Der Ratgeber für Betroffene und Angehörige. Herder, Freiburg 2020, Klappenbroschur, 224 S., 20 €, auch als E-Book, ISBN: 9783451600401

Der „Ratgeber für Betroffene und Angehörige“ bietet dem Leser „genaue Informationen zu dem Lernprozess, den man durchlaufen muss, wenn man eine depressive Erkrankung bewältigen möchte.“ Die Autoren (Psychiater und Psychologische Psychotherapeutin) beschreiben mit eindrücklichen Fallbeispielen Kriterien, die eine Depression zur Krankheit machen, und depressive Mechanismen, die im Alltag helfen, mit Herausforderungen sinnvoll umzugehen. „Eine Depression kann jedoch tatsächlich helfen zu erkennen, dass Bemühungen in einer bestimmten Situation, ein Ziel zu verfolgen, nicht mehr sinnvoll sind“ (S. 29).

Das Buch ist konsequent verhaltenstherapeutisch orientiert und gibt Betroffenen wie Angehörigen Werkzeuge in die Hand, Depressionen als Notfall zu erkennen. Es führt in „die vielen Gesichter von Depression ein“, erläutert Diagnosekriterien und die Beurteilung des Schweregrades einer Depression sowie psychotherapeutische und medikamentöse Therapiemöglichkeiten. Ganz verhaltenstherapeutisch gehen die Autoren auf psychologische Faktoren ein, welche die Aufrechterhaltung von Depression begünstigen. Sie beschreiben hier anhand von Fallbeispielen „Verstärkerverlust“, „Defizite in der Emotionsregulation“ sowie „Problematische metakognitive Strategien“.

Ein großer Abschnitt befasst sich mit dem „Kontext von Depressionen“ und geht hier auf multiple auslösende Faktoren ein, von „chronischem Stress“ über „Liebeskummer“ bis zur Postpartum Depression. Die Autoren bringen auch hierzu eindrückliche Beispiele. In einem letzten Abschnitt werden therapeutische Wirkprinzipien bei Depression in ihrer ganzen Breite vorgestellt: Von Bewegungstherapie über psychotherapeutische Interventionen bis hin zu aktuellen medizinischen Maßnahmen. Abschließend fassen die Autoren ihre Überzeugung mit folgenden Worten zusammen: „Sie haben bei der Lektüre vermutlich bemerkt, dass Depressionsbehandlung ein Bereich der Medizin und der Psychologie ist, der sich in deutlicher Bewegung befindet. Die wichtigste Idee der letzten 20 Jahre ist dabei sicherlich, dass psychologische Fertigkeitsdefizite eine wesentliche Rolle in der Entstehung und Aufrechterhaltung von Depression spielen können. Fertigkeiten lassen sich erwerben und üben, auch wenn das manchmal sehr schwer ist. Das ist ein wesentlicher Faktor für Hoffnung und tatsächlich lässt sich Depression durch Einsatz dieser Wirkprinzipien häufig erfolgreich behandeln“ (S. 217). In diesem Sinne kann das Buch für Betroffene und Angehörige hilfreich sein. Sie können Anregungen erhalten, selbst aktiv zu werden und an einer Verbesserung ihrer Symptome zu arbeiten. Da Depression ein sehr vielfältiges Syndrom ist, sollten behandelnde Ärztinnen und Ärzte sorgsam prüfen, ob dieser Ansatz für ihre Patienten individuell auch wirklich geeignet ist.

Dr. med. Peter Zürner