Welchen Beitrag können Ärztinnen und Ärzte zum Klimaschutz leisten, um den Gesundheitsschutz zu wahren und zu fördern?

Die Hitzewellen, die Überflutungen, die Übersterblichkeit durch Luftverschmutzung: Der Klimawandel und seine Folgen sind nicht nur längst in ganz Deutschland angekommen, auch auf den diesjährigen Ärztlichen Kongressen und Veranstaltungen sowie auf dem Deutschen Ärztetag sieht sich die gesamte Ärzteschaft aufgefordert, sich ihm zu stellen und kurativ, aber vor allem präventiv zu handeln. Auf dem Hauptstadtkongress im Juni 2021 stellte der Präsident der Berliner Ärztekammer, Peter Bobbert, fest, dass „der Klimawandel eine ureigene ärztliche Aufgabe“ sei und fragte: „Was können wir als Ärzteschaft tun?“ [1, 2].

Der Klimawandel gefährdet die Gesundheit

Zuerst die Diagnose, dann die Therapie und die Prognose. Das gilt auch für die Klimafolgen. Gerade Ärztinnen und Ärzte seien „Spezialistinnen und Spezialisten für die Bewältigung komplexer Situationen“ [3], sie hätten eine „Führungsrolle bei der Bewältigung der ökologischen Krise“ [3]. Die Diagnose Klimakrise ist ernst und längstens bekannt: Der IPCC-Bericht 2021 (Intergovernmental Panel on Climate Change, [4]), eine Organisation der UNO, die die weltweite meteorologische, naturwissenschaftliche, technische und sozio-ökonomische Forschung des Klimawandels zusammenfasst, bekräftigt 2021 erneut die Dringlichkeit, einschneidende Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emission durchzuführen. Bereits 2014 hatte der IPCC davor gewarnt, dass das existenzbedrohende Risiko für die Biosphärenintegrität der Erde pro 0,1 °C Erwärmung deutlich zunehme und ab etwa 1,5 °C nicht mehr beherrschbar werde [5].

Was ist gemeint, wenn davon die Rede ist, dass der Klimawandel nicht mehr beherrschbar sei? Kritisch werde es, wenn einer oder mehr der neun Kipppunkte des Klimawandels, ab welchen ein kaskadenartiger, unumkehrbarer Prozess in Gang komme, wie beispielsweise das Abschmelzen des arktischen Eises, die Umkehrung der atlantischen Meeresströmung oder die weitere Reduktion des Amazonasregenwaldes (und anderes mehr) erreicht werde [6].

Zur Diagnose gehört aber auch die Benennung der gestiegenen Morbidität und Mortalität durch den Klimawandel. Es wird geschätzt, dass 2003 die Hitzewelle in Europa 70.000 Tote verursachte und die Luftverschmutzung 2012 403.000 Tote [7]. Zu den wetter- und klimabedingten Gesundheitsrisiken zählen neben Hitze auch die verstärkte UV-Strahlungen und der vermehrte Pollenflug sowie hier bislang nicht heimische Mückenarten, die neuartige Krankheitserreger übertragen [8]. Besonders ältere Menschen sind durch Hitze gefährdet. Bei Hitzeperioden mit über 30 °C nehmen die Klinikeinweisungen von über 65-Jährigen um bis zu 3% zu [3] Anlässlich der nie dagewesenen Hitzewelle von bis zu 50° in der Provinz British Columbia starben diesen Sommer 486 Menschen eines „plötzlichen Todes“ [9]. Frankreich hat als Konsequenz seiner vielen Hitzetode 2003 einen nationalen Hitzeplan mit Ampelsystem und aufsuchender Hilfe für alleinstehende Alte aufgestellt [10]. Ein solcher Hitzeplan existiert in Deutschland nicht. Meteorologen gehen aufgrund der Erderwärmung von einer Zunahme von Starkregenereignissen zulasten der Tage mit geringen Niederschlägen aus. Die Folgen sind Flutkatastrophen wie in diesem Jahr, wobei die über 180 Tote der Sommerflut die Opferzahlen „aller vorangegangenen Binnenüberflutungen in Deutschland seit 1900 zusammengenommen“ übersteigen [11].

Bei der Therapie sind die Wissenschaftler für klare, aber vor allem rasche, einschneidende Maßnahmen, wie eine deutlich höhere, aber sozial ausgewogene CO2-Bepreisung und der vorgezogene Ausstieg aus fossilen Energieträgern [12]. Die politischen Entscheidungsträger sind dagegen eher zögerlich bis hinhaltend und müssen vom Bundesverfassungsgericht (2021, [13]) aufgefordert werden, ihre Versäumnisse in Sachen Klimaschutz zulasten der jungen Generation nachzubessern. Dabei gibt es längst einen wachsenden Fundus an wissenschaftlichen Empfehlungen und das „Bürgergutachten“ des Bürgerrat Klima (2021), das Produkt von 160 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern aus ganz Deutschland, die unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten a. D. Horst Köhler dafür über 50 Stunden in Arbeitsgruppen diskutiert und sich abgestimmt haben. Es weist der Politik Wege, das Klimaziel 1,5° rechtzeitig zu erreichen [14].

Und was können wir Ärztinnen und Ärzte tun?

Da der Gesundheitssektor 5,2 % der klimaschädlichen Emissionen verursacht, ist das Ziel der Initiative „Klimaneutraler Gesundheitssektor 2035“ von KLUG (Klima und Gesundheit), dessen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Allein ein „Krankenhaus verursacht eine Umweltbelastung wie eine komplette Kleinstadt“ sagt Andrea Raida vom Frauenhofinstitut [15]. Auch „KLIKgreen ist eine Nachhaltigkeitsinitiative für 250 Kliniken und Reha-Einrichtungen deutschlandweit. Hierbei hat jede Einrichtung ihre/n eigene/n Klimamanagerin bzw. -manager [15]. Metzger et al. [16] identifizieren folgende Sektoren, bei welchem die Arztpraxen ihre CO2-Bilanz verbessern können:

  1. Energie: Thermostate, bauliche Maßnahmen…
  2. Mobilität: E-/Fahrräder, Job-Ticket, Telemedizin…
  3. Finanzen (Divestment, also Ausstieg der Finanzierung fossiler Energien durch private Krankenkassen und Versorgungswerke…
  4. Material: Abfallreduzierung, gemeinsamer Einkauf und Sterilisation mehrerer Praxen…
  5. Diagnostik und Therapie: Vermeidung von Überversorgung, Medikamentenüberprüfung
  6. Patientenberatung: Folgen von Feinstaub, Hitze, Ernährung… [16]

Darüber hinaus gibt es unzählige kleinere Initiativen, die sich mit einzelnen Aspekten der Emissionsreduzierung im Praxisalltag auseinandersetzen, wie die Initiative „Praxis ohne Plastik“ aus Kiel oder die Initiative „Nachhaltige Praxis“ aus Dresden. Der Hausarzt Dr. med. Ralph Krolewski aus Gummersbach verbindet mit seiner „Klima-Sprechstunde“, die es auch als Podcast gibt, Nachhaltigkeit mit Gesundheitsaufklärung seiner Patientinnen und Patienten [17]. Inzwischen gibt es in zahlreichen Städten Initiativen von Menschen aus dem Gesundheitswesen, die sich für Klima und Gesundheit engagieren, wie den Health for Future, KLUG oder aber bei den Scientists for Future und viele andere mehr. Auf Initiative des Autors ist ein Antrag der Liste Demokratischer Ärztinnen und Ärzte in der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen angenommen worden, wonach sich das Versorgungswerk mit dem Thema noch intensiver auseinandersetzen und in Seminaren die Delegierten über die Nachhaltigkeitsziele informieren wird.

Pierre E. Frevert, niedergelassener Arzt für Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie/Psychoanalyse in Frankfurt/Main, Delegierter der Liste Demokratischer Ärztinnen und Ärzte und Mitbegründer der Health for Future Frankfurt, E-Mail via: haebl@laekh.de

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