rororo, 224 Seiten, Taschenbuch,  ISBN 9783499632556, € 10

Vorsorgeuntersuchungen nehmen einen immer größeren Teil der Arbeitszeit insbesondere von Fachärztinnen und -ärzten in Anspruch. Bei Kindern etwa ist die Inanspruchnahme von der U4 bis zur U9 in Hessen gesetzlich vorgeschrieben, und die Inhalte werden ständig erweitert. Aber wem nützen diese vielen und immer aufwändigeren Untersuchungen? Ingrid Mühlhäuser ist in der Frage nachgegangen, ob Früherkennung – die ja keine wirkliche Prävention, sondern eben nur früheres Erkennen bereits bestehender Erkrankungen ist, wirklich nutzt oder nicht vielmehr sonst Gesunde in unverantwortlicher Weise beunruhigt, zu Patienten macht und ihnen damit letztlich schadet. Die vorgeburtliche Diagnostik in ihrer oft zweifelhaften Konsequenz ist demnach ebenso auf den Prüfstein zu stellen wie die jährlich empfohlene Früherkennung auf Gebärmutterhalskrebs, das Mammographiescreening oder andere Krebsfrüherkennungsmaßnahmen, etwa Darmspiegelungen oder Prostatauntersuchungen, abgesehen von den vielen Laboruntersuchungen, die immer ein „Wiederholungsrisiko“ in sich bergen und selten wirklich dem Ausschluss von Erkrankung dienen können.

Die Autorin ist Internistin und Professorin für Gesundheitswissenschaften in Hamburg. Sie war von 2015 bis 2017 Vorsitzende des Deutschen Netzwerkes Evidenzbasierter Medizin, das sich auf wissenschaftlicher Basis damit beschäftigt, welche medizinischen Maßnahmen bewiesenermaßen in der Fürsorge für die ganze Bevölkerung sinnvoll sind. Alle ihre Aussagen sind gut belegt und abgesichert. Es ist zu hoffen, dass das preiswerte, eher als Patientenratgeber gedachte Büchlein auf dem Weg zu einer kompetenten informierten Entscheidungsfindung mit dem Recht der Verweigerung, eine allgemeine Verbreitung erfährt. Denn nicht jedes Wissen ist ein Segen, und es muss auch ein Recht auf Nichtwissen geben.

Dr. med. Stephan Heinrich Nolte, Kinder- und Jugendarzt, Psychotherapeut

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Mabuse Verlages.