Im Januar 2018 trat das novellierte Mutterschutzgesetz (MuSchuGe) in Kraft: Es sollte eine diskriminierungsfreie Teilhabe von schwangeren Frauen an ihrem Arbeitsplatz gewährleisten, der Bundesausschuss Mutterschutz sollte ebendies evaluieren und optimieren. Im Hessischen Ärzteblatt vom Januar 2022 berichtete eine schwangere Ärztin von ihren Erfahrungen nach Bekanntgabe der Schwangerschaft: Ein Berufsverbot wurde ausgesprochen ohne Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung bzw. Prüfung, ob eine andere Tätigkeit oder ein anderer Arbeitsbereich in Frage käme. In Folge musste sie ihre Weiterbildung für die nächsten neun Monate unterbrechen. Zählt man die Elternzeit noch dazu, wird sie in den nächsten 20 Monaten wohl keine Weiterbildung mehr machen können.

Rechnen wir das mal zusammen: sechs Jahre Studium, fünf bis sechs Jahre Weiterbildung zur Fachärztin oder zum Facharzt, dazwischen zwei Schwangerschaften mit je neun Monaten „Berufsverbot“ plus eventuell Elternzeit: Da ist der Weg zur Niederlassung oder auch zu einer Leitungsfunktion erheblich verlängert und damit ein Karriereknick vorprogrammiert – sei es in Klinik oder Praxis.

Die Studentinnen der Medizin beklagen, sie würden von den Kursen ausgeschlossen und so massiv an ihrem Studium gehindert – und hier hat das weiterreichende finanzielle Folgen, beispiels- weise bei Studienkrediten.

Es gibt dazu valide Zahlen, die der Deutsche Ärztinnenbund bei einer Befragung erhoben hat. Das Gesetz ist von JuristInnen geschrieben, daher ist häufig trotz sehr gut dargelegter Gefährdungsbeurteilung (deren Erstellung Pflicht ist), Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und Einhaltung der Schutzmaßnahmen durch den Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung nicht möglich, weil die beaufsichtigenden Behörden ein Restrisiko nicht als ausgeschlossen ansehen. Die Pandemie hat diese Situation dramatisch verschärft und die Entscheidungen variieren je nach Behörde.

Natürlich gibt es gesundheitliche Gründe von Mutter und Kind, in der Schwangerschaft allgemein und als Ärztin nicht zu arbeiten. Dies darf aber nicht auf alle im Gesundheitssystem tätigen Schwangeren bezogen werden.

Es gibt durchaus positive Beispiele in Kliniken und Praxen: In unserer Notaufnahme hat eine schwangere Kollegin weiterarbeiten können, sie hat die Bettenstation der Notaufnahme betreut sowie PatientInnen in der Notaufnahme aufgenommen; konnte immer Hilfe holen und zum Beispiel invasive Maßnahmen, die sie nicht durchführen wollte, an die Kolleginnen abgeben. Natürlich ohne Nachtdienste, Wochenenden und nicht nach 20 Uhr. Und vor der Pandemie.

Es gibt bereits viele Gruppierungen, die sich dieses Themas angenommen haben und auf allen möglichen Ebenen protestieren: Der Deutsche Ärztinnenbund, der Zahnärztinnenbund, in der Ärztekammer Nordrhein gibt es einen Ausschuss Mutterschutz, Dr. Olga Herschel hat zuletzt in der „TAZ“ einen Artikel zu diesem Thema veröffentlicht. Auch die Landesärztekammer Hessen hat einen Brief an das Hessische Sozialministerium gesandt und um Nachbesserung ersucht.

Wir sollten weiter dranbleiben an diesem Thema, denn auf die Ärztinnen kann bei der aktuellen Personalsituation und der Verteilung der Geschlechter in diesem Beruf niemand verzichten.

„Schwanger als Medizinstudierende oder junge Ärztin: Da ist ein Karriereknick vorprogrammiert.“

Dr. med. Christine Hidas, Präsidiumsmitglied