Städel Museum zeigt Werke aus dem Vermächtnis von Ulrike Crespo

Mit rot lackierten Zehennägeln recken sich Frauenfüße vor knallblauem Hintergrund in die Höhe und wecken sommerliche Assoziationen. Schöpfer der Study for Seascape aus dem Jahr 1964 ist der US-amerikanische Maler Tom Wesselmann. Neben Andy Warhol, Robert Rauschenberg und Roy Lichtenstein gilt er als einer der herausragenden Vertreter der Pop-Art. Dicht gedrängt, scheinen die „Köpfe“ auf Otto Dix’ gleichnamigem, ca. 1923 entstandenen Aquarell mit Federzeichnung ineinander zu fließen. Francois Légers „Landpartie“ (1950) zählt zu den späteren Arbeiten des französischen Künstlers und verbindet kubistische mit naturalistischen Elementen: Drei Werke aus dem Nachlass der Frankfurter Fotografin, Psychotherapeutin und Mäzenin Ulrike Crespo (1950–2019).

Tom Wesselmann: Study for Seascape #6. 1965, Acrylfarbe über Bleistift auf Velinpapier. Erworben 2019 als Vermächtnis von Ulrike Crespo aus der Sammlung Karl Ströher

Klassische Moderne und Nachkriegskunst

Ihr verdankt das Städel Museum in Frankfurt eines der bedeutendsten Vermächtnisse der jüngeren Zeit: Über 90 herausragende Gemälde und Arbeiten auf Papier der Klassischen Moderne und der internationalen Nachkriegskunst, darunter Werke von Wassily Kandinsky, Franz Marc, Otto Dix, Max Ernst, Fernand Léger, Jean Dubuffet, Cy Twombly und anderen hat Crespo der Gemäldegalerie gestiftet. Zusammengetragen wurden die Kunstwerke von ihrem Großvater Karl Ströher, einem Erben des Darmstädter Wella-Konzerns. Mit der Sonderausstellung „Zeichen der Freundschaft“ würdigt das Städel die großzügige Schenkung Crespos und lässt 44 ausgewählte Arbeiten aus ihrem Vermächtnis in einen Dialog mit Werken aus der Sammlung des Museums treten. Gezeigt werden insgesamt 72 Arbeiten. Sie beziehen sich aufeinander und schließen Lücken, die beispielsweise 1937 durch die Beschlagnahme von Kunstwerken im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ durch die Nationalsozialisten entstanden sind.

In Frankfurter Bürgertradition

Mit ihrer Schenkung steht die 1950 in Fulda geborene, in Darmstadt aufgewachsene und bis zu ihrem Tod 2019 in Frankfurt lebende Fotografin in Frankfurter Bürgertradition. Das Städel Museum selbst verdankt seine Gründung einem großzügigen Mäzen: Im Jahr 1815 legte Johann Friedrich Städel mit der Niederschrift seines Testaments den Grundstein für Deutschlands älteste Museumsstiftung. Ulrike Crespo hatte 2001 die Crespo Foundation gegründet. Die Stiftung mit Sitz in Frankfurt engagiert sich in den Bereichen Soziales, ästhetische Bildung und Kunst. Crespo, die sich als psychologische Psychotherapeutin unter anderem in einem Ausbildungsprojekt in Gruppenanalyse für Mediziner in der Ukraine engagierte, stiftete große Teile des Verkaufserlöses des im Familienbesitz befindlichen Wella-Konzerns in die Crespo Foundation. Deren Leitmotiv lautet: „Wir wollen Menschen stark machen.“ Zugleich unterstützte die Frankfurterin Künstlerinnen und Künstler sowie Kunstinstitutionen.

Die Ausstellung im Städel Museum ist thematisch gegliedert. Sie beginnt mit Bauhauskünstlern, unter ihnen Lehrer wie Lyonel Feininger, Paul Klee, Johannes Itten oder László Moholy-Nagy. Ein besonders wertvolles Werk der Schau ist Oskar Schlemmers Aquarell zu seinem Gemälde „Bauhaustreppe“ (1931). Die bereits erwähnten dicht gedrängten Köpfe von Otto Dix hingen einst über dem Esstisch von Ulrike Crespo. Für Wassily Kandinsky, der auch am Bauhaus lehrte, entstand wahre Kunst losgelöst von der äußeren Welt aus innerer Notwendigkeit. Aus Crespos Sammlung stammen eine frühe Landschaft in Öl („Kallmünz – Hellgrüne Berge“, 1911/12) und eine Pferdestudie, die der Zeichner Franz Marc 1910/11 in einem Skizzenbuch mit Bleistift zu Papier gebracht hatte. Die ebenfalls vermachten Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Emil Nolde fügen sich in die Expressionismus-Sammlung des Städel Museums ein.

Oskar Schlemmer: Bauhaustreppe. 1931, Bleistift und Aquarell auf Velinpapier. Erworben 2019 als Vermächtnis von Ulrike Crespo aus der Sammlung Karl Ströher

Werkgruppen und Einzelwerke

Neben Werkgruppen der Klassischen Moderne sind Einzelwerke u. a. von Gustav Klimt, Fernand Léger und Alberto Giacometti in der Ausstellung zu sehen. Ein Kapitel ist dem Künstler Jean Dubuffet gewidmet. Auf Vertreterinnen und Vertreter der Nachkriegsmoderne folgen US-amerikanische Künstler. „Zeichen der Freundschaft“ spiegelt den Facettenreichtum internationaler Kunst von 1905 bis 1965.

Katja Möhrle

Bis zum 6. März 2022. Infos im Internet unter www.staedelmuseum.de