Seitens der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) wurde ein neues System des Beschwerdemanagements eingerichtet. Hierdurch erhalten Patientinnen und Patienten über die Website der LÄKH eine einfache und formal korrekte Handlungsanweisung zur Beschwerdeerhebung. Indem durch das System sämtliche relevanten Daten abgefragt werden, kommt es außerdem kammerintern zu einer Optimierung der Arbeitsabläufe, weil in der Regel keine weiteren Informationen angefordert werden müssen. Nachfolgend soll ein allgemeiner Überblick über dieses Beschwerdeverfahren geboten werden.

1. Berufsaufsicht

Die LÄKH übt neben der Standesvertretung die Berufsaufsicht über die in Hessen tätigen Ärztinnen und Ärzte aus. Die Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO) legt fest, welche Gebote Ärztinnen und Ärzte beachten müssen. Es handelt sich um grundlegende ethische und rechtliche Prinzipien, denen sich die Ärzteschaft selbst unterworfen und deren Einhaltung die LÄKH zu überwachen hat. Die Berufsaufsicht ist eine von der Ärzteschaft im Rahmen ihrer Selbstverwaltung geschaffene Instanz zur Ahndung unärztlichen Verhaltens, das dem Ansehen des Berufsstandes schaden könnte. Dementsprechend besteht die Verpflichtung der LÄKH, Beschwerden von Patienten nachzugehen, die sich auf die Verletzung berufsrechtlicher Pflichten beziehen. Mittelbar kann durch die Beschwerdemöglichkeit im Einzelfall die Einschaltung einer Rechtsanwältin/eines Rechtsanwalts, die Erhebung einer Klage oder die Erstattung einer Strafanzeige durch die Patientinnen und Patienten verhindert, bestenfalls die zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient bestehende Kommunikationsstörung behoben werden.

2. Online-Formular

Auf der Website der LÄKH ist unter „Für Bürger/-innen“ > „Patientenbeschwerden“ neben einem Informationsblatt zum Beschwerdeverfahren ein Online-Formular zu finden, das nach dem Ausfüllen ausgedruckt und unterschrieben postalisch einzureichen ist. Die Patienten müssen dort Pflichtfelder ausfüllen (ihre Daten, Name der Ärtzin/des Arztes, Behandlungszeitraum und im Fließtext den Gegenstand der Beschwerde). Ferner wird ein Formular zur Verfügung gestellt, mit dem die Ärztin/der Arzt von seiner Schweigepflicht der LÄKH gegenüber entbunden werden muss. Über das Online-Formular kann auch der Antrag auf Abgabe einer gutachterlichen Stellungnahme zur Angemessenheit einer ärztlichen Honorarforderung gestellt werden, zu der die LÄKH gemäß § 12 Abs. 4 BO verpflichtet ist. Dieses neu entwickelte System zur Erhebung einer Beschwerde mittels Online-Formular erleichtert die Arbeitsschritte und die Verwaltung der eingehenden Beschwerden, da die wesentlichen Daten abgefragt und in der Regel keine weiteren Unterlagen mehr angefordert werden müssen.

3. Vorgehen nach Eingang der Beschwerde

Nach Eingang der Beschwerde wird die Ärztin/der Arzt um Stellungnahme gebeten – verbunden mit dem Hinweis, dass sie/er zu Angaben, die zur Selbstbelastung führen würden, nicht verpflichtet ist. Dies stellt entgegen vielfach geäußerter Annahme keine Beschuldigung oder Vorverurteilung dar und ist auch kein Zeichen dafür, dass die LÄKH die Interessen der Patientin oder des Patienten vertreten würde. Die Belehrung entspringt dem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Da bei Eingang einer Beschwerde nicht ersichtlich ist, ob sich die Ärtzin/der Arzt eines Berufsvergehens schuldig gemacht hat oder nicht, wird dieser Hinweis höchst vorsorglich erteilt.

Die berufsrechtliche Prüfung erfolgt objektiv anhand der Stellungnahmen von Arzt und Patient sowie der hereingereichten Unterlagen. Sofern die Rechtsabteilung der LÄKH zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verdacht eines Verstoßes gegen Berufspflichten besteht, wird der Vorgang dem Präsidium der LÄKH zur Kenntnis gebracht. Dort wird über die Einleitung berufsrechtlicher Ermittlungen entschieden, die durch die Berufsgerichtsabteilung der LÄKH erfolgen.

Die Einleitung berufsrechtlicher Maßnahmen dient nicht dem Individualrechtsschutz der Patientin bzw. des Patienten, sondern ausschließlich dem Zweck der Berufsaufsicht und damit dem Interesse aller sich berufsrechtskonform verhaltenden Ärzte sowie der Wahrung des Ansehens des Berufsstandes. Seitens der LÄKH erfolgt keine Beratung von Patienten. Ebenso wenig hat die Patientin/der Patient ein Informationsrecht über ein gegen die Ärztin/den Arzt eingeleitetes Verfahren. Berufsrechtliche Verfahren sind nicht öffentlich.

Sofern wegen des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet wurde, ruht ein berufsrechtliches Verfahren bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung. Hiernach wird seitens der LÄKH geprüft, ob ein „berufsrechtlicher Überhang“ besteht, das heißt ob es trotz strafgerichtlicher Verurteilung geboten ist, durch Auferlegung einer berufsgerichtlichen Sanktion noch besonders zum Bewusstsein zu bringen, dass die Tat nach dem Verständnis der Berufsgenossinnen und -genossen berufsunwürdig ist. Hierdurch kann auch einer Minderung des Ansehens der Ärzteschaft entgegengewirkt werden.

4. Fazit

Mit dem neuen Beschwerdemanagementsystem werden Verfahrensabläufe optimiert, was zu einer erheblichen Zeitersparnis führt. Die berufsrechtliche Überprüfung erfolgt objektiv auf Basis der überlassenen Informationen. Häufig kristallisiert sich heraus, dass die Beschwerdeerhebung durch deeskalisierende Kommunikation hätte vermieden werden können. Das Beschwerdeverfahren kann jedoch häufig dazu beitragen, Schlimmeres zu verhindern. Im Umgang mit problematischen Patienten kann proaktiv die Beratung durch die Rechtsabteilung der LÄKH in Anspruch genommen werden.

Aktueller Fall: Maskenpflicht in der Arztpraxis

Ein Privatpatient beschwerte sich bei der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) über seinen langjährigen Hausarzt: Der Patient habe ein Attest, das ihn von der Maskenpflicht befreie. Der Arzt habe trotzdem die Behandlung abgelehnt, da der Patient keinen Mund-Nasen-Schutz getragen habe. Er habe sofort die Praxis verlassen müssen. Es sei eine Unverschämtheit, so mit Privatpatienten umzugehen. Außerdem sei erwiesen, dass das Tragen von Masken gesundheitsschädlich sei.

Der Patient forderte von der LÄKH Auskunft darüber, ob der Arzt die Behandlung einfach verweigern durfte. Die Rechtsabteilung teilte ihm daraufhin mit, dass die Kammer die Berufsaufsicht über die in Hessen tätigen Ärztinnen und Ärzte ausübe, eine Rechtsberatung von Patientinnen und Patienten oder Auskunftserteilung hingegen nicht erfolge. Der Patient wurde auf das Onlineformular für Patientenbeschwerden und das Informationsblatt hingewiesen. Hiernach wurde Beschwerde erhoben und eine Schweigepflichtentbindungserklärung vorgelegt. Die Rechtsabteilung bat den Arzt unter Vorlage einer Kopie von Beschwerde und Schweigepflichtentbindungserklärung im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs und zur Information über die Beschwerde um Stellungnahme.

Der Arzt bestätigte die Ablehnung der Behandlung. Ein Notfall habe nicht vorgelegen. Zum Zweck des Schutzes der anderen Patienten, seiner Mitarbeiter/-innen und des Eigenschutzes habe er die Behandlung abgelehnt. Die Rechtsabteilung teilte dem Patienten daraufhin mit, dass der Arzt nach § 7 Abs. 2 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – frei sei, eine Behandlung abzulehnen. Ein Notfall liege vor, wenn sich der Patient in einem lebensbedrohlichen Zustand befinde. Erst ein solcher Notfall verpflichte den Arzt, sofort zu behandeln. Die LÄKH stellte fest, dass keine Anhaltspunkte für ein berufsrechtlich relevantes Fehlverhalten des Arztes bestünden. Gleichwohl bedauere man die entstandenen Meinungsverschiedenheiten. Dem Arzt wurde das Schreiben an den Patienten zur Kenntnisnahme überlassen. Hiermit war der Vorgang abgeschlossen.

Die Kammer ist auch für Patientenbelange ansprechbar

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts vertritt die Landesärztekammer Hessen die hessischen Ärztinnen und Ärzte auf allen Gebieten ärztlicher Berufsausübung. Sie unterstützt die ihr zugehörigen Ärzte z. B. bei allen Fragen des ärztlichen Berufs-, Weiterbildungs- und Gebührenrechts, dies schließt die Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten ein.

Patientinnen und Patienten finden auf der Website www.laekh.de unter der Rubrik „Für Bürger/-innen“ die Arztsuche der LÄKH und die Rubrik „Ihr gutes Recht“. Außerdem informiert die LÄKH über eigene Präventionsprojekte, die sich an die breite Öffentlichkeit richten, und bietet aktuelle Auskünfte zur Covid-19-Pandemie.

Patientinnen und Patienten steht die Möglichkeit offen, sich bei in der Arzt-Patienten-Beziehung aufgetretenen Problemen mit einer schriftlichen Beschwerde unter Schilderung des konkreten Sachverhalts und unter namentlicher Nennung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin an die Landesärztekammer Hessen zu wenden. Auf der Seite https://patientenbeschwerde.laekh.de/ steht dafür ein Onlineformular für Patientenbeschwerden zur Verfügung. Weitere Informationen finden sich in einem Informationsblatt, das im Internet unter der Rubrik „Für Bürger/-innen → Patientenbeschwerden“ abrufbar ist. Dort gibt es auch einen Flyer mit Informationen über das bei Verdacht auf Vorliegen eines Behandlungsfehlers mögliche Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle, die bei der LÄKH angesiedelt ist, aber unabhängig arbeitet.

Dr. jur. Kirsten Theuner, Rechtsreferentin, Syndikusrechtsanwältin, Landesärztekammer Hessen