Wohin wird die Reise im Gesundheitswesen gehen? Kommt mit der von Bundesgesundheitsminister Lauterbach angekündigten Krankenhausreform wirklich eine Revolution oder wird das „Struck’sche Gesetz“ (nach dem SPD-Politiker Peter Struck: „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.“) daraus ein laues Lüftchen werden lassen, ohne die bekannten Probleme zu lösen? Immerhin gibt es zahlreiche Stimmen, darunter die von Klinikärzten und Krankenhausvertretern, welche zumindest einen Teil der Vorschläge dem Grunde nach begrüßen, auch wenn viele Fragen noch mehr als offen sind. Über fehlende Investitionsmittel und steigende Inflationsraten will ich gar nicht erst sprechen.
Am 5. Januar kündigte Lauterbach an, dass es ein gemeinsames Gesetzgebungsverfahren werden solle, an dem die Bundesregierung, die Fraktionen des Bundestags sowie die Bundesländer mitarbeiten sollten. Bis zur Sommerpause 2023 soll ein Entwurf vorliegen, denn allen ist klar, dass Reformen dringend erfolgen müssen. In diesem Prozess sollte dann nicht nur mit den Krankenhäusern und deren Verbänden diskutiert werden, sondern auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sollten explizit ebenso einbezogen werden. Natürlich betrifft eine Krankenhausreform Krankenhäuser unmittelbar, doch mittelbar sind auch die ambulanten Praxen betroffen. Wenn der seit Jahrzehnten tönende Ruf nach Überwindung der Sektorengrenzen ernst gemeint ist, müssen nun die Weichen dafür so gestellt werden, dass die Reform nicht nur in der Theorie, sondern dann auch in der Praxis funktioniert. Und wer kann dazu mehr beitragen als Praktiker der ambulanten ärztlichen Patientenversorgung, die die Fallstricke der Realität bestens kennen. Es reicht nicht, ein Level Ii-Krankenhaus vorzuschlagen, das integrierte ambulante/stationäre Versorgung anbietet.
Überwindung der Sektorengrenzen darf nicht bedeuten, dass die ambulanten Versorgungsmöglichkeiten der Krankenhäuser erweitert werden. Vielmehr sollte die Integration der ambulanten Versorger in die stationäre Patientenversorgung gefördert werden. Das Belegarztwesen ist dafür ein gutes und bewährtes Beispiel. Auch nach der Entlassung müssen Patienten, unabhängig von der Versorgungsstufe eines Krankenhauses, weiter versorgt werden.
Das sieht auch das Universitätsklinikum Gießen/Marburg (UKGM) so und wandte sich vor den Weihnachtstagen an die Marburger Ärztegenossenschaft PriMa. Patienten sollten – wo immer medizinisch möglich – frühzeitiger entlassen werden. Um die Weiterbehandlung sinnvoll zu ermöglichen, werde die Klinik bei der Entlassung einen Kurzbericht mit allen relevanten Informationen für die Niedergelassenen mitgeben sowie Rezepte für die Erstverordnung von Medikamenten.
Nun muss ich anmerken, dass mir das Originalschreiben nicht vorliegt, und kann daher nur hoffen, dass es sich hier nicht um Realsatire handelt. Oder bin ich etwa der irrigen Annahme, dass ein Kurzbericht mit allen relevanten Informationen für den weiterbehandelnden Arzt nicht auch jetzt schon eine Selbstverständlichkeit ist bzw. sein sollte? Bleibt nur zu hoffen, dass es hier nicht doch um kostensparende, frühzeitige oder gar vorzeitige Entlassungen geht.
Leider mussten wir in jüngerer Zeit immer wieder Berichte über das UKGM lesen, hatte doch der Betreiber, die private Rhön Klinikum AG den bisherigen Vertrag mit dem Land Hessen gekündigt und damit erhebliche Unsicherheiten und Ängste bei den Beschäftigten wie auch den Patientinnen und Patienten ausgelöst. Nun bleibt zu hoffen, dass die Verhandlungen zwischen dem Land Hessen, der Rhön Klinikum AG und dem UKGM wie erhofft bis Ende Januar zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss führen werden. Presseberichten zufolge war ein wichtiger Durchbruch erzielt worden, in dem das Land unter anderem erhebliche Investitionsmittel zugesagt hatte. Ohne hier ein Urteil über die Höhe der zugesagten Mittel abgeben zu wollen, muss doch festgestellt werden, dass noch immer vieles im Dunklen liegt. Das Land hat immer wieder auf darauf verwiesen, dass die Rhön Klinikum AG zu Zeiten der Privatisierung 2006 eine Verzichtserklärung auf Landesmittel abgegeben habe. Diese Erklärung will der Konzern aber gar nicht abgegeben haben.
Da der damals geschlossene Vertrag nicht öffentlich einsehbar ist, steht hier leider Aussage gegen Aussage. Vertrauen der Öffentlichkeit wird so nicht erzielt. Transparenz sieht anders aus.
Bis heute wurde keine andere Universitätsklinik privatisiert und das aus gutem Grund. Eine Universitätsklinik sollte primär dem öffentlichen Wohl dienen und nicht das Renditestreben privater Anteilseigner bedienen müssen. Werden Klinikgewinne in neue Behandlungsmethoden oder medizinische Geräte investiert, verbleibt das Geld im System und dient seiner eigentlichen Bestimmung, nämlich der Daseinsvorsorge. Doch mit welcher Berechtigung werden diese Gewinne privatisiert, während die Kosten sozialisiert werden?
Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident