Hausarzt Armin Haßdenteufel spricht über seine Covid-19-Erkrankung und warnt vor zu schnellen Lockerungen

Das Interview ist zuerst am 20. Juni 2020 im Groß-Gerauer Echo erschienen. Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der VRM GmbH & Co. KG.

Armin Haßdenteufel, Facharzt für Allgemein- und Sportmedizin sowie Naturheilverfahren mit eigener Praxis in Wolfskehlen (Kreis Groß-Gerau), ist Anfang April selbst an Covid-19 erkrankt. Dreieinhalb Wochen lag er in der Klinik und musste teilweise beatmet werden. Seit Anfang Juni kann er wieder arbeiten; kämpft aber mit Nachwirkungen. Im Interview spricht er über die Erkrankung und den Mangel an Schutzausrüstung, der dieser voranging. Für Menschen, die von einer „kleinen Grippe“ sprechen, hat er kein Verständnis.

Herr Haßdenteufel, wie geht es Ihnen jetzt?

Ich bin einigermaßen leistungsfähig. Die Haupteinschränkung ist noch die Luft. Es ist zwar besser geworden in den vergangen vier Wochen [Anm. d. Redaktion: Stand 20. Juni 2020], aber die Lungenfunktion ist doch noch deutlich eingeschränkt. Ansonsten merke ich schon, wenn ich vier, fünf Stunden gearbeitet habe, dass ich sehr erschöpft bin.

Was war das Hauptleiden?

Ich hatte, bis auf Übergewicht, vorher keine Risikofaktoren und nahm keine Medikamente ein. Das Problem bei einer Erkrankung mit Covid-19 sind ja viele verschiedene Symptome. Ich hatte Herz-Rhythmus-Störungen. Die sind besser, aber noch nicht weg. Ich hatte Nervenstörungen, die sind Gott sei Dank weitgehend verschwunden. Die Nierenstörungen sind weitgehend weg. Gerinnungsprobleme hatte ich und eine Thrombose eine Woche nach der Krankenhausentlassung.

Das heißt, es hat sie voll erwischt – mit allen Symptomen und klinischem Aufenthalt?

Ja, ich war dreieinhalb Wochen in Langen im Krankenhaus, davon zweieinhalb Wochen auf der Intensivstation. Ich musste nicht intubiert werden, sondern hatte eine Maskenbeatmung. Hauptproblem dabei ist, dass man nichts zum Beruhigen bekommt. Man ist stetig wach und muss schon ein bisschen gegen das Gerät atmen. Am Anfang war das 24 Stunden am Tag. Das war schon heftig.

Wie begann das Ganze?

Es fing in der Woche vor den Osterferien an, dass ich mich ein bisschen müde und schlapp gefühlt habe. Ich hatte ein bisschen Kopfweh, ein bisschen Grammeln im Bauch. Ich dachte, das ist wieder so ein Magen-Darm-Infekt. Doch nach dem Wochenende ging es mir zunehmend schlechter. Sodass ich am 9. April zum Testen nach Groß-Gerau gegangen bin. Wobei ich da immer noch nicht der Meinung war, dass ich Covid habe.

Ich hatte keinen Husten, keinen Schnupfen, keine klassischen Erkältungssymptome. Es fiel nur auf, dass ich von der Luft her zunehmend eingeschränkt war.

Das Testergebnis haben wir dann nicht mehr abgewartet. Meine Frau hat gesagt, Du siehst so schlecht aus, wir fahren jetzt nach Langen ins Krankenhaus. Ein Freund ist dort Chef der Radiologie.

Wissen Sie, wie Sie sich angesteckt haben?

Nein. Man hat viel Zeit auf der Intensivstation. Aber ich habe früh entschieden, dass mir das völlig egal ist. Zwei meiner Kinder waren auch erkrankt, mit sehr moderaten Symptomen. Wahrscheinlich ist vom Verlauf her schon, dass ich mich bei einem Patienten in der Praxis angesteckt habe. Aber ich verfolge das nicht. Es ist eher der Ärger über die Leute, die uns ohne Schutz an die Front geschickt haben.

Hatten Sie denn genügend Schutzausrüstung?

Nein. Wir hatten noch einen Restbestand an Masken. Wir hatten ein bisschen Desinfektionsmittel, weil ich vorher etwas bestellt hatte. Wir hatten keine Schutzkittel und keine Hauben. Handschuhe waren da, aber nicht so, dass man damit jeden ausreichend versorgen konnte. Wir haben schnell die Kunststoffabsperrung an der Anmeldung gemacht. Den Desinfektionsmittelspender am Wartezimmer hatte ich schon vorher wegen der Grippesaison bestellt. Ansonsten sind wir sehr allein gelassen worden.

Von wem hatten Sie Unterstützung gewünscht?

Von der Kassenärztlichen Vereinigung, weil die für uns mitverantwortlich ist, und natürlich auch vom Land.

Erlebt man Covid als Arzt anders?

Man hat vielleicht mehr Angst. Weil ich ja weiß, was es heißt, beatmet zu werden und dann wieder entwöhnt werden zu müssen. Man setzt sich damit anders auseinander, weil man genau weiß, was auf einen zukommt.

Es gab ja damals auch keine spezifische Therapie, sondern nur die klassische intensiv-medizinische Behandlung, dass genügend Sauerstoff, Flüssigkeit und Nährstoffe da sind, die Niere funktioniert.

Mittlerweile gibt es viele Menschen, die die Einschränkungen wegen der Pandemie für überzogen halten, von einer „kleinen Grippe“ sprechen und meinen, es sterben nur die Menschen, die wenig später eh gestorben wären.

Aus humanitärer Sicht ist es eine Unverschämtheit, das zu behaupten. Es ist bis heute nicht klar, wen es trifft. Und es trifft eine ganze Menge Menschen, die nicht zur Risikogruppe gehören. Natürlich sind ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankung häufiger betroffen. Die Folgen sind viel gravierender.

Nach einer normalen Lungenentzündung ist alles nach vier Wochen vorbei. Ich habe noch eine massive Vernarbung der Lunge, etwas Herz-Rhythmus-Störungen, weiter Luftnot, obwohl ich trainiere. Das hat ganz andere Dimensionen. Es gibt einfach Menschen, die alles leugnen wollen.

Waren die Beschränkungen am Anfang der Pandemie richtig?

Es war meiner Meinung nach das einzig Richtige, dass wir den Übertragungsweg, über die Luft, über Aerosole, soweit es geht, einschränken. Die Maßnahmen waren absolut richtig.

Wir können momentan sehen, wie schnell es wieder zu deutlichen Ausbrüchen kommt, wenn jemand das gravierend verletzt, wie zum Beispiel in Frankfurt in dieser Kirchengemeinde. Mir ist sogar die jetzige Zurücknahme der Maßnahmen in einigen Bereichen viel zu schnell. Die Menschen sollten verstehen, dass es weiter an ihnen liegt, sich zu schützen.

Ich denke, man sollte die Infektionszahlen genau im Blick behalten. Man sollte den Mut haben, sollte es sich in die falsche Richtung entwickeln, auch wieder Beschränkungen auszurufen. Es kann nicht sein, dass man dann aus Angst um Wählerstimmen oder wegen Unkenrufen, nichts tut. Der Wunsch nach Urlaub ist momentan wichtiger als die Gesundheit.

Zur Person:

Armin Haßdenteufel (54) stammt aus Biebesheim. Er ist verheiratet und hat sechs Kinder. Studium der Humanmedizin von 1986 bis 1992 an der Universität Frankfurt/Main. Danach war er Assistenzarzt an der Uniklinik Mainz und in Kirn (Rheinland-Pfalz). Seit 1. Juli 1998 hat er als Arzt für Allgemeinmedizin eine eigene Praxis in Riedstadt-Wolfskehlen, Kreis Groß-Gerau. Zahlreiche Zusatz- und Weiterbildungen schlossen sich an, unter anderem Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP), Sportmedizin, Chirotherapie, Akupunktur, Naturheilkunde, Notfallmedizin, Kinder- und Sport-Osteopathie. (M. Menrath)

Interview: Marion Menrath