VNR: 2760602021150540008

Prof. Dr. med. Norbert Runkel, Prof. Dr. med. Thomas Horbach

Abstrakt

Adipositas ist eine chronische Erkrankung und bedarf folglich auch nach einer bariatrischen Operation einer strukturierten lebenslangen Nachsorge, in der der Hausarzt Mitverantwortung übernehmen muss. Die Inhalte der Nachsorge sind die Kontrolle der Gewichtsentwicklung, Anpassung der Medikation bei Begleiterkrankungen, Lebensstilumstellung, Kontrolle der Supplementation, Laborkontrollen, Screening psychischer Erkrankungen, Erkennen von Komplikationen, Fehlernährung, Mikronährstoffmangel und Aufklärung zur Vermeidung einer Schwangerschaft in den ersten zwei postoperativen Jahren. Dieser Übersichtsartikel beschreibt die für die Nachsorge wichtigsten postbariatrischen Folgen.

Einleitung

Mittlerweile nimmt Deutschland einen internationalen Spitzenplatz bei der Inzidenz der Adipositas ein. 16 Millionen deutsche Erwachsene weisen einen BMI > 30 kg/m2 auf, die Anzahl der Menschen mit einem BMI > 40 hat sich in den letzten 10 Jahren um 110 % erhöht. Weltweit steigen die Zahlen für bariatrische Operationen, aber diese sind hierzulande mit etwa 10,5/100.000 Erwachsene vergleichsweise gering, z. B. haben unsere Nachbarländer Schweiz und Frankreich vielfach höhere Operationsfrequenzen von 51,9 und 86,0 [1]. Diese Zahlen stammen zwar noch aus dem Jahr 2016, aber das Missverhältnis ist geblieben. Der Grund für die medizinische Unterversorgung hierzulande ist das unverändert restriktive Kostenübernahmeverhalten der Krankenkassen.

Die bariatrische Chirurgie ist die effektivste Therapie des starken Übergewichts. Der bessere Begriff „Adipositaschirurgie“ zielt auf einen ganzheitlichen Behandlungsansatz ab: nachhaltige substanzielle Gewichtsreduktion mit Remission von Folgeerkrankungen und Besserung der allgemeinen und psychosozialen Lebensqualität. Der Anteil an operierten Patienten mit Sekundärerkrankungen, allen voran Typ II Diabetes mellitus und Hypomobilität, ist in Deutschland mit über 80 % erschreckend hoch. Als „metabolische Chirurgie“ wird die Adipositaschirurgie dann bezeichnet, wenn die Behandlung der Sekundärmorbidität im Vordergrund steht. Obwohl die metabolische Chirurgie evidenzbasiert ist und von der aktuellen S3-Leitlinie aus dem Jahr 2018 [2] ausdrücklich empfohlen wird, hat sie sich bei Diabetologen noch nicht ausreichend durchgesetzt und wird von den Gutachtern der Krankenkassen nicht ohne Prüfung anerkannt.

Weil Deutschland bei den Strukturen für die Adipositasmedizin und den Operationszahlen deutlich zurücksteht, sind die Erfahrungen und Kenntnisse auf wenige hochspezialisierte Zentren beschränkt (derzeit 87 DGAV-zertifiziert) und leider nicht flächendeckend vorhanden. Das Ziel muss unserer Ansicht nach die Langzeit-Betreuung der operierten Patienten in der Verantwortung der Hausärzte sein und eben nicht exklusive Aufgabe der Adipositaszentren, die weder die Ressourcen noch flächendeckend die Ermächtigungen für Sprechstunden haben. Der Übersichtsartikel soll dazu beitragen, die medizinische Kompetenz bei der Nachsorge auf eine breitere Basis zu stellen. Thematisiert werden die wichtigsten Langzeitfolgen nach bariatrischen Eingriffen (Tab. 1,2).

Tab. 1: Übersicht über die wichtigsten erwünschten und unerwünschten allgemeinen Folgen bariatrischer Chirurgie

Parameter

Therapieziel

Nebenerscheinungen, Komplikationen

Konsequenzen

Körpergewicht

Im Mittel 60–80 % Reduktion des Übergewichts

Inadäquater Gewichtsverlust oder Gewichtswiederanstieg

Ursachenabklärung und gezielte Intervention, ggf. revisionale baria­trische Chirurgie

Körperbild

Drastische Verschlankung

Überschüssige Haut/Unterhaut, Ptosis cutis, Cutis laxa

Postbariatrische plastische Wiederherstellungsoperation

Gastroösophagealer Reflux

Verbesserung, Normalisierung insbesondere nach RYGB

De novo Reflux insbesondere nach Schlauchmagenanlage

Gastroskopische Nachuntersuchungen, Medikation, revisionale Chirurgie mit Umwandlung in RYGB

Darmgeschwür

Prävention durch extendierte postoperative PPI-Prophylaxe

Spätes Säureulcus

PPI-Therapie,

Magen-Pouch-Verkleinerung

Thrombembolie

Verringerung des Langzeit- Risikos

Frühpostoperative Risiko­erhöhung

Extendierte gewichtsadaptierte Prophylaxe, Frühmobilisation

Psychische Folgen

Verbesserung der psycho­sozialen Lebensqualität

Rezidiv der präexistenten Störungen, krisenhafte Lebensveränderungen

Screening, Weiterbetreuung durch „mental health professional“

Tab. 2: Übersicht über die wichtigsten erwünschten und unerwünschten metabolischen Folgen bariatrischer Chirurgie

Parameter

Therapieziel

Nebenerscheinungen, Komplikationen

Konsequenzen

Ernährungsstatus

Verminderte Aufnahme von Makronährstoffen

Mangel an Mikronährstoffen

Supplementation, Regelmäßige Laborkontrolle

Steatosis hepatis

Regeneration

Nach malabsorptiven Operationen selten Verschlechterung der Leberfunktion

Rascher operativer Rückbau

Hypertonie

Verbesserung, Normalisierung

Hypotonie unter Medikation

Anpassung der Medikation

Glukosestoffwechsel

Teil-, Vollremission des Diabetes melitus

Diabetes-Rezidiv bei mehr als 20 % der Patienten mit initialer Vollremission

Dumping nach proximalem RYGB

Diabetiker: Regelmäßige Eigen- und Laborkontrolle

Dumping: Diagnostik in Kooperation Diabetologie

Behandlung im erfahrenen Adipositaszentrum

Fettstoffwechsel

Verbesserung, Normalisierung

Rezidiv

Laborkontrollen

Harnsäure-Stoffwechsel

Langzeit-Normalisierung

In der frühen Abnehmphase Hyperurikämie

Laborkontrollen

Gallensteine

Vermeidung

De novo Cholecystolithiasis in der Abnehmphase

Prävention mittels Ursodesoxycholsäure für ca. 6 Monate,

Cholecystektomie bei Steinnachweis nach Magenbypass

Körpergewicht

Studien wie „Look AHEAD“ zeigten, dass Gewichtsverlust und Blutzuckerkontrolle selbst bei intensiven Lebensstilinterventionen langfristig nur schwer aufrechtzuerhalten sind [3]. Somit ist die bariatrische Chirurgie die derzeit wirksamste Methode zur Gewichtskontrolle. Das Minimalziel der Operation, nämlich die Halbierung des Übergewichts bzw. ein Gesamt-gewichtsverlust von mehr als 20 % wird von den allermeisten Patienten erreicht. Der Übergewichtsverlust beträgt bei großer Standardabweichung im Mittel etwa 60–70 %, wobei die Vorhersage im Einzelfall wegen fehlender Prognosefaktoren kaum möglich ist. Malabsorptive Operationen (z. B. Magenbypass) sind langfristig wirksamer als restriktive (z. B. Schlauchmagen), die typischerweise mit einem gewissen Gewichtswiederanstieg nach einigen Jahren behaftet sind. Die Gewichtsabnahme ist eine exponentielle und muss deshalb in den ersten postoperativen Monaten sehr dynamisch sein; das Plateau wird nach 1–2 Jahren erreicht. Bei 20–40 % der operierten Patienten persistiert oder rezidiviert die Adipositas. Erkennbare Ursachen wie z. B. Diätfehler oder Schlauchmagendilatation können gezielt korrigiert werden. Die Ausweitung der malabsorptiven Komponente sollte erfahrenen Zentren vorbehalten sein.

Äußeres Erscheinungsbild

Die massive Gewichtsabnahme führt unweigerlich zu Hautüberschüssen insbesondere an Bauch, Hüfte, Oberschenkeln und Oberarmen sowie Mammae. Dann keimt bei einem Drittel der Patienten der Wunsch nach Körperrekonstruktion auf, was bei einem Großteil der Fälle wegen Funktionsstörungen medizinisch und psychosozial gerechtfertigt erscheint [4]. Postbariatrische Wiederherstellungsoperationen sind häufig komplexe Mehrschritt-Operationen, die von hochspezialisierten plastischen Chirurgen mit guten Ergebnissen durchgeführt werden. Der beste Zeitpunkt dafür ist bei Gewichtsstabilisierung ab 18 Monate nach der bariatrischen Operation. Für eine optimale Wundheilung ist u. a. die Nikotinabstinenz wichtig.

Mikronährstoffe

Ernährungsdefizite sind die häufigsten Langzeitkomplikationen. Mikronährstoffe, die bevorzugt und aktiv im proximalen Dünndarm absorbiert werden oder einen intakten Magen oder Pankreasfermente und Gallensäuren für die Absorption benötigen, sind in erster Linie mangelgefährdet. Weitere Einflussfaktoren sind präexistente Defizite, eine reduzierte Nahrungsaufnahme, eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, Übelkeit/Erbrechen und eine Nichteinhaltung der Supplementationsempfehlungen bzw. die Verwendung ungeeigneter Präparate oder Applikationswege. Die häufigsten Ernährungsdefizite betreffen Folsäure, Eisen, Vitamin B12, Kalzium, Vitamin D und Zink. Die Knochendemineralisation kann eine direkte Folge der geringeren mechanischen Belastung nach Gewichtsabnahme sein; Kalzium- und Vitamin-D-Mangel und ein sekundärer Hyperparathyreoidismus erhöhen das Frakturrisiko [5].

Klinisch relevante Mangelzustände sollen durch eine dauerhafte Supplementation verhindert werden. Die S3-Leitlinie empfiehlt für Patienten nach Schlauchmagen-Operation oder proximalem Magenbypass neben einem Multivitamin-Mineralstoff-Präparat (2x 100 % RDA) Magnesium als Zitrat 200 mg/d, Kalzium als Zitrat 1.200–1.500 mg/d, Vitamin D 3.000 IU/d und Vitamin B12 oral: 1.000 µg/d oder i.m.: 1.000–3.000 µg/d alle 3 bis 6 Monate [2].

Nach allen adipositaschirurgischen/metabolischen Eingriffen empfiehlt die S3-Leitlinie zu folgenden Zeitpunkten eine Nachsorgeuntersuchung: nach 1, 3, 6, 12, 18, 24 Monaten und dann jährlich. Laborkontrollen sollen nach 6 und 12 Monaten erfolgen, dann jährlich, und folgende Parameter enthalten:

  • Kleines Blutbild und Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte, Blutzucker und HbA1c (nur bei Diabetikern), Vitamine B1, B12, Albumin, Kalzium, Folsäure, Ferritin
  • Bei allen Bypassverfahren: 25(OH) D3, Parathormon, Vitamin A
  • Bei distalen Bypässen: Zink, Kupfer, Selen, Magnesium

Glukosestoffwechsel

Die Effekte der Chirurgie auf die Insulinresistenz resultieren nicht nur aus der postoperativen Nahrungsrestriktion und konsekutiver Gewichtsabnahme, sondern darüber hinaus auch aus intrinsischen – neurohormonellen – Wirkungsmechanismen der unterschiedlichen Operationsverfahren selbst, was schon wenige Tage nach der Operation zu beeindruckenden Verbesserungen des Glukosestoffwechsels führt. Auch wenn der Diabetes bei mehr als 20 % der Patienten mit initialer kompletter Remission rezidiviert, kann eine dauerhafte komplette Diabetesremission bei über 50 % der Patienten erreicht werden [6]. Dadurch sinkt das Risiko für mikro- und makrovaskuläre Komplikationen. Dieser protektive Effekt ist umso größer, je früher die Operation im Krankheitsverlauf erfolgt. Vorbestehende mikrovaskuläre Schäden, insbesondere die diabetische Nephropathie, können bei drei von vier Fällen gebessert oder sogar in Remission gebracht werden – unabhängig vom initialem BMI [7]. Die Häufigkeit makrovaskulärer Ereignisse wie der Myokardinfarkt, der die Todesursache bei jedem 2. Diabetiker ist, wird durch die Operation halbiert [8]. Die Gesamtmortalität 10 Jahre nach adipositaschirurgischer Operation wurde in einer matched-pair-Analyse um 10,1 % (13,8 % vs. 23,9 %) reduziert [9] und in der berühmten schwedischen SOS-Studie mit weniger kranken Probanden nach 11 Jahren um 1,3 % (5 % vs. 6,3 %) [10].

Dumping

Das Dumping-Syndrom tritt typischerweise nach dem klassischen RYGB auf, wenn die Nahrung bolusartig in den Dünndarm rutscht. Vasovagale Kreislaufreaktionen führen zum Frühdumping, während das Spätdumping 1–3 Stunden nach der Nahrungsaufnahme als Unterzuckerung imponiert. Der überschnellen Magenentleerung und Glukoseresorption im Darm wird mit einer supranormalen Insulinausschüttung begegnet. Da Glukose schneller absorbiert wird als die Insulin-Halbwertszeit ist, führen hohe Insulinspiegel zur reaktiven Hypoglykämie. Die Diagnose wird mittels oraler Glukose-Toleranztests oder besser mit kontinuierlicher Blutglukosemessung (CGM) bestätigt. Die Erstbehandlung besteht aus Ernährungsumstellung: kleine Portionen, kohlenhydratarme, faser- und proteinreiche Kost und strikte Trennung von Flüssigem und Festem. Im zweiten Schritt kommen Acarbose und Liraglutid gegen die Hypoglykämie sowie Anticholinergika und Somatostatin zur Verzögerung der Magenentleerung zum Einsatz. Als interventionelle Verfahren kommen endoskopische und operative Techniken zum Einsatz, die den Magenausgang einengen, das Reservoirvolumen verringern und die gastrojejunale Passage deutlich verzögern [11].

Hyperurikämie

Gichtanfälle können – unabhängig vom Operationsverfahren – in der Phase des exponentiellen Gewichtsverlusts häufiger auftreten, insbesondere bei Patienten mit vorbestehender Erkrankung. Proteinreiche Diäten, Katabolismus und Dehydration tragen zur anfänglichen Zunahme bei, aber langfristig normalisiert sich die Hyperurikämie. Entsprechend sollte Allopurinol frühestens nach 6 Monaten und unter Überwachung der Harnsäurespiegel abgesetzt werden.

Leberschädigung

Postoperative Leberschäden treten im Rahmen einer Mangelernährung auf. Im Labor ist die Hypoalbuminämie ein Alarmzeichen. Das Ernährungsdefizit muss rasch behoben werden, wobei eine parenterale Substitution nur eine Akuthilfe darstellt, um ein drohendes Leberversagen zu verhindern. Die in der Literatur beschriebenen Einzelfälle von Lebertransplantation wegen Leberversagen traten fast ausschließlich nach dem heutzutage obsoleten jejunoilealen Bypass und der nur noch selten durchgeführten biliopankreatischen Diversion auf. Die effektivste Therapie der chronischen Hepatopathie nach bariatrischer Operation ist die operative Rückwandlung der Bypass-Situation. Viel häufiger als die post-bariatrische ist die Adipositas-assoziierte Hepatopathie, die sich von der einfachen Fettleber (NAFLD) über die Steatohepatitis (NASH) bis hin zu Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom entwickelt. Die bariatrische Chirurgie erreicht eine vollständige Rückbildung der NASH in etwa 85 % der Fälle und selbst im Stadium der Fibrose ist die Remissionsrate noch über 60 % [12]. Dadurch wird das primäre Leberkarzinom-Risiko deutlich verringert [13]. Die dekompensierte Fettleber spielt eine zunehmende Rolle bei der Indikation für eine Lebertransplantation [14].

Die bariatrische Chirurgie vor Transplantation wird nur bei kompensierter Zirrhose und fehlender portaler Hypertension empfohlen, und zwar mindestens ein Jahr zuvor, um ein stabiles reduziertes Gewicht und Verbesserung der adipositas-assoziierten Komorbiditäten zu erreichen. Transplantationskandidaten sind aber üblicherweise zu dekompensiert, um sich sicher einer bariatrischen Operation zu unterziehen, die endoskopische Implantation eines Magenballons kann hier als erster Schritt einer Stufentherapie sehr effektiv eingesetzt werden. Nach 6–12 Monaten kann als zweiter Schritt die Schlauchmagen-Operation erfolgen. Diese scheint bei diesen Patienten die bestmögliche Technik zu sein, da sie ein geringeres perioperatives Risiko und ein geringeres Risiko einer Verschlechterung des Ernährungszustands aufweist, den endoskopischen Zugang zu den Gallenwegen erhält, die Pharmakokinetik der Immunsuppression nicht beeinträchtigt und einen Sperr-Operationseffekt bei Varizen hat.

Reflux

Adipositas per se ist ein starker Risikofaktor für Hiatushernie und gastroösophagealen Reflux. Der Schlauchmagen wird wegen der langfristigen Prävalenz von etwa 50 % als ein refluxives Verfahren betrachtet. Die postoperative Erfordernis einer Medikation mit Protonenpumpenblockern ist wegen sauren Refluxes sehr häufig. Wegen der kürzlich beschriebenen Häufung von Barrett-Läsionen wird neuerdings die gastroskopische Kontrolle im 2-Jahresabstand empfohlen. Bei persistierendem Reflux und Hiatushernie kann nach einer erfolgreichen Gewichtsreduktion bei BMI < 35 die Rekonstruktion des unteren Ösophagussphinkters erwogen werden. Der RYGB ist mit einer < 5 % GERD-Inzidenz behaftet und gilt als Umwandlungsoperation der Wahl nach dem Schlauchmagen. Barrett-Läsionen sind bisher nach RYGB noch nicht beschrieben worden. Der RYGB ist das bariatrische Operationsverfahren der ersten Wahl bei präexistenter Hiatushernie, GERD und Barrett. Einige Kollegen propagieren den RYGB als effektivste Antirefluxoperation bei adipösen Patienten mit potentiell kurativem Effekt auf die Barrett-Schleimhaut [15]. Beim Ein-Anastomosen-Magenbypass ist der gallige Reflux in den distalen Magen regelhaft und für die Magenschleimhaut meist unproblematisch. Bei Inkompetenz des unteren Ösophagussphinkters kann es aber zu therapierefraktärem galligem Reflux in die Speiseröhre kommen, der die Umwandlung in einen RYGB erzwingt (Häufigkeit < 10 %).

Ulcus

Ulzerationen treten in der Magenbypasschirurgie bei bis zu 10 % der Patienten auf und machen sich durch Oberbauchschmerzen bemerkbar. Der führende Risikofaktor ist Nikotingebrauch. Sie sind meist säurebedingt und treten nicht im Magen, sondern immer dünndarmseitig hinter der gastrojejunalen Anastomose auf [16]. Zum Schutz werden deshalb PPI bis 6 Monate nach dem Eingriff prophylaktisch verordnet. Ulcera sprechen oft gut auf PPI an und verlangen nur selten eine Operation, elektiv als Magen-Pouch-Verkleinerung zur Reduktion der Belegzellmasse oder notfallmäßig zum Verschluss eines perforierten Geschwürs.

Nicht-steroidale entzündungshemmende Medikamente tragen ein erhöhtes Ulcusrisiko und sollten langfristig vermieden werden. Ist die Einnahme z.B. bei chronischer Arthrose unumgänglich, sollte bei der Verfahrenswahl dem Magenschlauchmagen der Vorzug gegeben werden.

Thromboembolie

Die Lungenembolie ist, wenn auch sehr selten, die häufigste Todesursache nach Entlassung aus der stationären Behandlung. Die Inzidenz liegt im amerikanischen Register (Bariatric Outcomes Longitudonal Database BOLD) unter 0,2% und die der tiefen Beinvenenthrombose bei 0,2% (17). Die wichtigsten Risikofaktoren für eine tiefe Venenthrombose sind eine positive Vorgeschichte (OR 6.2) und Bluttransfusionen (OR 4.2). Leider gibt es keinen Evidenz-basierten Standard der Thromboseprophylaxe, da die Zulassungsstudien nicht bei Patienten mit BMI > 40 durchgeführt wurden. Die beste Erfahrung liegt zum Enoxaparin vor, das gewichtsadaptiert verordnet wird, z.B. 2 × 40 mg/Tag bei <150kg und 2x60 mg/Tag bei > 150 kg. Allgemein wird eine über den stationären Aufenthalt extendierte Prophylaxe über 1–4 Wochen empfohlen.

Messungen des aFXa-Spiegels zeigen aber, dass der therapeutische Zielwert von 0.2 to 0.4 U/m nur bei etwa 60% der Fälle mit diesem Regime erreicht wird [18]. Konsequenterweise müsste die aFXa-Messung in die klinische Routine übernommen werden, um den tatsächlichen prophylaktischen Thromboprophylaxe-Status bei Patienten mit Adipositas zu definieren, insbesondere bei Patienten mit einem Gewicht über 150 kg.

Pharmakokinetik

Auf der Grundlage des derzeitigen Verständnisses ist die Vorhersage der pharmakokinetischen Veränderung für ein bestimmtes Medikament nach RYGB eine Herausforderung. Eine genaue Überwachung der Wirkung jedes einzelnen Medikaments wird daher in der frühen postoperativen Phase empfohlen. Dosisanpassungen von Psychopharmaka müssen gegebenenfalls durchgeführt werden [2].

Psychische Aspekte

Zwischen Adipositas und Depression besteht ein bidirektionaler Zusammenhang. Es besteht gewisse Evidenz, dass die bariatrische Chirurgie Angst und depressive Symptome verringert und deshalb als therapeutische Intervention von affektiven Störungen betrachtet werden kann [19].

Es gibt aber Hinweise auf eine langfristige Erosion der Verbesserung des Depressionsniveaus und auf eine Wiederangleichung der psychosozialen Lebensqualität nach 10 Jahren an die der nicht-behandelten Kontrollen [20, 21]. Die postoperative Depression wird mit einem geringeren Gewichtsverlust, einer gleichzeitigen Psychopathologie und einer verminderten Lebensqualität in Verbindung gebracht.

Es gibt Hinweise auf einen erhöhten Alkoholkonsum nach der Operation. Vor allem nach Magenbypass wird Alkohol schneller resorbiert, es werden höhere maximale Alkoholkonzentrationen erreicht und die Eliminationszeit ist verlängert. Die postoperative Suizidrate betrug in einer umfangreichen Literaturanalyse 2,7/1.000 und lag damit 3,8fach höher als in der gematchten Kontrollgruppe [22]. Auch Essstörungen nehmen kurzfristig nach adipositaschirurgischen oder metabolischen Operation ab und scheinen im Verlauf wieder zuzunehmen [23]. Daraus ergibt sich die klinische Konsequenz der postoperativen Begleitung und Intervention durch „Mental Health Professionals“ bei Patienten mit präexistenten und de novo depressiven Symptomen. Im Rahmen der Nachsorge nach dem Eingriff muß die Frage nach dem Vorliegen einer psychischen Komorbidität ebenso wie präoperativ noch einmal gezielt evaluiert werden.

Letalität

Die postoperative Letalität betrug in einer Metaanalyse von 38 RCTs mit 4.030 Patienten im Mittel 0,18 % [24]. Zur Berechnung der Langzeitprognose standen in dieser Metaanalyse 8 Studien zur Verfügung. Die Gesamtletalität wurde durch die Operation um 41 % signifikant gesenkt. Die Wahrscheinlichkeiten, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs zu sterben, wurden mehr als halbiert.

Schwangerschaft

Der Gewichtsverlust nach bariatrischer Chirurgie verbessert die weibliche und männliche Fruchtbarkeit. Frauen in der gebärfähigen Altersgruppe benötigen so lange eine sichere Kontrazeption, bis sich ihr Gewicht stabilisiert hat (mindestens 12 Monate). Die Schwangerschaft sollte ernährungsmedizinisch intensiv begleitet werden, wobei der Energiebedarf individualisiert angepasst wird [25]. Das Ziel ist eine Proteinzufuhr von mindestens 60 g/Tag. Bei Glukosestoffwechselstörungen sollten schnell absorbierbare Kohlenhydrate vermieden werden. Die Supplementation wird anhand von Laborwerten justiert. In jedem Trimenon sollten u. a. folgende Serumwerte überprüft werden: Blutbild, Nieren- und Leberwerte, Ferritin, Transferrin, Folsäure, Vitamin B12, Vitamin A, Vitamin K1, Prothrombin-Zeit, INR, Protein und Albumin, Vitamin D, Kalzium, Phosphat, Magnesium, PTH. Die bariatrische Chirurgie reduziert die Raten von Schwangerschaftsdiabetes (Odds Ratio 0,20), Makrosomie (Odds Ratio 0,31), Hypertonie (Odds Ratio, 0,38), postpartaler Blutung (Odds Ratio, 0,32) und Kaiserschnitt-Entbindungen (Odds Ratio 0,50), erhöht aber die Rate an Mikrosomie (Odds Ratio 2,16), intrauteriner Wachstumsretardierung (Odds Ratio 2,16) und Frühgeburten (Odds Ratio 1,35). Es gibt aber keine Unterschiede bzgl. Präeklampsie, Intensivstationserfordernis, Totgeburten und Fehlbildungen [26].

Cholecystolithiasis

Bis zu einem Drittel der Patienten entwickelt in Abhängigkeit vom Gewichtsverlust im ersten postoperativen Jahr Gallensteine [27]. Die prophylaktische Einnahme von Ursodesoxycholsäure über 6 Monate konnte in einer RCT die Inzidenz von 22 % auf 6,5 % verringern [28]. Prinzipiell gelten auch im bariatrischen Krankengut die Leitlinien-Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Gallensteinen [29]. Da sich bis zu 10 % aller bariatrisch operierten Patienten im Verlauf einer Cholezystektomie unterziehen und nach Magenbypässen ein transoraler endoskopischer Zugang zu den Gallenwegen nicht mehr möglich ist, so dass die Choledocholithaisis nicht interventionell, sondern operativ therapiert werden muss, leitet sich das Konzept der prophylaktischen Cholezystektomie auch bei asymptomatischen Steinträgern ab. Diese ist fast ausnahmslos laparoskopisch – ggf. im Rahmen der bariatrischen Operation – möglich. Bis zu 10 % aller Patienten unterziehen sich im Verlauf einer Cholezystektomie. Nach Magenbypässen ist ein transoraler endoskopischer Zugang zu den Gallenwegen nicht mehr möglich, so dass die Choledocholithaisis nicht interventionell, sondern operativ therapiert werden muss. Daraus leitet sich das Konzept der prophylaktischen Cholezystektomie auch bei asymptomatischen Steinträgern nach Magenbypass ab.

Fazit für die Praxis

Wegen der zunehmenden Zahl adipositas-chirurgischer Patienten werden auch Nicht-Spezialisten mit den Folgen konfrontiert. Dazu gehören die positiven Effekte auf Körpergewicht und adipositas-assoziierte Erkrankungen ebenso wie Komplikationen und Mangelerscheinungen. Verbesserte Kenntnisse, eine standardisierte Nachsorge und eine intensive Kooperation zwischen Adipositaszentrum und hausärztlicher Praxis helfen, die Versorgungsqualität in Deutschland zu optimieren. Die Einführung spezifischer EBM-Nachsorgekomplexe oder eines Disease-Management-Programms könnte diesen Prozess unterstützen.

Abkürzungsverzeichnis

BMI

Body Mass Index

BOLD

Bariatric Outcomes Longitudinal Database

GERD

Gastroesophageal Reflux Disease

NAFLD

Non-alcoholic Fatty Liver Disease

NASH

Nicht alkoholische Steatosis hepatis

RDA

Recommended Daily Allowance

RYGB

Roux-Y-Gastric Bypass

Multiple Choice-Fragen

Die Multiple Choice-Fragen zu dem Artikel „Folgen der bariatrischen Chirurgie“ von Prof. Dr. med. Norbert Runkel und Prof. Dr. med. Thomas Horbach finden Sie nachfolgend abgedruckt und im Mitglieder-Portal der Landesärztekammer Hessen (https://portal.laekh.de) sowie am Ende dieser Seite unter „Artikel herunterladen“ in der PDF-Version dieses Artikels. Die Teilnahme zur Erlangung von Fortbildungspunkten ist ausschließlich online über das Mitglieder-Portal vom 25. Mai 2021 bis 24. November 2021 möglich. Die Fortbildung ist mit zwei Punkten zertifiziert. Mit Absenden des Fragebogens bestätigen Sie, dass Sie dieses CME-Modul nicht bereits an anderer Stelle absolviert haben.

Dieser Artikel hat ein Peer-Review- Verfahren durchlaufen. Nach Angaben der Autoren sind die Inhalte des Artikels produkt- und/oder dienstleistungsneutral, es bestehen keine Interessenkonflikte.

Prof. Dr. med. Norbert Runkel

Prof. Dr. med. Thomas Horbach, ehem. Chefarzt der Klinik für Adipositaschirurgie und metabolische Chirurgie, Sana-Klinikum Offenbach, Starkenburgring 66, 63069 Offenbach am Main

Die Literaturhinweise finden Sie am Ende dieser Seite unter „Artikel herunterladen“ in der PDF-Version dieses Artikels.