Beispiel: Entscheidung vom Februar 2020

Im Anschluss an den Beitrag „Bewertungsplattformen – Ein silberner Lichtsteif am dunklen Horizont?“ im HÄBL 02/2020 von Peter Breun-Goerke kann man sich zu dem Thema des Umgangs mit Arztbewertungsportalen im Internet noch mal eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 5. Februar 2020 (Az. 1 U 80/19) genauer anschauen.

Das Gericht kommt in dieser Entscheidung zu dem Ergebnis, dass das pauschale Bestreiten eines Behandlungskontakts eines Arztes oder Zahnarztes ohne substanziierte Auseinandersetzung mit den in seiner Praxis verfassten und teilweise von ihm unterzeichneten Unterlagen sowie den hieraus ersichtlichen Informationen nicht zur Löschung einer Bewertung genügt.

Der Kläger war in diesem Fall ein niedergelassener Zahnarzt und hat von der Beklagten, einer Betreiberin eines Arztbewertungsportals, verlangt, auf dem von ihr betriebenen Portal die Veröffentlichung einer ihn betreffenden Bewertung zu unterlassen. Nach Kenntniserlangung der Bewertung hat der Zahnarzt zunächst bei der Betreiberin des Portals direkt Beschwerde eingereicht. Daraufhin wurde die streitgegenständliche Bewertung vorerst gelöscht, während die Betreiberin des Arztbewertungsportals den Verfasser der Bewertung anschrieb und bezüglich der Beschwerde um Stellungnahme bat. Der Verfasser konnte daraufhin nachweisen, dass es grundsätzlich regelmäßige Arzt- Patienten-Kontakte gegeben habe, auch konnte er eine Rechnung sowie einen Kostenvoranschlag vorlegen. Diese passten auch zu der von ihm in seiner Bewertung geschilderten Behandlung und dem Zeitpunkt, trotz einiger vorhandener Schwärzungen in den Dokumenten, die vom Verfasser vorgenommen wurden. In der Folge kam es dennoch zu Streitigkeiten zwischen der Portalbertreiberin und dem Zahnarzt, ob überhaupt ein Behandlungskontakt vorgelegen habe. Trotz der vom Verfasser vorgelegten Nachweise hat der Zahnarzt weiterhin einen der Bewertung zugrunde liegenden Behandlungskontakt pauschal bestritten, ohne hierbei näher auf die vorgelegten Unterlagen und Schilderungen einzugehen.

Zu den Verpflichtungen der Portalbetreiber in solchen Fällen ist zu sagen, dass nach den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sie zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet sind, die von den Nutzern in das Netz eingestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Die Betreiber sind jedoch für den Inhalt verantwortlich, sobald sie davon in Kenntnis gesetzt werden, dass es sich möglicherweise um eine Rechtsverletzung handelt. Sollte nun ein Hinweis an den Portalbetreiber erfolgen, kann dieser dazu verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Jedoch lässt sich eine behauptete Verletzung von Persönlichkeitsrechten nicht ohne weiteres feststellen. Der Portalbetreiber muss die Beanstandungen und die Bewertung überprüfen, wobei der Prüfungsaufwand jedoch von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Hierbei kommt es dann auf das Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung auf der einen Seite und den Erkenntnismöglichkeiten des Portalbetreibers auf der anderen Seite an. Das heißt für die Praxis gesehen, dass es stets darauf ankommt, wie schwerwiegend die mögliche Rechtsverletzung aufgrund des Beitrags ist und welche Möglichkeiten dem Betreiber eines Arztbewertungsportals überhaupt zur Verfügung stehen, um den Beitrag überprüfen zu können.

Bei dem hier geschilderten vom Oberlandesgericht Brandenburg zu entscheidenden Fall lag ein Werturteil im Vordergrund, das kaum durch einen Wahrheitsbeweis überprüft werden konnte. Dennoch hat der klagende Zahnarzt einen Behandlungskontakt weiterhin pauschal bestritten. Er hat somit den dieser Wertung zugrunde liegenden tatsächlichen Teil der Äußerung schlüssig angegriffen. Eine Überprüfung dieses tatsächlichen Teils ist objektiv möglich. Aus diesem Grund war die Betreiberin des Arztbewertungsportals zur Überprüfung auch verpflichtet – unter Berücksichtigung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten.

Selbstverständlich ergibt sich daraus auch, dass in Fällen, in denen der angegriffenen Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde liegt, regelmäßig die geschützte (Berufs-)Ehre des Bewerteten gegenüber dem geschützten Interesse des Bewertenden an der Äußerung der dargestellten Meinung überwiegt. Das bedeutet, sofern ein Portalbetreiber keine entsprechenden objektivierbaren Nachweise eines Verfassers erhält, wiegt das Interesse des Bewerteten höher und der Beitrag ist vom Portalbetreiber zu löschen.

Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Arzt nicht mehr primär darlegungs- und beweisbelastet ist für das von ihm behauptete Fehlen eines Behandlungskontakts. Vielmehr gelten auch hier die allgemeinen Regeln fort, dass der, der im Zivilprozess etwas behauptet, hierfür zunächst primär darlegungs- und beweisbelastet ist.

Die vorgelegten Unterlagen in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ließen den Schluss zu, dass ein tatsächlicher Behandlungskontakt in dem behaupteten Zeitraum stattgefunden hat. Ein pauschales Bestreiten ohne Auseinandersetzung mit den vorgelegten Nachweisen war deshalb nicht ausreichend, um den Verdacht eines Behandlungskontakts zu widerlegen.

Wenn nun ein fehlender Behandlungskontakt wie im vorliegend geschilderten Fall nicht hinreichend vorgebracht wurde, ist vom Gericht im nächsten Schritt zu prüfen gewesen, ob die streitgegenständliche Meinungsäußerung vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit rechtswidrig war. Hierzu findet stets eine Interessenabwägung statt, wobei alle wesentlichen Umstände und betroffenen Grundrechte zu berücksichtigen sind und eine Gesamtschau zu erstellen ist.

Das Gericht führt in seiner Entscheidung noch grundsätzlich dazu aus, dass Arztbewertungsportale eine von der Rechtsordnung des Bundesgerichtshofs gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllen. Aus diesem Grund dürfe der von den Betreibern von Arztbewertungsportalen zu erbringende Prüfungsaufwand ihren Betrieb weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Portalbetreiber deshalb ernsthaft versuchen, die Berechtigung des Bewertenden zu klären, um sich hierzu die notwendigen Tatsachengrundlagen zu verschaffen. Sodann muss der Portalbetreiber diese Informationen an den betroffenen Arzt weiterleiten, so dass der Arzt den Bewertenden identifizieren kann.

Das heißt nun für die Praxis, dass auch die bewerteten Ärzte einen möglichen Behandlungskontakt nicht pauschal bestreiten können, sofern es bereits Anhaltspunkte gibt, dass es einen Behandlungskontakt gab. Ärztinnen und Ärzte müssen sich mit den Bewertungen auf entsprechenden Internetportalen auseinandersetzen.

Fazit

In der Rechtsprechung zu dem Thema Arztbewertungsportale ist nach wie vor sehr viel Bewegung. Die Portalbetreiber reagieren immer auf die aktuellen gerichtlichen Entscheidungen und verändern die beanstandeten Punkte bzw. bemühen sich, diese umgehen zu können. Nach wie vor gibt es dennoch gute Gründe, sich gegen zu Unrecht abgegebene Bewertungen zu wehren.

Zwar erfüllen Arztbewertungsportale eine von der Rechtsprechung und Rechtsordnung geduldete und auch gesellschaftlich erwünschte Funktion, dennoch sind an die Portalbetreiber gewisse Anforderungen zu stellen. Bewertungsportale, insbesondere Arztbewertungsportale, bergen eine Gefahr für nicht unerhebliche Persönlichkeitsverletzungen. Diese Gefahr wird dadurch noch verstärkt, dass die Bewertungen in rechtlich zulässiger Weise verdeckt abgegeben werden können und so keine Rückverfolgung allein durch den Bewerteten mehr möglich ist.

Zu begrüßen ist es, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sich ein Portalbetreiber nun bei Beanstandungen nicht auf eine rein formale Prüfung zurückziehen darf, sondern es ernsthaft versucht werden muss, die Informationen zu beschaffen, mit denen eine Klärung der Berechtigung der Beanstandung des betroffenen Arztes möglich ist und eine Tatsachengrundlage geschaffen werden kann.

Der hier vorgestellte gerichtliche Beschluss zeigt nochmals besonders, dass ein pauschales Bestreiten eines Arzt-Patienten-Kontakts nicht per se eine Löschung der Bewertung zur Folge haben muss. Es muss stets eine Auseinandersetzung mit den vorgelegten Informationen erfolgen, die dann im Einzelfall zu überprüfen sind. Hierbei haben die Portalbetreiber die Aufgabe, anhand ihrer Erkenntnismöglichkeiten den Sachverhalt aufzuklären.

Petra Faath, LL.M., Rechtsreferentin der Landesärztekammer Hessen, Syndikusrechtsanwältin