Neuentdeckung einer farbigen Antike - „Bunte Götter - Golden Edition“ im Frankfurter Liebighaus

Sie wirken edel, unnahbar und in ihrer Makellosigkeit der irdischen Existenz entrückt: Marmorweiße Skulpturen antiker Gottheiten, die den Betrachter in die Schranken seiner sterblichen Unvollkommenheit zu weisen scheinen. Doch weit gefehlt: Tatsächlich waren die Götter ursprünglich bunt, ihr Hautton der Natur nachempfunden, die Lippen rot und die Augen aus Halbedelsteinen oder Email leuchtend. In unterschiedlichen Farben flossen Gewänder um ihre Körper, goldschimmernder Schmuck glänzte an den Handgelenken oder schmiegte sich um wohlgeformte Hälse. Allerdings zerrten Wind und Wetter in Tausenden von Jahren an den aus Ockererde, Zinnoberrot oder Ägyptisch Blau gewonnen Farben, wuschen sie von den Skulpturen, bis diese in reinem Weiß erstrahlten und in der Nachwelt das Bild von der Antike prägten.

Vor 17 Jahren versetzte die erste Ausstellung „Bunte Götter“ Besucher weltweit in Erstaunen. Die Botschaft: Antike Skulpturen wurden ebenso mit kräftigen Farben bemalt wie die Bauwerke jener Epoche. 2008 war die Schau erstmals in Frankfurt zu sehen; seither hat sich die Anzahl der von einem Forscherteam erarbeiteten Rekonstruktionen verdoppelt. Unter dem Titel „Bunte Götter – Golden Edition. Die Farben der Antike“ zeigt die Liebieghaus Skulpturensammlung nun eine erweiterte Ausstellung. Zu sehen sind über 100 Objekte aus Museen in aller Welt und aus dem Bestand des Liebieghauses, darunter 22 Grafiken und 60 Rekonstruktionen wie etwa die Bronzekrieger von Riace. Der Nachguss der Gruppe von lebensgroßen griechischen Kriegern aus dem Archäologischen Nationalmuseum von Reggio di Calabria und die Aufarbeitung der originalen Farbigkeit führt die täuschend echte Nachahmung der Natur als Ziel der antiken Kunst vor Augen.

Ein ausgefallenes Ornament aus Rot-, Blau- und Türkistönen auf gelben Untergrund ziert das Gewand eines Bogenschützen aus dem Westgiebel des Aphaiatempels auf der griechischen Insel Ägina, um 480 v. Chr. Als die Skulptur aufgefunden wurde, waren nur noch wenige Farbpigmente erhalten. Wie sich diese im Laufe der Jahrhunderte verändert haben, lässt sich nicht immer bestimmen, sodass jede Farb rekonstruktion eine Annäherung an den ursprünglichen Zustand ist. Dank neuer Untersuchungsmethoden können Wissenschaftler jedoch inzwischen ein immer präziseres Bild von der Art der Bemalung herstellen. So ähnelt der Besuch der Ausstellung im Liebieghaus einer optischen Neuentdeckung der Antike.

Liebieghaus, bis 30. August 2020

https://buntegoetter.liebieghaus.de

Von der Freiheit der Musik - Ausblick auf das Rheingau Musik Festival

„Der Mensch ist für eine freie Existenz gemacht, und sein innerstes Wesen sehnt sich nach dem Vollkommenen, Ewigen und Unendlichen als seinem Ursprung und Ziel“: Mit poetischer Eindringlichkeit hat der Dichter Matthias Claudius einst die menschliche Sehnsucht nach Unsterblichkeit und – so lässt sich deuten – implizit die Überwindung des Alltäglichen durch die Kunst in Worte gefasst. Unverzichtbar dabei die Freiheit als Voraussetzung. Auch das 33. Rheingau- Musik-Festival, das vom 20. Juni bis 5. September Kulturdenkmäler wie Kloster Eberbach, Schloss Johannisberg, Schloss Vollrads und mehrere Weingüter in Konzertbühnen verwandelt, steht unter dem Thema „Freiheit“. Dabei geht es um freie musikalische Formen wie Fantasien, Variationen und Improvisationen, daneben Bearbeitungen, Arrangements und Transkriptionen von bestehenden Werken, aber auch um Künstler, die sich die Freiheit nehmen, neu zu denken.

Ein Schwerpunkt des Festivals liegt auf Ludwig van Beethoven, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr mit 137 Konzerten an 33 Spielstätten gefeiert wird. Er gilt nach Haydn und Mozart als Vollender der Wiener Klassik, als Wegebereiter der Musik der Romantik und des 19. Jahrhunderts und als Inbegriff des Klassischen. Ludwig van Beethoven trat für Freiheit und Brüderlichkeit ein und beeinflusst die Musikwelt bis heute. Auf dem Festival führen der Pianist Jan Lisiekcki und das Chamber Orchestra of Europe fünf Klavierkonzerte Beethovens auf. Die neunte Sinfonie wird gesungen vom Weltjugendchor und gespielt vom Bundesjugendorchester.

Als Artist in Residence tritt Lisa Batiashvili mit Musik von Bach bis Arvo Pärt auf. Die Sopranistin Julia Lezhneva bewegt sich durch alle Gattungen der Gesangsliteratur und wird als Fokus-Künstlerin mit Musik von Bach bis Rachmaninow zu hören sein. Gabriela Montero, in diesem Jahr Composer & Artist in Residence, präsentiert Eigenkompositionen sowie Werke von Wolfgang Amadeus Mozart bis Alfred Schnittke. Auch Jazz-Liebhaber kommen auf ihre Kosten: Als Fokus Jazz-Künstler steht Wolfgang Haffner auf dem Programm, der bei Auftritten mit Michael Wollny, Max Mutzke und Thomas Quasthoff die Luft zum Klingen bringen wird.

Rheingau-Musik-Festival: 20.06.-05.09.20

https://www.rheingau-musik-festival.de