Das Bundesverfassungsgericht verlangt Nachschärfungen beim Bundes-Klimaschutzgesetz, um die Freiheitsrechte künftiger Generationen ausreichend zu schützen. Wie werden wir als Ärzt:innen unserer Verantwortung beim Klimaschutz gerecht?

Das intrinsische Ökosystem des Menschen, also unsere Gesundheit, ist direkt abhängig von den intakten Ökosystemen der Umgebung. Und doch sind es wir Menschen, die für die Zerstörung dieser Ökosysteme, also unserer Lebensgrundlagen, verantwortlich sind. Der Klimawandel ist laut WHO eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit. Hitze und andere Extremwetterereignisse, Luft- und Lärmverschmutzung werden gerade für sozio-ökonomisch schlechter aufgestellte Gesellschaftsgruppen zu einem zunehmenden Problem. Die Klimakrise verursacht und verstärkt zahlreiche Erkrankungen: Infektionen, Allergien, Haut-, Herzkreislauf- und Lungenerkrankungen. Und doch werden die Gegenmaßnahmen leider nicht mit ausreichender Ernsthaftigkeit umgesetzt. Handelt es sich hier um eine gesamtgesellschaftliche Verdrängung, weil dadurch Existenzängste ausgelöst werden? Fühlen wir uns den Machtinteressen der Politik und Wirtschaft gegenüber so ohnmächtig, dass wir handlungsunfähig werden? Verdrängen wir die Konsequenzen der Klimakrise, weil uns die notwendigen Maßnahmen zu drastisch erscheinen und mit Einschränkungen einhergehen? Doch ein „weiter so“ führt in eine Katastrophe. Wir Ärzt:innen können und müssen etwas tun: „Ärzte haben eine besondere Verantwortung, an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken.“ (Musterberufsordnung vom 121. DÄT).

Auch psychotherapeutische Kolleg:innen werden aktiv, schließen sich in Aktionsbündnissen zusammen und erforschen den Zusammenhang zwischen Klima-Angst und Abwehrreaktionen. So beschreibt Rahmsdorf 5 Stadien der Verleugnung: „Es gibt sie nicht“, „die anderen sind schuld“, „wir passen uns schon an“, „Lösungen sind zu teuer“, „es ist eh zu spät, wir können nichts mehr machen“ und Chmielewski hebt hervor, dass wir auf eine existentielle Bedrohung evolutionär mit Vermeiden („flight“), Erdulden („freeze“) oder mit aktivistischem Vorgehen („fight“) reagieren. Aktivität kann uns aus dem Zyklus der Angst herausführen und damit unser Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit stärken, und wir können (wieder) Verantwortung für die zukünftigen Generationen übernehmen.

Was können wir Ärzt:innen also tun?

Ermutigend für mich ist, dass viele Kolleg:innen schon aktiv sind: Eine Gruppe von Gießener Medizinstudierenden, aus deren Initiative das Wahlfach Klima und Gesundheit entstanden ist, und ein Seminar eines Kollegen in einem Psychoanalytischen Institut zu „Klimakrise – zwischen Angst, Verleugnung und Bewältigung“. Andere engagieren sich bei „Health for Future“ oder bei „Klima und Gesundheit“ (KLUG).

Konkret können wir auf verschiedenen Ebenen handeln:

  1. Wir können unser Verhalten (Konsum, Mobilität, Ernährung, Energieversorgung) privat und beruflich ändern. Immerhin macht der CO2-Fußabdruck des deutschen Gesundheitssektors beträchtliche 5 % der nationalen Treibhausgasemissionen aus.
  2. Wir können in unserem Umfeld als Expert:innen für Gesundheit beruflich wie privat aufklären.
  3. Wir können uns in Aktionsbündnissen zusammenschließen, lokal und überregional politischer werden und bspw. darauf einwirken, dass Klimakrise und „Planetary Health“ in die Lehrpläne aller medizinischen Aus- und Weiterbildungen aufgenommen werden.
  4. Wir können in den Ärztekammern und ärztlichen Versorgungswerken politisch aktiv werden und darauf hinwirken, dass alle Versorgungswerke ihren Zusagen gerecht werden, die Environmental and Social Governance-Richtlinien einzuhalten. Die Kapitalanlagen der ärztlichen berufsständischen Versorgungswerke sind immerhin 110 Milliarden Euro.

Für den notwendigen, umfangreichen Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft ist ein Systemwandel nötig, zu dem Divestment einen wichtigen Beitrag leisten kann. Für uns birgt es nur Vorteile, wenn die Anleger ihr Geld in zukunftsweisende und stabile Bereiche investieren. Durch unser Handeln können wir also nicht nur die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise mildern. Es ist möglich, durch Achtsamkeit, Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz wieder zu mehr Hoffnung zu finden.

Dr. med. Barbara Jaeger, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen

Weiterführende Quellen finden Sie am Ende dieser Seite unter „Artikel herunterladen“ in der PDF-Version dieses Artikels.

„Der Klimawandel ist laut WHO eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit. “