Zur Bedeutung der Labordiagnostik bei Verdachtsfällen

Für Masern konnte bisher aus Sicht der Regionalen Verifizierungskommission der WHO noch nicht eindeutig belegt werden, dass in Deutschland eine endemische Transmission unterbrochen ist. Somit gilt hier aktuell weiterhin der Status einer endemischen Transmission (Stand 25.08.2021, Robert Koch-Institut, RKI), auch wenn es wenig Hinweis auf ein derartiges Geschehen gibt.

Insbesondere bei sehr niedrigen Meldezahlen (Tab. 1) drängt sich die Frage auf, ob die Überwachung sensitiv genug ist, um alle Fälle zu identifizieren.

Rötelninfektionen verlaufen häufig ohne nennenswerte oder nur mit unspezifischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, was eine Nachverfolgung von Übertragungsketten deutlich erschwert. Die WHO fordert zur Einschätzung der Qualität der Surveillance mindestens zwei Fälle/100.000 Einwohner, bei denen eine Masern- oder Rötelnerkrankung aufgrund der labormedizinischen Diagnostik trotz Vorliegens einer typischen Symptomatik ausgeschlossen werden konnte. Daher kommt der Labordiagnostik vor allem bei den folgenden klinischen Fragestellungen eine besondere Bedeutung zu.

Klinische Fragestellungen

Die weitergehende Diagnostik der Masern und der Röteln in spezialisierten Laboren wird aktuell hauptsächlich bei folgenden Situationen notwendig:

  • Akute exanthematöse Erkrankung, ggf. mit katarrhalischen Symptomen.
  • Ganz besonders bei kürzlich eingereisten Migrantinnen oder Migranten aus Afghanistan und/oder aus Regionen mit niedrigen Impfquoten (z. B. Ukraine und andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion).
  • Arbeitsmedizinische Untersuchungen zur Kontrolle des Masernstatus mit Nachweis von IgM und wenig spezifischen Symptomen, auch in Gemeinschaftseinrichtungen (nach 1970 Geborene).

Im Fall des Nukleinsäurenachweises ist eine möglichst komplette Kontaktpersonen-Nachverfolgung anzustreben.

Labordiagnostik

Die Diagnostik einer akuten Infektion mit dem Masern- oder dem Rötelnvirus erfolgt meistens durch Kombination der folgenden Methoden:

1. Nachweis von Virusgenomen mit­­te­ls RT-PCR aus Rachenabstrich, Zahn­taschenflüssigkeit oder Urin, gewonnen innerhalb von fünf Tagen nach Symptom- bzw. Exanthembeginn. Abhängig von der Präanalytik (Entnahmetechnik und -zeitpunkt, Transportzeit/Lagerung) sowie der Infektionsphase sind falsch negative Ergebnisse möglich. Die PCR-Untersuchung soll durch spezialisierte Labore vorgenommen werden, da in der derzeitigen Präeliminationsphase nur noch wenige positive Proben anfallen und spezielle Expertise zum Ausschluss falschpositiver Ergebnisse erforderlich ist. Kontaktadressen siehe nächste Seite.

2. Nachweis der Serokonversion und damit der Infektion

Masern:

a. bei Ungeimpften: Nachweis von IgM im Serum. Masern-IgM-Antikörper sind bei ca. 30 % der Erkrankten erst drei Tage nach Exanthem- bzw. Symptombeginn nachweisbar.

b. bei Geimpften: Ein IgM-Nachweis kann häufig ausbleiben, möglich ist aber der Nachweis eines deutlichen Anstiegs der IgG-Antikörper in einer zweiten Serum-Probe (10 bis 14 Tage später).

Röteln:

Auf IgM-Antikörper sollte möglichst ab Tag 5 nach Beginn der Symptomatik untersucht werden, da zu diesem Zeitpunkt über 90 % der Fälle ein positives IgM zeigen. Die Nachweisbarkeit besteht bis sechs Wochen nach Symptombeginn.

Bei IgM-Negativität, aber charakteristischer Symptomatik wird eine Wiederholung nach 14 Tagen empfohlen. Auch bei Geimpften kann der IgM-Nachweis mehrere Monate positiv sein.

Hinweis: Aufgrund der geringen Fallzahlen von Röteln in Deutschland ist die überwiegende Anzahl positiver IgM-Antikörper-Nachweise gegen Röteln falsch positiv; Gründe können persistierende IgM-Antikörper, eine polyklonale IgM-Stimulation, Rheumafaktoren oder eine Kreuzreaktion mit anderen Viren sein. Positive Befunde sollten daher durch das Nationale Referenzzentrum für Masern, Mumps und Röteln (MMR) durch ergänzende serologische Untersuchungen bestätigt werden, ggf. inklusive PCR-Untersuchung und Genotypisierung.

Welche Diagnostik eignet sich?

Wenn bei Kindern, z. B. bei mildem Krankheitsverlauf und nur vagem Verdacht, auf eine Blutentnahme verzichtet werden soll, kommt dem Direktnachweis des Erregers mittels PCR aus Rachenabstrich, Oral fluid (bei Verdacht auf Masern) oder Urinprobe eine besondere Bedeutung zu und sollte bevorzugt durchgeführt werden.

Ein weiterer Vorteil des Direktnachweises mittels PCR ist, dass bei positivem Befund eine Typisierung am Nationalen Referenzzentrum für Masern, Mumps und Röteln angeschlossen werden kann. Dies ermöglicht bei Masern zudem eine Unterscheidung zwischen Impfvirus und Wildtyp, z. B. hilfreich nach Postexpositionsprophylaxe, und spielt bei der Elimination eine zentrale Rolle hinsichtlich des Nachweises von (endemischen) Infektketten. Ein rein serologischer Nachweis (Serokonversionsnachweis mittels IgM-Nachweis bzw. Serumpaar) erscheint insbesondere bei Exanthembeginn aufgrund der geringeren Sensitivität und der ggf. zeitlich verzögerten Bestätigung für eine zeitnahe Nachverfolgung der Infektketten allein nicht zielführend.

Empfohlenes Vorgehen

Die AG Infektionsschutz empfiehlt, bei allen exanthematischen Erkrankungen mit möglicher Differenzialdiagnose Masern oder Röteln innerhalb von fünf Tagen nach Exanthem- bzw. Symptombeginn einen Rachenabstrich und/oder Urin (bei Masern auch Oral Fluid) zu entnehmen und eine PCR zu veranlassen.

Bei positivem PCR-Test sollte eine Typisierung am Nationalen Referenzzentrum für MMR erfolgen. Bei negativem PCR-Nachweis ist ggf. eine serologische Diagnostik zum Ausschluss einer Infektion anzuschließen.

Zum Zweck der Ermittlungen, aber auch um die Labordiagnostik über Referenzlabore schnell in die Wege leiten zu können, ist es wichtig, dass Masern- und Rötelnerkrankungen gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) schon als Verdachtsfälle umgehend an das Gesundheitsamt gemeldet werden.

Kontaktadressen für die Anforderung von Probe-entnahmematerial und Probeneinsendung:

Nationales Referenzzentrum für Masern, Mumps und Röteln (NRZ MMR) am RKI:

Anschrift: NRZ MMR | Robert Koch-Institut |  Seestr. 10 | 13353 Berlin

Endemische Transmission

Eine endemische Transmission bezeichnet das Auftreten einer kontinuierlichen Infektionskette der Masern- oder Röteln in Deutschland über einen Zeitraum von 12 Monaten oder länger.

Dr. Matthias Trost, Hessisches Ministerium für Soziales und Integration, Referat V 7A (Infektionsschutz, Medizinische Gefahrenabwehr), E-Mail: impfen@hsm.hessen.de für die AG Infektionsschutz (AG-I) der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden

Tab. 1: Meldefälle nach Referenzdefinition für Masern und Röteln

Meldefälle für Deutschland, Datenstand 04.12.2022 (RKI/SurvStat)

Meldefälle für Hessen, Datenstand 15.12.2022 (HLPUG/SurvNet)

Meldejahr

Masern

Röteln

Meldejahr

Masern

Röteln

2018

545

16

2018

26

0

2019

516

18

2019

28

1

2020

76

7

2020

9

0

2021

10

5

2021

0

1

2022

14

3

2022

2

0