therapie oft unumgänglich. In vielen Fällen kommt jedoch jede Hilfe zu spät.

Prävention als ärztliche Aufgabe

Bei der Prävention dieser Erkrankung nehmen die Haus- und Fachärzte der gefährdeten Gruppe eine besondere Rolle ein. So ist eine Aufklärung vor Hitzeepisoden („Wasser und Salzstangen gehören im Sommer immer auf den Tisch“, „Verabreden Sie sich in Hitzeepisoden zum täglichen Telefonat mit Angehörigen/Freunden/einer Hitzehotline“ etc.) wertvoll, in den heißen Sommermonaten kann eine Medikamentenanpassung sinnvoll sein. Weiterführende Informationen sind Teil der Informationssammlungen des Hessischen Hitzeschutzplans (über den Link im Infokasten abrufbar).

Eigener Gesundheitsschutz

Doch nicht nur unsere Patientinnen und Patienten, sondern auch wir Ärztinnen und Ärzte haben in Hitzeepisoden mit den gesundheitlichen Folgen zu kämpfen. Da unsere Arbeit nicht mehrere Wochen pausieren kann, muss der (betriebliche) Gesundheitsschutz im Sommer auf unserer Prioritätenliste weit oben stehen. Allein durch konservative Maßnahmen wie regelmäßiges Trinken, Verdunklung der Fenster über den Tag und Aufstellen von Ventilatoren ist dieser doch bereits jetzt nicht mehr gegeben. Die Temperaturen an den meisten ärztlichen Arbeitsstätten übersteigen regelmäßig die 26-Grad-Marke deutlich. Darunter leiden alle dort Arbeitenden sowie die Patientinnen und Patienten enorm.

Leider ist im hessischen Hitzeaktionsplan keine Förderung von baulichen Veränderungen in Krankenhäusern und Arztpraxen vorgesehen, ohne die es jedoch perspektivisch nicht gehen wird. Zudem sind keine rechtlichen Vorgaben für Hitze- und Klimaschutz bei Krankenhausneubauten getroffen worden. Die notwendigen Investitionskosten sind jedoch zu hoch, als dass sie von selbstständigen Kolleginnen und Kollegen oder Krankenhäusern allein getragen werden könnten. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass die Medizin als ressourcenintensiver Sektor enormer Treibhausgasemittent ist und eine zeitnahe Transformation unseres Bereichs essenziell für das Erreichen grundlegender Klimaziele bleibt. Grundstein dafür sind bauliche Maßnahmen, die möglichst zeitnah umgesetzt werden müssten. Somit bleibt zur Vermeidung von akuten und zur Prävention weiterer Gesundheitsschäden durch die voranschreitende Klimaerwärmung ein Konzept zur zeitnahen Transformation von Praxen sowie Krankenhäusern ausgesprochen wichtig.

Dem Wissen müssen Taten folgen

Bei dieser Transformation müssen staatliche Institutionen insbesondere durch Gesetzgebungen bei Neubauten und Investitionen helfen. Davon abgesehen liegen der Gesundheitsschutz nicht nur in in Hitzeepisoden sowie die Prävention weiterer Erderwärmung durch Reduktion von Treibhausgasen in unserer Hand. In den vergangenen Jahren hat sich in der ÄrztInnenschaft sowohl wachsendes Wissen über die Zusammenhänge sowie ein Verantwortungsbewusstsein etabliert. Dies in die Tat umzusetzen, bleibt eine unserer größten Herausforderungen für die nahe Zukunft. Denn Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.

Svenja Krück, Dr. med. Lars Bodammer

Hessischer Hitzeaktionsplan

Um die Bevölkerung auf extreme Hitzeereignisse vorzubereiten und auf diese zu reagieren, hat das Land Hessen gemeinsam mit verschiedenen Expertengruppen, darunter der Landesärztekammer Hessen, den Hessischen Hitzeaktionsplan (HHAP) erarbeitet. Er soll die in Hessen lebenden Menschen bei der Anpassung an Klimaveränderungen und die Einschränkungen der Lebensqualität durch Hitze möglichst gering halten. Als Grundlage des HHAP dienten die „Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit“.

Der im Februar 2023 veröffentlichte Aktionsplan, der in den kommenden Jahren aktualisiert und weiterentwickelt werden soll, ist als PDF-Datei unter https://familie.hessen.de/gesundheit-und-pflege/hitzeaktionsplan auf der Website der Landesregierung eingestellt.  (red)

Hitzeaktionstag am 14. Juni

Telefonsprechstunde: Die Landesärztekammer Hessen (LÄKH) beteiligt sich am ersten bundesweiten Hitzeaktionstag der Bundesärztekammer am 14. Juni 2023 mit einer Telefonsprechstunde. In Zusammenarbeit mit einer Tageszeitung sind die Ärztin Svenja Krück, Klimaschutzbeauftragte der LÄKH, und weitere ärztliche Ansprechpartner für Fragen der Bürgerinnen und Bürger erreichbar. Details werden noch unter www.laekh.de veröffentlicht.

Wer schützt uns vor der Hitze?

Podiumsdiskussion zum Hessischen Hitzeaktionsplan

Termin: 27. Juni 2023, 19 Uhr; Eintritt frei, Spenden erbeten, Ort: Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Hörsaal, Georg Voigt-Straße 14, Frankfurt am Main, Veranstalter: Health for Future; Scientists for Future; Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, alle Frankfurt. Informationen über folgenden Link: https://www.senckenberg.de/de/kalender/podiumsdiskussion-hitzeaktionsplan/