Nachdruck aus: Der Allgemeinarzt 2022; 44(4): 51–53; online: allgemeinarzt.digital/praxisalltag/praxisfuehrung/klimaschutz-praktische-umsetzung-hausarztpraxis-124099/

Die Klimakrise macht sich bereits heute in Deutschland bemerkbar, und sie ist nicht ohne Folgen für die tägliche hausärztliche Arbeit. Laut Beschluss des Ärztetags 2021 soll der Gesundheitssektor bis 2035 klimaneutral gestaltet sein. Doch was können Allgemeinärztinnen und Allgemeinärzte schon heute tun, um in ihrer Praxis einen Beitrag zu leisten? Im Folgenden einige konkrete Anregungen.

Seit 1950 ist die Anzahl der Hitzetage mit einer Temperatur von mehr als 30 °C im Mittel um 11,4 Tage gestiegen, in den kommenden Jahren ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen [1]. Damit verbunden ist die Zunahme von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, aber auch von Starkniederschlägen und Flutkatastrophen [2].

Dies ist nicht ohne Folgen für die alltägliche (haus-)ärztliche Arbeit: Die Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen und die Überweisung in Krankenhäuser und Notaufnahmen steigen während Hitzeperioden sprunghaft an, Hitze führt gleichzeitig zu einer Zunahme der Sterblichkeit [3, 4]. Besonders ältere und chronisch kranke Menschen sowie Kleinkinder und Schwangere leiden unter den heißen Tagen und tropischen Nächten [5, 6].

Doch nicht nur Hitze belastet unsere Gesundheit. Zu den zahlreichen weiteren Auswirkungen der Klimakrise zählen beispielsweise auch die Einwanderung von zoologischen Vektoren wie der Tigermücke, welche in der Lage ist, Erreger wie das Zika-, Chikungunya-, West-Nil- und Dengue-Virus zu übertragen, oder die Verlängerung der Pollensaison, die mit einer Zunahme und Verschlimmerung von Allergien einhergeht [7]. Abb. 1 zeigt zusammengefasst die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels [8].

Was können Hausärztinnen und Hausärzte tun?

Aufgrund zahlreicher direkter und indirekter Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit ist es heute unerlässlich, über adäquate Versorgung klimaassoziierter Erkrankungen Bescheid zu wissen. Daneben gibt es zwei weitere wichtige Aspekte in der Debatte um die Rolle von Ärztinnen und Ärzten in Bezug auf den Klimaschutz: Adaptation (d. h. die Anpassung des Gesundheitssystems an die unvermeidlichen Auswirkungen der Erderhitzung, z. B. durch Hitzepläne für Praxen) und Mitigation (d. h. die Abschwächung der Erderhitzung, z. B. durch eine Reduktion von Treibhausgasemissionen).

Mitigation kann einerseits direkt erfolgen, denn der Gesundheitssektor bietet mit 5–7 % Anteil am weltweiten CO2-Abdruck [9] ein enormes Einsparpotenzial. Andererseits können Menschen in Gesundheitsberufen durch ihre große Glaubwürdigkeit besonders effektiv den politischen Diskurs beeinflussen und durch die hohe Reichweite in breite Gesellschaftsschichten, z. B. im Rahmen der Gespräche mit ihren Patientinnen und Patienten, viele Menschen erreichen. Konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz haben hier einen doppelten Nutzen, denn die Art und Weise, wie wir leben (insbesondere uns ernähren und bewegen), erhöht in vielen Fällen die Krankheitslast durch sogenannte nicht übertragbare Krankheiten (u. a. Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und ist gleichzeitig klimaschädlich.

Die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur klimafreundlichen Praxis

Wie der Ärztetag 2021 beschlossen hat, soll der Gesundheitssektor bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden [10]. Um Treibhausgasemissionen zu verringern, lassen sich auch in der eigenen Praxis effektive Maßnahmen setzen. Abb. 2 verdeutlicht, wo die größten Einsparpotenziale einer durchschnittlichen Hausarztpraxis liegen [11].

Was können Hausärztinnen und Hausärzte tun?

Aufgrund zahlreicher direkter und indirekter Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit ist es heute unerlässlich, über adäquate Versorgung klimaassoziierter Erkrankungen Bescheid zu wissen. Daneben gibt es zwei weitere wichtige Aspekte in der Debatte um die Rolle von Ärztinnen und Ärzten in Bezug auf den Klimaschutz: Adaptation (d. h. die Anpassung des Gesundheitssystems an die unvermeidlichen Auswirkungen der Erderhitzung, z. B. durch Hitzepläne für Praxen) und Mitigation (d. h. die Abschwächung der Erderhitzung, z. B. durch eine Reduktion von Treibhausgasemissionen).

Mitigation kann einerseits direkt erfolgen, denn der Gesundheitssektor bietet mit 5–7 % Anteil am weltweiten CO2-Abdruck [9] ein enormes Einsparpotenzial. Andererseits können Menschen in Gesundheitsberufen durch ihre große Glaubwürdigkeit besonders effektiv den politischen Diskurs beeinflussen und durch die hohe Reichweite in breite Gesellschaftsschichten, z. B. im Rahmen der Gespräche mit ihren Patientinnen und Patienten, viele Menschen erreichen. Konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz haben hier einen doppelten Nutzen, denn die Art und Weise, wie wir leben (insbesondere uns ernähren und bewegen), erhöht in vielen Fällen die Krankheitslast durch sogenannte nicht übertragbare Krankheiten (u. a. Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und ist gleichzeitig klimaschädlich.

Die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur klimafreundlichen Praxis

Wie der Ärztetag 2021 beschlossen hat, soll der Gesundheitssektor bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden [10]. Um Treibhausgasemissionen zu verringern, lassen sich auch in der eigenen Praxis effektive Maßnahmen setzen. Abb. 2 verdeutlicht, wo die größten Einsparpotenziale einer durchschnittlichen Hausarztpraxis liegen [11].

Hier wird deutlich, dass verschriebene Medikamente und eingekaufte Güter mit rund 80 % für den Großteil der Emissionen verantwortlich sind. Die Mobilität der Patientinnen und Patienten sowie des Praxisteams schlägt mit ca. 10 % zu Buche, Strom und Heizung machen nur etwa 7 % des CO2-Abdrucks einer Praxis aus.

Als besonders leicht zu erreichende und effektive Einsparmaßnahme erweist sich die Vermeidung von Dosieraerosolen bzw. der Einsatz von medizinisch gleichwertigen Pulverinhalatoren. So entspricht die Klimaschädlichkeit eines einzigen Dosier-aerosols aufgrund des enthaltenen Treibgases einer Autofahrt von 190–280 km, bei einem Pulverinhalator sind es lediglich 6–9 km [12, 13].

Im Bereich der Mobilität geht der Umstieg zu Nachhaltigkeit nicht nur mit der Reduktion von Emissionen, sondern auch mit zahlreichen positiven Effekten für die Gesundheit einher. Beispielsweise wirken Radfahren und Laufen sich nicht nur positiv auf den Bewegungsapparat aus, sondern beugen auch kardiovaskulären Erkrankungen vor und mindern depressive Symptome [14]. Weitere klimafreundliche Optionen sind z. B. ein Jobticket für Mitarbeitende oder das Angebot von Telefon- und Videosprechstunden.

Einfach und schnell umzusetzen ist auch der Wechsel zu Ökostrom. Energiesparmaßnahmen, wie ein Thermostat mit Ruhezeiten nachts und am Wochenende oder die Isolation von Fenstern, schonen nicht nur den Geldbeutel, sondern auch das Klima. Beim Drucken rechnet sich der Umstieg von Einzel- auf Großdrucker inklusive Voreinstellung „Duplexdruck“ und einer tonersparenden Schrift – so reduziert z. B. „Century gothic“ gegenüber „Arial“ 30 % des Tintenverbrauchs.

Es gibt zahlreiche sinnvolle Maßnahmen, manche sind, je nach Rahmenbedingungen, einfacher umzusetzen als andere. Daher hilft es, mit Dingen anzufangen, die einem leichtfallen, und Schritte umzusetzen, die besonders effektiv sind. Lohnend ist, von Beginn an das gesamte Praxisteam ins Boot zu holen und für das Erreichen gemeinsamer Ziele einen Zeitplan festzulegen.

Und noch viel wichtiger ...

Die individuelle Einsparung von Treibhausgasemissionen bleibt ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn sie nicht von weitreichenden gesellschaftspolitischen Maßnahmen für eine nachhaltige, sozioökonomische Transformation flankiert wird. Hier liegt großes Potenzial darin, aus dem Gesundheitssektor heraus Druck für einen gesellschaftlichen Wandel aufzubauen, der uns ein gutes und gesundes Leben auf einem gesunden Planeten ermöglicht. Neben Engagement, z. B. in Arbeitsgruppen von Fachgesellschaften, liegt eine Möglichkeit in der „klimasensiblen Gesundheitsberatung“, also dem Einbezug klimasensibler Themen in die reguläre Konsultation mit Patientinnen und Patienten. Dabei können neben klimaassoziierten Krankheiten auch CO-Benefits angesprochen werden, wie eine sowohl klimafreundliche als auch gesunde Lebensweise (z. B. Vorteile einer überwiegend pflanzenbasierten Ernährung).

Fazit

Die Klima- und Umweltkrise ist die größte globale Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts [15, 16]. Hausärztinnen, Hausärzte und Medizinische Fachangestellte genießen sehr großes Vertrauen bei ihren Patientinnen und Patienten. Auch in Krisen stehen sie an vorderster Front, sind vor Ort und übernehmen Verantwortung. Wenn sie sich vorbereiten, sprech- und handlungsfähig werden, können sie einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung, aber auch Bewältigung der Klima- und Umweltkrisen leisten und Schaden von ihren Patientinnen und Patienten abwenden. Neben konkreten CO2-Einsparmaßnahmen sind die „klimasensible Gesundheitsberatung“ und gesellschaftspolitisches Engagement wirksame Hebel, um sich für ein gutes und gesundes Leben auf einem gesunden Planeten einzusetzen.

Dr. phil. Marischa Fast1, Max Bürck-Gemassmer1, 2, Dr. med. Anne Hübner1, Friederike von Gierke1

Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG)

Niedergelassener Allgemeinarzt in Berlin

Weitere Informationen:

Die Literaturhinweise finden Sie am Ende dieser Seite unter „Artikel herunterladen“ in der PDF-Version dieses Artikels.

Hier wird deutlich, dass verschriebene Medikamente und eingekaufte Güter mit rund 80 % für den Großteil der Emissionen verantwortlich sind. Die Mobilität der Patientinnen und Patienten sowie des Praxisteams schlägt mit ca. 10 % zu Buche, Strom und Heizung machen nur etwa 7 % des CO2-Abdrucks einer Praxis aus.

Als besonders leicht zu erreichende und effektive Einsparmaßnahme erweist sich die Vermeidung von Dosieraerosolen bzw. der Einsatz von medizinisch gleichwertigen Pulverinhalatoren. So entspricht die Klimaschädlichkeit eines einzigen Dosier-aerosols aufgrund des enthaltenen Treibgases einer Autofahrt von 190–280 km, bei einem Pulverinhalator sind es lediglich 6–9 km [12, 13].

Im Bereich der Mobilität geht der Umstieg zu Nachhaltigkeit nicht nur mit der Reduktion von Emissionen, sondern auch mit zahlreichen positiven Effekten für die Gesundheit einher. Beispielsweise wirken Radfahren und Laufen sich nicht nur positiv auf den Bewegungsapparat aus, sondern beugen auch kardiovaskulären Erkrankungen vor und mindern depressive Symptome [14]. Weitere klimafreundliche Optionen sind z. B. ein Jobticket für Mitarbeitende oder das Angebot von Telefon- und Videosprechstunden.

Einfach und schnell umzusetzen ist auch der Wechsel zu Ökostrom. Energiesparmaßnahmen, wie ein Thermostat mit Ruhezeiten nachts und am Wochenende oder die Isolation von Fenstern, schonen nicht nur den Geldbeutel, sondern auch das Klima. Beim Drucken rechnet sich der Umstieg von Einzel- auf Großdrucker inklusive Voreinstellung „Duplexdruck“ und einer tonersparenden Schrift – so reduziert z. B. „Century gothic“ gegenüber „Arial“ 30 % des Tintenverbrauchs.

Es gibt zahlreiche sinnvolle Maßnahmen, manche sind, je nach Rahmenbedingungen, einfacher umzusetzen als andere. Daher hilft es, mit Dingen anzufangen, die einem leichtfallen, und Schritte umzusetzen, die besonders effektiv sind. Lohnend ist, von Beginn an das gesamte Praxisteam ins Boot zu holen und für das Erreichen gemeinsamer Ziele einen Zeitplan festzulegen.

Und noch viel wichtiger ...

Die individuelle Einsparung von Treibhausgasemissionen bleibt ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn sie nicht von weitreichenden gesellschaftspolitischen Maßnahmen für eine nachhaltige, sozioökonomische Transformation flankiert wird. Hier liegt großes Potenzial darin, aus dem Gesundheitssektor heraus Druck für einen gesellschaftlichen Wandel aufzubauen, der uns ein gutes und gesundes Leben auf einem gesunden Planeten ermöglicht. Neben Engagement, z. B. in Arbeitsgruppen von Fachgesellschaften, liegt eine Möglichkeit in der „klimasensiblen Gesundheitsberatung“, also dem Einbezug klimasensibler Themen in die reguläre Konsultation mit Patientinnen und Patienten. Dabei können neben klimaassoziierten Krankheiten auch CO-Benefits angesprochen werden, wie eine sowohl klimafreundliche als auch gesunde Lebensweise (z. B. Vorteile einer überwiegend pflanzenbasierten Ernährung).

Fazit

Die Klima- und Umweltkrise ist die größte globale Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts [15, 16]. Hausärztinnen, Hausärzte und Medizinische Fachangestellte genießen sehr großes Vertrauen bei ihren Patientinnen und Patienten. Auch in Krisen stehen sie an vorderster Front, sind vor Ort und übernehmen Verantwortung. Wenn sie sich vorbereiten, sprech- und handlungsfähig werden, können sie einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung, aber auch Bewältigung der Klima- und Umweltkrisen leisten und Schaden von ihren Patientinnen und Patienten abwenden. Neben konkreten CO2-Einsparmaßnahmen sind die „klimasensible Gesundheitsberatung“ und gesellschaftspolitisches Engagement wirksame Hebel, um sich für ein gutes und gesundes Leben auf einem gesunden Planeten einzusetzen.

Dr. phil. Marischa Fast1, Max Bürck-Gemassmer1, 2, Dr. med. Anne Hübner1, Friederike von Gierke1

Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG)

Niedergelassener Allgemeinarzt in Berlin

Weitere Informationen:

Die Literaturhinweise finden Sie am Ende dieser Seite unter „Artikel herunterladen“ in der PDF-Version dieses Artikels.

Klimasprechstunde

Um seine Patientinnen und Patienten über den Zusammenhang von Klimaschutz und eigener Gesundheit aufzuklären, bietet der Gummersbacher Hausarzt Dr. med. Ralph Krolewski seit einigen Jahren eine „Klima-Sprechstunde“ an – ein Konzept gegen die Klimakrise bei guter Patientenakzeptanz. Krolewski stellt im Deutschen Ärzteblatt das Praxiskonzept vor [17]. 

Fortbildungsangebote zu Planetary Health

Die Planetary Health Academy bietet vielfältige Bildungsformate zum Wissenserwerb und der Befähigung zum transformativen Handeln im Kontext von Planetary Health an. Unter dem Dach der Planetary Health Academy finden sowohl Vorlesungsreihen als auch Workshops und Intensivkurse statt. Sie bietet darüber hinaus Vernetzungsmöglichkeiten. Das Angebot richtet sich insbesondere an Auszubildende, Studierende und Beschäftigte aller Gesundheitsberufe und steht weiteren Interessierten offen. Die nächste Vorlesungsreihe startet am 4. Mai. Infos und Anmeldung: https://planetary-health-academy.de/

Klimasprechstunde

Um seine Patientinnen und Patienten über den Zusammenhang von Klimaschutz und eigener Gesundheit aufzuklären, bietet der Gummersbacher Hausarzt Dr. med. Ralph Krolewski seit einigen Jahren eine „Klima-Sprechstunde“ an – ein Konzept gegen die Klimakrise bei guter Patientenakzeptanz. Krolewski stellt im Deutschen Ärzteblatt das Praxiskonzept vor [17]. Im Internet abrufbar unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/223883/Klimaschutz-und-Gesundheit-Die-Patienten-informieren

Fortbildungsangebote zu Planetary Health

Die Planetary Health Academy bietet vielfältige Bildungsformate zum Wissenserwerb und der Befähigung zum transformativen Handeln im Kontext von Planetary Health an. Unter dem Dach der Planetary Health Academy finden sowohl Vorlesungsreihen als auch Workshops und Intensivkurse statt. Sie bietet darüber hinaus Vernetzungsmöglichkeiten. Das Angebot richtet sich insbesondere an Auszubildende, Studierende und Beschäftigte aller Gesundheitsberufe und steht weiteren Interessierten offen. Die nächste Vorlesungsreihe startet am 4. Mai. Infos und Anmeldung: https://planetary-health-academy.de/