„Life doesn’t frighten me. Michelle Elie wears Comme des Garçons“ im Frankfurter Museum Angewandte Kunst

Sie changiert zwischen Anziehung und Inspiration: die Liaison zwischen Mode und Kunst. Mit den Kostümen seines Triadischen Ballets schuf der Maler und Bildhauer Oskar Schlemmer kühne Gegenentwürfe zu klassischen Tutus. Bevor Christian Dior begann, Mode zu entwerfen und schließlich die künstlerische Leitung eines Haute Couture-Hauses übernahm, war er als Galerist tätig. Die Modedesignerin Elsa Schiaparelli wiederum, die mit Künstlern wie Bébé Bérard, Jean Cocteau und Salvador Dalí zusammenarbeitete, galt als Provokateurin, die Kleidungsstücke als Herausforderung betrachtete.

Auch die Kreationen der japanischen Designerin Rei Kawakubo, die 1969 ihr Modelabel Comme des Garçons (deutsch: Wie Jungs) gründete, provozieren. Und es gehört Mut dazu, ihre avantgardistischen Entwürfe zu tragen. Die Designerin und Mode-Ikone Michelle Elie ist mutig und selbstbewusst zugleich.

Das Leben mache ihr keine Angst, sagt die gebürtige Haitianerin, die Kawabukos Entwürfe sammelt und leidenschaftlich liebt. Seit dem 5. Mai ist das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main nach mehrwöchiger Schließung aufgrund der Corona-Pandemie wieder für den Publikumsverkehr geöffnet und zeigt Elies Sammlung unter dem Titel „Life doesn’t frighten me. Michelle Elie wears Comme des Garçons“ in einer Ausstellung, die bis zum 30. August zu sehen ist.

Futuristische Weltraumfahrer und Federboas

Wie leuchtend rotes Vogelgefieder umgibt ein Mantel seine Trägerin. Lewis Carolls „Alice im Wunderland“ scheint das rot-weiße Kleid entsprungen zu sein, in dem Elie auf einem Foto ausgelassen tanzt. Einige Roben muten wie Rüstungen futuristischer Weltraumfahrer an, andere erinnern in ihrer Farbenfreude an die Kleider afrikanischer Marktfrauen. Ganz in Weiß, mit riesigen Volants, Federboas und Tüll, aber auch gewagten Rückendekolletés präsentieren sich Hochzeitsgarderoben. Wie in weiße und schwarze Müllsäcke gehüllt, drehen zwei Schaufensterpuppen einander den Rücken zu. Rei Kawakubo geht es nicht um gefällige Kreationen, sondern darum, spielerisch den durch westliche Schönheitsideale geprägten Blick zu stören. Dabei setzt sie auf Dekonstruktion, Verschiebung und Ausbuchtungen ohne Rücksicht auf Körperformen.

Kleidung wird durch kulturellen Kontext zu Mode. Trägerinnen wie Michelle Elie eignen sich die Kleidungsstücke an, bringen sie in ihrem eigenen Umfeld zum Leben und erregen dabei Aufsehen. Die Ausstellung lässt Elie die Geschichten der jeweiligen Stücke selbst erzählen: vom Moment der Entdeckung auf den internationalen Fashionweeks, die sie regelmäßig besucht, über den Erwerb, bis hin zu den unterschiedlichsten Reaktionen, die sie bei anderen hervorruft. Als schwarze Frau, die sich in die unkonventionellen Modeschöpfungen der Japanerin kleidet, setzt sie sich bewusst über westliche Schönheitsideale hinweg und fordert die Betrachter zur Reflexion über das eigene Körpererleben auf.

„Ich verlasse mich immer auf mein Bauchgefühl“

„Ich bin überzeugt, dass es für jedes Kleid den richtigen Anlass gibt und dass man es eben dann trägt, wenn man das Gefühl hat, es tragen zu müssen. Ich verlasse mich immer auf mein Bauchgefühl“, erklärt Michelle Elie. In den Filmen „The Fashion Teller“ und „Sittin’ in a Cloud“, die online auf der Website des Museums eingestellt sind, begleitet der Regisseur Gianluca Matarrese Elie bei ihren Besuchen auf den Pariser Fashion Weeks. In dem Booklet zur Ausstellung, das ebenfalls im Internet heruntergeladen werden kann, erklärt Elie ihr Vergnügen an Mode jenseits der Norm: „Das gefällt mir so sehr daran, wenn ich ein Teil von Comme des Garçons trage. Jede Betrachterin und jeder Betrachter hat eine persönliche Interaktion mit dem Teil. Die Reaktion kann negativ oder positiv sein, aber egal wie, es eröffnet sich ein Raum für eine Unterhaltung und das gefällt mir.“

Katja Möhrle

Bis zum 30. August im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main, Schaumainkai 17. Informationen: www.museumangewandtekunst.de