„Einfach Grün“ – eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum

Windböen, die um Hochhausfassaden pfeifen. Trocken- und Hitzeperioden bereits im Frühjahr und drückende Schwüle im Sommer. Die Folgen des Klimawandels bekommen Städte weltweit zu spüren. Wetterextreme wirken sich sowohl auf die Gesundheit von Mensch und Tier als auch auf urbane Grün- und Freiflächen aus. Trockenheit führt zur Grundwasserabsenkung und Starkregen zu Überflutungen. Was also tun, um Städte wieder überlebenswert zu machen?

„Alles, was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand“, prophezeite einst Charles Darwin. Worte, die sich inzwischen auch Architekten und Stadtplaner zu eigen gemacht haben. „Kann Grün in der Architektur das Klima in den Städten verbessern, Hitzebildung reduzieren, Feinstaubbildung reduzieren und das Wohlbefinden der Menschen steigern?“, fragt das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt und widmet seine – zunächst online zu besichtigende – Ausstellung „Einfach Grün“ den Vorteilen und Herausforderungen urbanen städtischen Grüns. Gezeigt werden gelungene Grünbauten und neue Architekturentwicklungen von Darmstadt, Frankfurt und Düsseldorf über Mailand bis Singapur.

„Bosco verticale“ in Mailand

Er gilt als das innovativste Hochhaus der Welt: der 2009 gebaute Bosco verticale – vertikale Wald – des italienischen Architekten Stefano Boeri. Wie riesige Dschungelbäume überragen die begrünten Zwillingstürme die Dächer des Mailänder Stadtviertels Porta Nuova. Auf ihren Balkonen wachsen rund 900 Bäume und über 20.000 Pflanzen, die zur Verbesserung des Mikroklimas in den Wohnungen und auf den Balkonen beitragen sollen. Als Prototyp für die Städte von morgen bezeichnet sie Boeri, der mittlerweile ähnliche Gebäude, etwa in China, entworfen hat.

Die ersten ihrer Art sind sie allerdings nicht. So baute der deutsche Architekt Ot Hoffmann schon 1970 das „Baumhaus“ am vielbefahrenen Damstädter City-Ring unweit des Herrengartens: Bäume und Sträucher wuchern auf Dach und Terrassen und gehen dabei eine reizvolle Verbindung mit der markanten Beton-Architektur der 1970er- Jahre ein. Hoffmann wollte mit dem Baumhaus demonstrieren, dass Gebäudebegrünung mit einfachen Mitteln und ohne Bauschäden möglich ist. Dass gute Architektur trotz grünen Bewuchses nicht ihre Aussagekraft einbüßen muss, beweisen auch die von Christof Mäckler entworfene Kindertagesstätte in Frankfurt-Sossenheim oder die „Ökoarche“-Architekten Eble & Sambeth am Westbahnhof im Frankfurter Stadtteil Bockenheim.

Palmengarten im Foyer

Grüne Blätter überall: Vom Palmengarten inspiriert mutet das Foyer der Deutschen Architekturmuseums bei der virtuellen Vernissage am 23. Januar an. Bis zum 11. Juli ist die Ausstellung – eine Kooperation mit der Forschungsabteilung des internationalen Planungs- und Beratungsbüros Arup „Green Building Envelopes“ und dem Umweltamt der Stadt Frankfurt – online und hoffentlich bald auch in den Räumen des Museums zu sehen. Gezeigt werden Architekturbeispiele und attraktive Möglichkeiten gelungener Begrünung auf überschaubarem Raum. So verfügt das DAM über zwölf kleine Höfchen, die zwei Wochen vor Ausstellungsbeginn bepflanzt wurden. Besucher dürfen gespannt darauf sein, wie sich die Höfe bis zum Sommer entwickeln.

Wuchernde Kräuter oder Baumlandschaften, wo vor kurzem noch ein graues Kiesdach und die Betonfassade die Sonne reflektierten: Solche Räume, so mutmaßen die Ausstellungsmacher, gibt es überall im städtischen Raum. Doch wo genau sind diese grünen Inseln, die dem klimatischen Verhältnis von Architektur, Bewohnern und Nutzern so zuträglich und von den Straßen oft wenig einsehbar sind? Wer sind die Initiatoren, wie haben sie es angestellt und wozu dienen die grünen Dächer und Fassaden? Auf diese Fragen sucht das DAM Antworten und bittet Interessierte darum, ihre „grünen Taten“ per E-Mail an: projects@einfach-gruen.jetzt zu schicken. Die Beiträge werden von einer Jury bewertet und die Preisträger in der Ausstellung „Einfach Grün“ im DAM in Frankfurt ausgestellt.

Ökologischer Nutzen

„Pflanzen erzeugen Feuchtigkeit, absorbieren Kohlendioxid sowie Staubpartikel und setzen Sauerstoff frei“, fasst Stefano Boeri, der Architekt des senkrechten Waldes, den ökologischen Nutzen seiner begrünten Architektur zusammen. Wegen der erhöhten Verdunstung haben Grünflächen eine kühlende Wirkung auf die Umgebung und dienen als Frischluftzonen. Erklärtes Ziel der Frankfurter Ausstellung, die neben der wissenschaftlichen Perspektive zugleich die technischen Möglichkeiten grüner Urbanität in den Blick nimmt, ist es, jeden Einzelnen anzusprechen und zu motivieren, damit die Begrünungen weitere Kreise ziehen.

Informationen unter https://dam-online.de/

Katja Möhrle