2023 ist das Jahr der Patientenrechte. Mit einem Jubiläumsfestakt wurde in Berlin das zehnjährige Bestehen des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, das sogenannte Patientenrechtegesetz, begangen. Patientenrechte sind für Ärztinnen und Ärzte ein ureigenes Anliegen, begreifen sie sich doch als Anwältinnen und Anwälte ihrer Patientinnen und Patienten. Dies bedeutet nicht nur, Kranke nach sorgfältiger Indikationsstellung mit der individuell passenden Therapie zu versorgen, sondern sich auch dafür einzusetzen, dass die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes freien Zugang zur notwendigen gesundheitlichen Versorgung erhalten.

Darüber hinaus muss offenbar immer wieder darauf hingewiesen werden, dass Patientensicherheit – ein ganz wesentlicher Teil der Patientenrechte – ein zentrales Ziel ärztlicher Arbeit ist. Qualitätssicherung ist seit Jahrzehnten ein eingeübtes Instrument der ärztlichen Selbstüberprüfung und wurde nicht vom Gesetzgeber oder gar den Krankenkassen erfunden, sondern von der Ärzteschaft selbst entwickelt und implementiert (z. B. CIRS). Beispielhaft nenne ich auch das Deutsche Zentralregister Herzschrittmacher der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Herzschrittmacher e. V., das von 1982–1999 über 360.000 Datensätze von freiwilligen Meldungen zu Schrittmacherimplantationen und -explantationen sammelte, analysierte und die Ergebnisse in regelmäßigen Jahresberichten veröffentlichte. Federführend war übrigens ein Hesse, nämlich Prof. Dr. Ing. Werner Irnich, ehemaliger Leiter des Instituts für Medizintechnik der Justus Liebig Universität Gießen. 2001 folgte dann die Einführung der verpflichtenden externen Qualitäts- sicherung für Herzschrittmachereingriffe.

Leider hat die Institutionalisierung der Qualitätssicherung sowohl in den Kliniken als auch den ambulanten Praxen zu einem überschießenden Maß an Bürokratie und der Schaffung von Datenfriedhöfen geführt, die das eigentliche Ziel schon fast konterkarieren. Die Zeit, um die unzähligen Bögen auszufüllen und dies oftmals mehrfach wegen fehlender Schnittstellen und unterschiedlicher Insellösungen, fehlt in der direkten Patientenversorgung. Dieses Problem betrifft auch die Pflegeberufe. Das kann gar nicht oft genug gesagt werden.

Wenn nun die Bundesregierung im Koalitionsvertrag das Vorhaben formuliert, die Stellung der Patientinnen und Patienten im bestehenden Haftungssystem bei Behandlungsfehlern zu stärken, ist das nur eine Seite der Medaille. Die Gewährleistung von Patientenversorgung und -sicherheit benötigt ausreichend Zeit und genügend Personal. Selbstverständlich ist jeder Behandlungsfehler ein Fehler zu viel, das ist vollkommen unstrittig. Und doch erlaube ich mir den Hinweis, dass die Zahl der Behandlungsfehler (im Promillebereich) in Relation zu den vielen Millionen jährlichen Behandlungen erfreulicherweise sehr klein ist.

In den nächsten Jahren wird es immer schwieriger werden, das Patientenrecht auf freien Zugang zur notwendigen gesundheitlichen Versorgung zu gewährleisten. Die entsprechenden Schlagworte lauten: demografische Entwicklung der Bevölkerung, parallele Überalterung der Ärzteschaft bei gleichzeitig verringerter Arbeitszeit pro Kopf, abnehmendes Interesse an der selbstständigen Niederlassung, eingeschränkte Mittel für Gesundheitsversorgung, insolvenzgefährdete Krankenhäuser, parallel bestehende Über- und Unterversorgung, unzureichende IT-Systeme inklusive leistungsstarke Breitbandverfügbarkeit und einiges mehr.

Schon allein diese Liste zeigt, dass die unzweifelhaft notwendige Reform der Krankenhäuser wie auch der Notfallversorgung ein Unterfangen darstellt, mit dem einzelne Gruppen überfordert sind. Zu vielfältig und kompliziert sind die Wechselwirkungen. Das gilt auch für die Mitglieder der Krankenhausreformkommission. Deren Vorschläge müssen nun gründlich und systematisch diskutiert werden und zwar mit allen Beteiligten.

Was passiert, wenn ein Krankenhaus geschlossen wird? Im städtischen Ballungsgebiet hat das wahrscheinlich keine allzu großen Auswirkungen. Es gibt genügend andere Krankenhäuser, die das frei werdende Personal gerne übernehmen. Auch die Patientinnen und Patienten verteilen sich mutmaßlich ohne Probleme auf die restlichen Krankenhäuser. Doch sieht das im ländlichen Raum genauso aus? Wohl kaum. Das nächste Krankenhaus ist vermutlich deutlich weiter entfernt, so dass sich die Transportwege verlängern. Das ist nicht bequem, lässt sich aber noch bewältigen, zumal bei Häusern, die sich nicht an der Notfallversorgung beteiligen haben. Aber wird das Personal so einfach zum nächsten Krankenhaus wechseln? Zweifel sind angebracht, denn erfahrungsgemäß sind insbesondere Pflegekräfte relativ stark ortsgebunden. Die gleichzeitig angestrebte sogenannte Ambulantisierung benötigt in der Konsequenz entsprechende Strukturen, d. h. mehr ambulante Versorgungsangebote vor allem in der Fläche. Die Ballungsräume sind zumindest vorerst noch relativ gut versorgt. Werden sich die vorherigen Krankenhausärztinnen und -ärzte dann einfach im Umfeld des geschlossenen Krankenhauses niederlassen? So einfach wird es vermutlich nicht werden. Mit diesen einfachen Fragen möchte ich nur auf die Vielschichtigkeit der angedachten Reform hinweisen. Eine Reform ist nötig, dessen bin ich mir bewusst. Doch die Lösung der Probleme kann nur sinnvoll gelingen, wenn die Konsequenzen bedacht und mit den Betroffenen analysiert werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Reform der Notfallversorgung.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident