Praxisalltag in Corona-Zeiten

„Es ist relativ ruhig bei uns“, beschreibt Barbara Mühlfeld die Lage Anfang April in der kinderärztlichen Gemeinschaftspraxis in der Bad Homburger Innenstadt. Viele Untersuchungen, insbesondere die U-Vorsorgeuntersuchungen, fänden derzeit nicht statt, weil Eltern diese von selbst absagen oder gar nicht erscheinen.

Dennoch haben sie und ihre Kolleginnen und Kollegen die Praxisorganisation auf die aktuelle Situation anpassen müssen. „Infektiöse Kinder behandeln wir zeitlich und räumlich voneinander getrennt, um die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich zu halten.“

Gerne würde Mühlfeld Corona-Testungen vornehmen, um die Zentren in Frankfurt und Umgebung zu entlasten. „Leider fehlt uns dafür die entsprechende Ausrüstung von der Kassenärztlichen Vereinigung und das, was wir an Schutzkleidung haben, reicht gerade so aus, um die Infektionssprechstunde einigermaßen leisten zu können“, berichtet Mühlfeld und ergänzt, dass die Schutzkleidung auch in ihrer Praxis mehrfach genutzt werden müsse.

Die Praxis betreut bislang eine Familie mit bestätigtem Corona-Virus telefonisch sowie eine Familie mit Verdacht darauf. Die Erkrankung sei für Kinder bisher unproblematisch, schwerer wiegen nach Mühlfelds Wahrnehmung die sozialen Einschränkungen wie das Kontaktverbot zu den Großeltern, um diese vor einer Ansteckung zu bewahren.

Um Patienten wie auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, wurden in der Praxis entsprechende Maßnahmen getroffen, etwa Markierungen angebracht, um die Mindestabstände wahren zu können. Auch wurde der Empfangsbereich mit Plexiglas ausgestattet. „Wir sind eine relativ große Praxis und viele Mitarbeiterinnen haben selbst Kinder, die aufgrund von Kita- und Schulschließungen nun zu Hause betreut werden müssen. Daher arbeiten wir gerade in geringerer Besetzung als normal.“ Bisher funktioniere dies gut, wie es in den nächsten Wochen aussehe, müsse sich jedoch erst zeigen.

Auf keinen Fall sollten Familien jetzt allerdings Impf- und Vorsorgetermine bei Säuglingen und kleinen Kindern vernachlässigen. „Es wäre fatal, wenn aus Angst vor einer Ansteckung mit Corona Impfungen gegen Keuchhusten oder Pneumokokken jetzt nicht wahrgenommen würden“, appelliert Mühlfeld. Auch Kinder, die eine dauerhafte Therapie benötigen, kämen weiter in die Praxis. „Wir haben die Beratung über E-Mail, Telefon und auch Videosprechstunde ausgeweitet und die Eltern nehmen das dankbar an: Zum Beispiel bei Hauterkrankungen wird dies bereits häufig genutzt.“

Als große Herausforderungen bewertet Mühlfeld die drastischen Einschränkungen von Familien in ihrer Freiheit. „Bereits Eltern, die gut aufgestellt sind und wo es gut Zuhause läuft, stoßen an ihre Grenzen.“ Nicht umsonst gebe es den Spruch: „Wenn die Wissenschaftler keinen Impfstoff entwickeln, erledigen das die Eltern.“ Was die derzeitige Lage erst für Familien bedeutet, die in irgendeiner Form vorbelastet sind, kann man sich leicht denken“, so Mühlfeld. Es sei kein Geheimnis, dass es in bereits problembehafteten Familien in solchen Zeiten vermehrt zu häuslicher Gewalt komme. Familien sollten sich so früh wie möglich Hilfe holen, wenn sie merken, dass ihnen die Situation über den Kopf wachse. Auch Nachbarn seien hier gefordert. „Für alle Eltern – und insbesondere für diejenigen mit noch sehr kleinen Kindern – ist diese Situation ein absoluter Ausnahmezustand, für die ich den größten Respekt entgegenbringe.“

Als eine sinnvolle zusätzliche Maßnahme, um die Weiterverbreitung von Covid-19 zu reduzieren, sieht Mühlfeld das Tragen eines selbstgenähten Mund-Nasen-Schutzes, wie es derzeit auch von einigen Politikern in der Öffentlichkeit und auch vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte empfohlen wird. „Es gibt voraussichtlich immer mehr symptomlose Träger des Virus und durch das Tragen eines solchen Schutzes kann die Verteilung von Tröpfchen zumindest reduziert werden.“

Maren Grikscheit