Zahlreiche verabschiedete Gesetze, Verordnungen sowie eine detaillierte Einschätzung der aktuellen Situation – der Präsident der Landesärztekammer Hessen, Dr. med. Edgar Pinkowski, hatte den Delegierten Ende November 2021 vieles zu berichten. Ausführlich nahm er Stellung u. a. zum Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege, zum Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung. Dieses beinhalte z. B. verpflichtende Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Leistungen an Pflegekräfte zum 1. Januar 2023. „Voraussetzung für die Übertragung ärztlicher Aufgaben ist das Vorhandensein der erforderlichen Kompetenzen bei den übernehmenden Pflegekräften“, stellte Pinkowski klar. „Die ärztliche Kernkompetenz liegt in der Einordnung des Patientenanliegens und der Beherrschung komplexer und schwieriger Sachverhalte unter Berücksichtigung aller patientenindividueller somatischen, psychischen sowie sozialen Aspekte.“ Es sei richtig, die Qualifikation der Pflegekräfte zu nutzen und zu erhöhen, jedoch sei es fraglich, dass dadurch mehr Menschen in der Pflege direkt am Patienten gewonnen würden. Der Pflegeberuf müsse nicht nur auf dem Papier attraktiver werden, sondern auch adäquat vergütet – gerade in der Intensivmedizin.

Eine Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung – wie das Gesetz so schön heißt – wünschen wir uns alle, so Pinkowski. „An vielen Stellen können wir schon froh sein, wenn der Status quo gehalten werden kann“, so der Ärztekammerpräsident und verwies dabei auf Probleme bei der Wiederbesetzung frei werdender Arztsitze und insbesondere auf zunehmend investorgetriebene Übernahmen von Pflegeheimen, Krankenhäusern und auch von Arztpraxen. „Die daraus resultierenden Gefahren sind uns bekannt und ganz langsam wird auch der eine oder die andere in der Politik dafür sensibel. Diese Aufmerksamkeit müssen und werden wir weiter schüren.“

Für Aufregung sorgte zunächst der neu gefasste § 28b Infektionsschutz, der die 3G-Regelung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Nah- und Fernverkehr einführte. Pinkowski berichtete, dass die Bundesärztekammer am 24.11.21 den Bundesgesundheitsminister aufgefordert hat, sich für eine Änderung des § 28b Abs. 2 einzusetzen, da sonst auch doppelt und dreifach geimpfte Teams einer Praxis täglich getestet werden sollten. Eine Reaktion folgte prompt durch die Konferenz der Gesundheitsminister (GMK) am 25.11.21, die zu einer umgehenden Korrektur aufforderte. „Diese außerordentlich schnelle Reaktion der GMK verdient großes Lob“, unterstrich Pinkowski. Am 26.11. folgte ein entsprechender Brief des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration (HMSI) zur Klarstellung an die Einrichtungen und Unternehmen, so dass gilt: Für geimpfte und genesene Mitarbeiter der Einrichtungen und Unternehmen beschränkt sich die Testverpflichtung (…) auf einen Schnelltest auch in nicht überwachter Eigenanwendung zwei Mal pro Woche.

Der Präsident begrüßte, dass nun zumindest bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für das Vorgehen der Länder geschaffen wurden. Es bleibe jedoch die weitere Umsetzung abzuwarten, denn nicht einmal in unserem eigenen Bundesland sei dies möglich gewesen, weil jedes Gesundheitsamt seine eigenen Regeln und Vorgehensweisen entwickelte und verfolgte. „Das Land Hessen sollte sehr ernsthaft über die Einrichtung eines Landesgesundheitsamtes nachdenken“, forderte Pinkowski und unterstützt außerdem den Vorschlag, das Robert-Koch-Institut zu einer unabhängigen Infektionsschutzbehörde umzuwandeln. Die Ständige Impfkommission (STIKO) müsse ebenfalls der politischen Einflussnahme entzogen werden.

Impffrust, Organisationsfehler und Fehlkommunikation

Deutliche Worte fand der hessische Ärztekammerpräsident beim Thema Impfen gegen SARS-CoV-2 bzw. dessen Organisation: „Sie alle wissen, was sich zurzeit in den Kliniken, den Praxen, den mobilen und sonstigen Impfstationen abspielt. Es gab Versuche, die niedergelassene Ärzteschaft in der öffentlichen Diskussion quasi als Faulenzer darzustellen, die es nicht schaffen, die eigene Schlagzahl zu erhöhen. Dabei wurde vergessen, dass aufgrund der desaströsen oder besser nicht vorhandenen Kommunikationsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums die Impfnachfrage im Sommer gegen Null tendierte, und dass eine kurzfristige Reaktion auf eine gestiegene Nachfrage wegen der zweiwöchigen Vorbestellungsfrist gar nicht möglich war. Die Ankündigung, Biontech-Bestellungen zu rationieren, hat dem Ganzen dann die Krone aufgesetzt.“ Moderna sei zwar hoch wirksam, werde aber inzwischen für Menschen unter 30 Jahren nicht mehr empfohlen. Viele Arztpraxen müssten nun neu planen, weil sie bereits bis Ende Januar/Anfang Februar Impftermine vergeben hätten. „Jetzt muss aufwendig umorganisiert werden, denn Moderna wird in anderen Vialgrößen geliefert, so dass zehn bzw. 20 statt sechs oder sieben Dosen verimpft werden müssen, wenn nicht Reste verworfen werden sollen. Das belastet nicht nur die Ärztinnen und Ärzte, sondern vor allem auch die MFA, die unzählige Telefonate führen müssen und ganz sicher nicht nur auf verständnisvolle Reaktionen stoßen werden.“

Als äußerst positiv und zielorientiert erlebe er hingegen die Zusammenarbeit in der Impfallianz Hessen, betonte der Präsident. Kassenärztliche Vereinigung, Landesärztekammer, Hausärzteverband, Apothekerkammer und -verband, kommunale Spitzenverbände und das HMSI haben eine konzertierte Aktion zum Ausbau der Impfkapazitäten vereinbart. Bis spätestens 5. Dezember sollen mindestens 400.000 Impfungen pro Woche möglich gemacht werden.

Medizinische Stellungnahmen nur durch Fachärzte leistbar

Auch zum Gesetzentwurf zur Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes und des Maßregelvollzugs äußerte sich Pinkowski. Besonders einen Punkt aus seiner Stellungnahme hob er dabei hervor: Die im Entwurf vorgesehene Berechtigung für Psychologische Psychotherapeuten, eine umfangreiche Stellungnahme abzugeben, die auch Aussagen über die Notwendigkeit und Dauer von Behandlungsmaßnahmen der untergebrachten Personen enthalten soll, sei entschieden abzulehnen. Notwendigkeit und Dauer von Behandlungsmaßnahmen bestimmen sich nicht ausschließlich aufgrund von psychischen Krankheitsbildern. Vielmehr seien auch somatische Krankheitsbilder sowie pharmakologische Fragestellungen entscheidend für die Beurteilung, ob eine Unterbringung der betroffenen Person und ggf. auch eine Zwangsbehandlung erfolgen müssen. Die Beurteilung somatischer Krankheitsbilder und pharmakologischer Fragestellungen liege außerhalb der Kompetenz Psychologischer Psychotherapeuten. Eine umfassende, medizinische Stellungnahme, die alle für die Frage der Unterbringung und einer Zwangsbehandlung relevanten Umstände erfasse, könne ausschließlich eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie abgeben.

Fachsprachenprüfung für Drittstaatler künftig nur bei der LÄKH

Ärztinnen und Ärzten aus dem EU-Ausland und aus sog. Drittstaaten müssen in Hessen seitens des HLPUG vor Erteilung der Approbation nicht selten eine Fachsprachprüfung (FSP) und nachgeschaltet auch eine Kenntnisstandprüfung (KSP) erfolgreich ablegen. Die LÄKH führt beide Prüfungen auf hohem Niveau durch. Da jedoch die zum Jahresbeginn vom HMSI zugesagte Fokussierung der FSP auf die LÄKH nicht umgesetzt wurde, konnten die Sprachschulen trotz Interessenkonflikt diese Prüfung auch weiterhin anbieten. „Ich habe Herrn Minister Klose wiederholt direkt darauf angesprochen und die Problematik sowohl in der Presseerklärung zum Welttag der Patientensicherheit am 17.09.2021 sowie im Editorial zum HÄBL 10/2021 thematisiert“, erläuterte Pinkowski. Am 04.10.2021 ging dann beim HLPUG ein Erlass des HMSI ein, nachdem für Drittstaatler ab dem 01.01.2022 nur noch Sprachzertifikate anzuerkennen sind, die durch eine Heilberufskammer ausgestellt wurden. Drittstaatler stellen rund 70–90 % der für eine Fachsprachprüfung in Betracht kommenden Kandidaten. „Die beharrliche und öffentliche Einforderung nach einer Einlösung der Zusage hat in diesem Fall dann endlich zum Erfolg geführt.“

Das System krankt – Aussprache zur Rede des Präsidenten

60 Sekunden Ruhe – „Diese stummen Worte sind Ausdruck meiner Traurigkeit, meines Frustes, meines Zorns, meiner Wut, meiner Gefühle, die ich so in meinem ganzen Berufsleben noch nicht gefühlt habe“, mit diesem Zeichen gab Dr. med. Detlev Steininger (Liste Die Hausärzte) zum Ausdruck, wie er das Impfdebakel in jüngster Vergangenheit empfindet. „Wir bestellen Menschen ein, versuchen sie zu überzeugen, ich werde die Menschen wieder anrufen und abbestellen. Wir erwarten von unseren Patienten eine Toleranz, ein Entgegenkommen, das langsam ausstrapaziert ist.“ Ein weiteres Problem seien die Lieferformalitäten, stellte Dr. med. Lars Bodammer (Liste Marburger Bund) fest: „Ich finde es traurig, dass angesichts der so gravierenden Situation da nicht entsprechend flexibel gehandelt wird und im ambulanten Sektor eine Zeitlatenz von fünf bis sieben Tagen besteht von Bestellung zu Lieferung.“

Viele Wortbeiträge richteten sich direkt an Roman Böhmer, der stellvertretend für das HMSI als Gast zur Delegiertenversammlung eingeladen war. Neben Fragen, nach den Kanälen für die Impfstofflieferungen, da diese bei den Ärztinnen und Ärzten nicht ankämen, u. a. von Michael Knoll (Liste Hausärzte), richtete Dr. med. Sylvia Mieke (Liste ÄrztINNEN Hessen) die Bitte an ihn, in der Öffentlichkeit klarzustellen, dass die Hausärztinnen und Hausärzte nichts für diesen Mangel können. „Die Aggression und Gewaltbereitschaft nimmt zu und ist in unseren Praxen angekommen.“ Eine stärkere und aktivere Unterstützung seitens des HMSI forderte auch Dr. med. Michael Weidenfeld (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen): „Ich würde es sehr begrüßen, wenn das Ministerium auch einmal in der Öffentlichkeit feststellen würde, dass wir Fachärzte und Hausärzte gemeinsam alles Mögliche dafür tun, um die Bevölkerung impfen zu können. Wir opfern unsere Freizeit, wir bezahlen unser Personal, wir machen alles möglich. Aber wenn kein Impfstoff da ist, können wir das nicht schaffen.“ An den Anfang des Jahres 2021 versetzt, fühle sich Dr. med. Hendrik Reygers (Liste ÖGD): „Wir wollen impfen, können impfen, haben in unserem Impfzentrum, nachdem wir es erst abgebaut und nun wieder aufgebaut haben, noch für ca. eine Woche Munition und das war es. Aber Termine bis in den Februar hinein.“ Dr. med. Eckhard Starke (Liste Die Hausärzte) empfand es in diesem Zusammenhang als völlig unverständlich, dass Apothekerverbände die Impfungen in Apotheken fordern, wenn noch nicht mal die notwendige Belieferung von Impfstoffen an die Vertragsärzteschaft und andere Impfbereite gewährleistet sei. „Die Panik in der Bevölkerung und die Inkompetenz der Berliner Politik für eine Klientelpolitik auszunutzen, ist peinlich und schamlos.“

Doch nicht nur das Impfen bereitet den Ärztinnen und Ärzten Sorge. Mehrfach wurde die aktuelle Situation in den Kontext einer seit 20 Jahren verfehlten gesundheitspolitischen Steuerung gesetzt. „Es herrscht ein bedrohlicher Ärztemangel – und der wird sich in Kürze sehr zuspitzen, insbesondere in ländlichen Regionen. Patienten werden künftig keinen Arzt mehr haben. Schuld ist eine jahrelang verfehlte Politik mit einer unerträglichen Rationierung im Gesundheitssystem. Und ein dramatischer Abbau von Studienplätzen. Die Kommerzialisierung, die Bildung von Investoren- und Aktiengesellschaften führt zu dem Ziel, einen maximalen Profit zu machen. Das Allgemeinwohl und eine patientengerechte Versorgung stehen hier nicht mehr im Vordergrund. Das DRG-System erledigt das Übrige“, stellte Dr. med. Sabine Dominik (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) fest und appellierte: „Wir brauchen einen Abbau der Kommerzialisierung und der Rationierung im Gesundheitssystem, wir brauchen eine patientengerechte Versorgung im Sinne des Allgemeinwohls, wir brauchen eine stärkere und systematischere Mitbestimmung der Ärzte in der Politik, auch im G-BA. Wir brauchen schnell Studienplätze, nicht 65, sondern viel mehr. Für mehr Ärzte.“ „Wir sind über 20 Jahre durch falsche Weichenstellungen in der Politik in einer Operation mit dem falschen Besteck“, so Dr. med. Christof Storck (Liste demokratischer Ärztinnen und Ärzte) und betonte, dass Patienten keine Produkte oder Dienstleistungskunden mit Aussicht auf betriebswirtschaftlichen Mehrwert seien.

„Wir sind soweit gekommen, dass wir nicht mehr von Expertise reden, sondern von politischen Maßnahmen, das prägt die Diskussion und die Entscheidungen“, ergänzte Dr. med. Hans-Martin Hübner (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen). Es müsse sich dafür stark gemacht werden, dass das Gesundheitssystem nun mal Geld koste, forderte Prof. Dr. med. Alexandra Henneberg (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen). „Dieses Geld sollte patientenorientiert investiert werden und nicht profitmaximiert aufgebaut.“

Dr. med. Susanne Johna (Liste Marburger Bund) thematisierte die Pflegeprämie: „Wir alle sind der Meinung, dass Pflege dauerhaft besser vergütet werden muss, dass Pflege vor allen Dingen bessere Tarifverträge braucht. Eine Prämie ist wenig geeignet, dauerhafte Wertschätzung auszudrücken. Sie ist aber sehr gut geeignet, um dauerhaft Geringschätzung auszudrücken.“ Johna kritisierte, dass die Vergabe der Prämie explizit Ärztinnen und Ärzte auf Intensivstationen ausschließe.

Ein Punkt, der auch von Svenja Krück (Liste Junge Ärztinnen und Ärzte in Hessen) aufgegriffen wurde: „Ich bin als Krankenhausärztin tätig, ich bin es offensichtlich nicht wert, eine Prämie zu bekommen für meine Arbeit, die sich durch die Corona-Pandemie deutlich intensiviert hat.“ Sie machte auf die aktuelle Situation von Ärztinnen und Ärzten mit kleinen Kindern aufmerksam. „Aktuell sehen wir eine Welle auf uns zukommen von kranken und schwerstkranken Patienten, die im Dezember und nach den Feiertagen die Kliniken bevölkern werden.“ Versorgen müssen diese Patienten insbesondere jüngere Ärztinnen und Ärzte, die wie sie mit Problemen bei der Kinderbetreuung zu kämpfen habe. Es fehle einfach an genügend Personal in den Kliniken. „Ich werde das dieses Jahr noch mitmachen und dann werde ich vorsichtig evaluieren, welche Möglichkeiten es für mich gibt, außerhalb der Patientenversorgung zu arbeiten.“

Auch das Thema Weiterbildung der jungen Ärztinnen und Ärzte komme in Zeiten von Corona zu kurz, wie Bodammer erläuterte: „Da werden Rotationen nicht angeboten, da werden so viele elektive Eingriffe zurückgehalten, die nicht gemacht werden. Wir diskutieren das in der LÄKH, aber wir brauchen mehr Öffentlichkeit für die jungen Kolleginnen und Kollegen, die wirklich darunter leiden, die ihren Facharzt nicht machen können, die in ihrer ärztlichen Karriere vollkommen ausgebremst sind und am Ende fehlen diese Kolleginnen und Kollegen und wir brauchen die Weitsicht in fünf bis Jahren zu sehen, dass das was jetzt passiert uns hinterher auf die Füße fallen wird.“

„Ich sehe die umfassenden Belastungen bei uns allen“, reagierte Böhmer auf die Aussagen der Delegierten und versprach, alles zum Ministerium mitzunehmen, was heute angesprochen worden sei.

Jahresabschluss 2020

„Wir haben zwei wesentliche Einnahmeprobleme“, begann Armin Beck, Liste Die Hausärzte und Vorsitzender des Finanzausschusses, seinen Bericht zum Jahresabschluss 2020. Zum einen seien durch die Pandemie die Gebühren aus Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen eingebrochen und zum anderen hätten sich die Beitragseinnahmen deutlich schwächer als geplant entwickelt. Weit schwerer wiege jedoch die Tatsache, dass die Mitgliedsbeiträge trotz konstanter Hebesätze erstmalig auch im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen seien. Dabei handele es sich um ein bundesweites Phänomen.

Für den Finanzausschuss gelte als eine mögliche Ursache für diese Entwicklung, dass die Anzahl der beitragsfreien Mitglieder in diesem Jahr wesentlich stärker als die der beitragspflichtigen Mitglieder gestiegen sei. Ein weiterer Aspekt des Einnahmerückgangs sei laut Beck ein geringeres Durchschnittseinkommen aus ärztlicher Tätigkeit, auf deren Grundlage die Beiträge erhoben werden. Beck berichtete weiter, dass die Bilanzsumme von 70 auf 65 Mio. € gesunken sei. Auf der Aktivseite haben sich durch die planmäßigen Abschreibungen die Sachanlagen von 46 auf 44,9 Mio. € reduziert. Aufgrund des negativen Cash Flows seien die liquiden Mittel mit über 3,1 Mio. € deutlich zurückgegangen. Auf der Passivseite sei das Eigenkapital um 5 Mio. € gesunken und die Rückstellungen für die betriebliche Altersversorgung um 1,8 Mio. € gestiegen.

Anschließend ging Beck auf die Gewinn- und Verlustrechnung ein und erläuterte, dass der Personalaufwand gestiegen sei, weil 16 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aufgrund neuer Aufgaben überwiegend in der Abteilung Weiterbildung, eingestellt wurden. Außerdem haben sich die Gebäudeabschreibungen im Wirtschaftsjahr 2020 erhöht, da das neue Verwaltungsgebäude nach der Fertigstellung im April 2019 erstmals über ein volles Jahr abgeschrieben wurde. Im Vergleich zum Plan stellte der Vorsitzende des Finanzausschusses fest, dass es in keiner Haushaltsposition, weder im Verwaltungs- noch im Investitionshaushalt, zu einer Haushaltsüberschreitung gekommen sei. Doch aufgrund der Ertragsrückgänge sei der Verlust stärker ausgefallen als geplant. „Es ist zum ersten Mal das eingetreten, was wir so noch nicht hatten“, so Beck. „Der geplante Verlust von 3 Mio. € wurde um 1,5 Mio. € überschritten. Wäre die Instandhaltungsrücklage nicht aufgelöst und in die Betriebsmittelrücklage umgebucht worden, hätte diese die Mindestsollrücklage unterschritten“, erläuterte Beck. Und dies sei gemäß der Haushalts- und Kassenordnung nicht zulässig.

Nach dem Bericht des Wirtschaftsprüfers über die Jahresabschlussprüfung beschlossen die hessischen Delegierten, dass der Jahresfehlbetrag in Höhe von −4,5 Mio. € durch eine Entnahme aus der Betriebsmittelrückgabe ausgeglichen werde. Anschließend wurde der vom Präsidium aufgestellte und mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfer versehene Jahresabschluss 2020 auf Empfehlung des Finanzausschusses festgestellt und schließlich dem Präsidium der LÄKH für das Geschäftsjahr 2020 die Entlastung erteilt. All diese Beschlüsse erfolgten einstimmig.

Ausschuss Hilfsfonds aufgelöst

Alle Ärztinnen und Ärzte, die bisher unterstützt wurden, seien im Jahr 2020 verstorben, berichtete Dr. med. Jürgen Glatzel, Liste Älterer Ärzte, als noch amtierender Vorsitzender des Hilfsfonds – für dessen Auflösung er nun plädierte, weil es für das Jahr 2021 somit keine Ausgaben und Einnahmen mehr gebe. Der letzte Kontostand vom 31.12.2020 mit 143.436,80 € werde damit aufgelöst und in den Haushalt der Kammer überführt.

Haushaltsplan 2022 & Änderung haushaltsrelevanter Rechtsquellen

Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Armin Beck, setzte seinen Bericht über die schwierige Finanzlage der LÄKH fort und erläuterte die Vorschläge von Präsidium und Finanzausschuss, wie der Haushalt für die kommenden Jahre zukunftsfähig aufgestellt werden könne. In der Vergangenheit seien regelmäßig Haushalte mit einem Jahresfehlbetrag aufgestellt worden, um die hohen Rücklagen abzubauen. Nach erfolgter Reduzierung der Rücklagen und durch den in seiner Höhe außerordentlichen Verlust im Wirtschaftsjahr 2020 sei dies jetzt nicht mehr möglich. „Das Problem mit der Aufstellung dieses Haushalts war, dass wir nicht mehr mit einem negativen Haushalt haben arbeiten können, weil es keine Rücklagen mehr gibt“, erläuterte Beck. „Wir wollen einen stabilen ausgeglichenen Haushalt, hatten aber ursprünglich eine Deckungslücke bei den Einnahmen von fast 5 Mio. €.“ Ohne entsprechende Anpassungen im Gebühren- und Kostengefüge sei zur Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts eine 25-prozentige Beitragserhöhung notwendig gewesen. Um dies zu vermeiden, wurden auf verschiedenen Ebenen (u. a. wurden zwei Arbeitsgruppen eingesetzt) Kosteneinsparungen, Gebührenanhebungen und Anpassungen in der Beitragsordnung erarbeitet. Nach ausführlicher Erläuterung von Armin Beck und den beiden Geschäftsführern Hans-Peter Hauck und Manuel Maier schloss sich die Delegiertenversammlung den Empfehlungen des Finanzausschusses und des Präsidiums an.

So wurden u. a. Maßnahmen zur Kostensenkung der Aufwandsentschädigungen beschlossen, und die Kilometerpauschale von 0,75 auf 0,50 € reduziert. Einsparungen im Investitionsplan sollen zur Reduzierung der Abschreibungen führen. Dies, sowie die Reduzierung des Instandhaltungsaufwands sowie einzelner Sachkosten führten im Vergleich zum ursprünglichen Haushaltsplan zu Minderkosten von knapp 570.000 €.

Ebenso fanden die Vorschläge der Arbeitsgruppen bezüglich zusätzlicher Gebühreneinnahmen Zustimmung. Die Einführung einer Gebühr für die erste Facharztprüfung von 100 €, weitere Gebührenanpassungen in der Weiterbildung, die Anhebung der Teilnahmegebühren für Fortbildungsveranstaltungen der Akademie, die Anhebung von Gebühren der Ethikkommission und sonstige Gebührenanpassungen bedeuten Mehreinnahmen in Höhe von rund 1 Mio. €. Schließlich wurden in der Beitragsordnung einige Tatbestände neu geregelt. So wurde der Mindestbeitrag von 50 € auf 75 € angehoben. Zweitmitglieder und Mitglieder, die nach dem 1. Januar 2022 ihr 71. Lebensjahr vollenden, werden zukünftig in den Mindestbeitrag eingestuft.

Nach Berücksichtigung der o. g. Anpassungen konnte somit die Anhebung des Hebesatzes abgemildert werden. Er soll im nächsten Jahr 0,70 % betragen.

Um ein ausgeglichenes Ergebnis von Beitragserhöhung, Gebührenanpassung und Einsparungen zu erreichen, haben es sich die Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Ausschüsse nicht leicht gemacht, wie Dr. med. Peter Zürner (Liste Fachärztinnen und Fachärzte Hessen) kommentierte: „Wir haben uns in einer aufwendigen Abstimmung gemeinsam mit dem Finanzausschuss bemüht und in extra eingeführten Arbeitsgruppen den Haushalt durchforstet und geprüft, wo wir die Dinge noch wirtschaftlicher gestalten können. Wir müssen auch mittelfristig überlegen, was sind wirklich die wichtigen Kernaufgaben der Kammer, wo können wir unsere Effizienz steigern und wo kann man Angebote auch reduzieren.“

Manuel Maier, Justitiar der LÄKH, ergänzte, dass die Beitragsanhebung von 18 % ein Kompromiss sei, der nur mit den anderen begleitenden Maßnahmen funktioniere. „Im Moment haben einige Ärztekammern im Bundesgebiet finanzielle Probleme und erhöhen den Mitgliedsbeitrag“, ergänzte Maier. Er erläuterte die finanzrelevanten Rechtsquellenänderungen in Beitragsordnung, Kostensatzung und Aufwandsentschädigung.

„Die Vorträge haben deutlich gemacht, wie sehr alle gerungen haben, um einen Kompromiss zu finden, mit dem wahrscheinlich keiner ganz zufrieden sein wird“, resümierte Zürner. Nach ausführlicher Diskussion stimmten die Delegierten den Anträgen zu den Rechtsquellenänderungen in Beitragsordnung, Kostensatzung und Aufwandsentschädigung zu. Schließlich wurde der Haushaltsplan 2022 einstimmig genehmigt.

Neufassung der Berufsordnung zum ärztlich assistierten Suizid

Der 124. Deutsche Ärztetag hatte bereits im Mai das Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe aus der (Muster-)Berufsordnung gestrichen, nachdem das Thema dort ca. drei Stunden diskutiert worden war. Die Delegierten stimmten nun analog dazu einstimmig und ohne jede Diskussion für die Streichung des § 16 Absatz (3) aus der hessischen Berufsordnung (BO): Der Satz „Sie [Ärztinnen und Ärzte] dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“ entfällt. Siehe dazu den Artikel auf S. 15.

Weitere beschlossene Änderungen von Rechtsquellen betrafen die Hauptsatzung und darin die Auflösung des Hilfsfonds (s. o.) sowie die Änderung der Geschäftsordnung (GO) hinsichtlich der Umsetzung der EU-Verhältnismäßigkeitsrichtlinie: Beabsichtige Rechtsquellenänderungen werden künftig 14 Tage lang öffentlich auf der Website eingestellt, darüber werden gleichzeitig auch alle Delegierten informiert. Eingehende Stellungnahmen werden dann im Präsidium besprochen.

Zur weiteren Verbesserung der Transparenz der LÄKH bei ihren Mitgliedern wird künftig auch (Fach-)Journalisten nach Akkreditierung bei der Stabsstelle Medien die Teilnahme an der Delegiertenversammlung ermöglicht. Da die DV mitgliederöffentlich ist, sollen Protokoll und Beschlüsse künftig auch allen Mitgliedern im Portal zugänglich gemacht werden. Delegierte erhalten zudem Gastrecht in Ausschüssen des Präsidiums soweit keine rechtlichen Gründe dagegen sprechen (ohne Rede- und Stimmrecht und Aufwandsentschädigungsanspruch).

Einer Überarbeitung der Satzung der Ethik-Kommission aufgrund von EU-rechtlichen Bestimmungen wurde ebenfalls zugestimmt. Alle Neufassungen der Rechtsquellen finden sich auf den Seiten 45 bis 63.

Wahl der Klimabeauftragten einer ab 2030 klimaneutralen Kammer

Nachdem das Thema Klima(-schutz) im Fokus des 125. Deutschen Ärztetages in Berlin gestanden hatte, nahm es auch einen zentralen Platz in der 11. ordentlichen Delegiertenversammlung der LÄKH ein. Präsidiumsmitglied Svenja Krück stellte den Sachstandsbericht der seit diesem Jahr bestehenden AG Klimaschutz vor, in der sie sich gemeinsam mit Präsidiumsmitglied Dr. med. Peter Zürner engagiert. Unter den bereits umgesetzten Maßnahmen zu mehr Klimaneutralität nannte Krück das für die Mitarbeiter/-innen der LÄKH eingeführte Jobticket, den Bezug von Ökostrom und die Beheizung mit Fernwärme am Hauptsitz in Frankfurt oder die Verfügbarkeit vegetarischer, regionaler sowie saisonaler Speisen in Bio-Qualität bei der Gästebewirtung in Bad Nauheim. Zusätzlich zu den seit 2020 zunehmenden Videokonferenzen, die die Anfahrt mit dem PKW ersetzen, fördert die AG den stetigen Prozess, immer mehr Arbeitsabläufe in der LÄKH zu digitalisieren, um dadurch in Zukunft noch mehr Videokonferenzen zu ermöglichen. Krück stellte außerdem in einem Ausblick weitere Maßnahmen vor, die die LÄKH in Zukunft umsetzen könnte: darunter die Einführung von Jobrädern oder die Nutzung von Solarenergie in Frankfurt wie in Bad Nauheim. Auch äußerte Krück den Wunsch der AG Klimaschutz, in Zukunft eng mit dem Ausschuss Hygiene und Umweltmedizin zusammenzuarbeiten. Anschließend bewarb Krück den Antrag des Präsidiums für eine klimaneutrale LÄKH bis 2030. Diesem Antrag erteilten die Delegierten mit großer Mehrheit ihre Zustimmung – und ernannten Krück darüber hinaus, auf Initiative Pierre Freverts (LDÄÄ), zur Klimabeauftragten der LÄKH. Unterstützt wird die AG außerdem von Frevert und Steininger.

Solidarität mit MFA und Pflege

In mehreren Resolutionen bekundeten die hessischen Ärztinnen und Ärzte ihre unbedingte Solidarität mit den Pflegeberufen und MFA. So forderten sie eine steuer- und sozialabgabenfreie Corona-Sonderzahlung aus öffentlichen Mitteln für die MFA, die seit Beginn der Pandemie mit sich immer weiter verdichtenden Praxisabläufen – u. a. dem größerem Patientenaufkommen und einem Mehr an Bürokratie geschuldet – zu kämpfen und infolgedessen einen dramatischen Anstieg von Überstunden zu leisten haben.

Genauso erklärte sich die hessische Ärzteschaft solidarisch mit dem Ringen der Pflegeberufe an den Unikliniken Frankfurt und Marburg-Gießen um eine „längst überfällige Verbesserung ihrer Arbeits- und Ausbildungsbedingungen“. Diese Resolution schlossen die Delegierten mit der Forderung an die Landesregierung, die Arbeitsbedingungen der Pflege an beiden Unikliniken nachhaltig zu verbessern.

Allgemein stellte das hessische Ärzteparlament fest, dass eine gute Medizin ohne gute Pflege genauso wenig denkbar sei wie ohne gute ärztliche Versorgung. Die Einhaltung des wichtigsten ethischen Grundprinzips ärztlichen und pflegerischen Handelns, des Nichtschadens, werde aber durch die gegenwärtigen legislativen Rahmenbedingungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes in Verbindung mit der Anwendung des Fallpauschalensystems (DRG) und der Gewinnverpflichtung privater Träger im Kontext mit gewerblichen Wettbewerbsregeln massiv behindert. Zudem gefährde der Stellenabbau im ärztlichen Dienst der Krankenhäuser die Versorgung zusätzlich.

In einer Resolution appellierten die Delegierten an die Politik, ärztliche Vergütung aus dem DRG-System auszugliedern – sowie im Sinne der Patientenversorgung im ambulanten Bereich für den Entfall von Budgetierung und Regressen zu sorgen und den Bürokratieabbau voranzutreiben.

Für eine bessere Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen

Mit überwältigender Mehrheit haben die hessischen Delegierten die Absicht der designierten Regierungskoalition in Berlin begrüßt, den § 219a StGB zu streichen, der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt und Ärztinnen und Ärzte, die – wie etwa die hessische Fachärztin für Allgemeinmedizin Kristina Hänel – ihren Aufgaben entsprechend Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügung stellen, verurteilt. Außerdem stehen in einigen Regionen Hessen keine Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, in zumutbarem Umkreis zur Verfügung. Aus diesem Grund forderte das Hessische Ärzteparlament die Hessische Landesregierung in gleichem Zug auf, „dafür Sorge zu tragen, dass ausreichende ambulante und für Frauen mit Risikofaktoren auch stationäre Einrichtungen zur Verfügung stehen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden können“.

Gesundheitsversorgung für alle

Abschließend forderten die Delegierten in einer weiteren Resolution, auch Menschen ohne Zugang zur Regelversorgung zu helfen und ihnen den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erleichtern. Anlass zur Resolution, die vor allem Menschen ohne Papiere und/oder ohne Krankenversicherung gilt, war der Glückwunsch der Delegierten an das Medinetz Gießen und die Offenbacher Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung zur Auszeichnung mit dem Hessischen Integrationspreis 2021 durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration.

Die Resolutionen finden Sie auch auf unserer Website:  www.laekh.de/presse/pressemitteilungen

Maren Siepmann, Alla Soumm, Isolde Asbeck