Dieser Satz ist wirklich unverschämt: „Ihr seid doch mit gemeint!“ Ähnlich wie der graue Kasten in den Zeitschriften, der die reine männliche Form in einem Text mit der besseren Lesbarkeit oder auch Sprachvereinfachung erklärt. Für wen ist es denn besser lesbar?

Vielleicht für diejenigen, die durchgängig angesprochen werden. Nicht für diejenigen, die gar nicht auftauchen im Text. Und wieso müssen wir die Sprache für genau dieses Thema vereinfachen? Sonst ist doch auch genug Raum und Zeit für die vielen Worte, die von vielen gesagt und geschrieben werden.

Neulich bekam ich einen Brief einer Pharmafirma mit der Adresse: „An Frau Oberarzt Dr. Christine Hidas.“ Ich habe ihn zurückgesendet an den Absender mit den Worten: „Wenn Sie den Transfer von „Frau“ zu „Oberärztin“ nicht leisten können, dann weiss ich auch nicht…“ und auf die Teilnahme dieser Fortbildung verzichtet.

Sprache transportiert Denken – diese Aussage ist nicht zu widerlegen. Wenn ich als Frau einen Text lese, in welchem ich durchgängig als Frau oder auch Ärztin nicht angesprochen werde, dann fühle ich mich eben auch nicht angesprochen. Dann ist der Inhalt für mich eventuell nicht relevant und auch nicht interessant. Wenn ich dagegen einen Text lese, der zum Beispiel sowohl die Ärztinnen, Studentinnen, Professorinnen als auch Ärzte, Studenten, Professoren benennt, dann bin ich auch gemeint. Ganz abgesehen davon, dass die ausschließliche Benutzung des männliche Generikums vorgaukelt, es gäbe keine weiblichen Personen im Kontext. Dann fehlt auch die Vorbildfunktion, die wir Frauen und Ärztinnen für den Nachwuchs haben – und dieser ist, in der Medizin, bekanntlich überwiegend weiblich.

Das männliche Generikum führt auch zur fehlenden Sichtbarkeit von Frauen. Es gibt aktuell aus den Fachgesellschaften seitens der Ärztinnen die Forderung, endlich Kongresse, Panels, Vorsitze etc. paritätisch zu besetzen. Des weiteren gibt es Diskussionen über das Umbenennen der Fachzeitschriften wie „Der Internist“ oder auch „Der Nephrologe“. Auch das Umbenennen der Fachgesellschaften selbst ist auf dem Weg. So heißt der BDI (Berufsverband Deutscher Internisten) bald „Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten“. Im Übrigen initiiert von der Präsidentin, der ersten seit dem 60-jährigen Bestehen des BDI. Auch das „Deutsche Ärzteblatt“ ist von dieser Diskussion nicht ausgeschlossen.

Der Ärztinnenbund, dessen Vorsitz ich in der Frankfurter Gruppe innehabe, fordert die geschlechtergerechte Sprache schon lange. Mit dem Anstieg der Ärztinnen insgesamt und auch in den Fachgesellschaften und Gremien scheint das jetzt angekommen zu sein und langsam umgesetzt zu werden. In Österreich beispielsweise funktioniert die offizielle Sprache gut: Dort finden Sie die Frau Professorin und die Frau Doktorin und die Frau Magisterin ganz selbstverständlich in den Texten. Ich darf Luise Pusch, Professorin für Sprachwissenschaften, aus ihrem Buch „Das Deutsch als Männersprache“, Erstausgabe 1984, zitieren: „Meine Muttersprache ist für Männer bequem, klar und eindeutig. Das Reden über Männer ist völlig problemlos in dieser Männersprache. Schwierig, kompliziert und verwirrend ist nur das Reden über Frauen... Als ‚Problemgruppe’ dürfen wir uns mit offenkundigen Behelfslösungen herumschlagen...“

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir Frauen, wir Ärztinnen, sind keine Problemgruppe, kein Gedöns und gehören auch nicht „mit gemeint“. Ein respektvoller, höflicher und korrekter Umgang miteinander auch in der Sprache ist meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit in der heutigen Zeit und ist nicht schwierig in der Umsetzung.

Dr. med. Christine Hidas, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen

„Das männliche Generikum führt zur fehlenden Sichtbarkeit von Frauen“