Ein Verfahren zur Clustertestung auf SARS-CoV-2

Nachdem wir in Norditalien und Madrid Anfang März 2020 sehen konnten, welche dramatischen und das gesamte gesellschaftliche Funktionieren gefährdenden Ausmaße die Pandemie mit SARS-CoV-2 nehmen kann, wurden zum 9. März durch die Bundesregierung weitreichende Maßnahmen zur Infektionskontrolle beschlossen. Auch in den Bundesländern und Kommunen wurden Stäbe eingerichtet, um schnell und gezielt agieren zu können.

Die schnelle und umfassende Kenntnis über eine Gesamtsituation wird in Stäben (Einsatz-, Verwaltungs-, Krisenstab) mit dem Begriff „Lage“ belegt. Alle entsprechenden Vorschriften in der Bundesrepublik Deutschland heben die Bedeutung dadurch hervor, dass es sich um ein eigenes Sachgebiet handelt (S2).[1]

Nach Auftreten von gehäuften Infektionen mit Übersterblichkeit in Einrichtungen der Altenpflege in Bayern und Hessen, analog zu Fällen in Madrid[2], sah die Stadt Frankfurt am Main für sich die Notwendigkeit, möglichst schnell einen Überblick über die Situation in den Einrichtungen in Frankfurt am Main zu bekommen.

Bei 50 Einrichtungen mit insgesamt 8.000 Menschen (Bewohner und Personal) wurde zunächst der Bezirksverband Frankfurt am Main des Deutschen Roten Kreuzes mit der Entwicklung einer Corona Test Task Force (mCTTF) zur schnellen und sicheren Reihentestung beauftragt. Im Verlauf wurden die Kapazitäten durch die Einbindung des Arbeiter-Samariter-Bundes als zweiter Hilfsorganisation erweitert.

Die Anforderung bestand darin, mit geringstmöglichem Aufwand an Material (Schutzausrüstung), Personal und Zeit sicher zu dem gewünschten Überblick zu kommen. Sicher bedeutet hier vor allem, dass es absolut zu vermeiden galt, dass es zu einer Infektion von Personal kommt und, mehr noch, dass innerhalb einer Einrichtung kein Eintrag oder eine Verbreitung einer Infektion erfolgt.

Zur Durchführung wurde ein adaptierter Linienbus eingesetzt, der durch Absenken der rechten Fahrzeugseite und das zusätzliche Aufklappen einer Rollstuhlrampe einen relativ barrierefreien Zugang bot. Bis auf die ersten beiden Reihen waren die Sitze ausgebaut.

Der Fahrerraum wurde mit einer Querstange und einem Kunststoffvorhang ebenso vom Testbereich abgegrenzt, wie der Heckbereich hinter dem Einstieg. Der Heckbereich konnte damit als Lager dienen. Unter anderem wurde ein Pavillonzelt mitgeführt, um ggf. einen Wetterschutz vor dem Eingang aufstellen zu können. Der Bereich zwischen dem hinteren Einstieg und dem Fahrerraum wurde durch frei hängende Plexiglasscheiben (ca. 60 cm breit) abgetrennt.

Für die Durchführung von Abstrichen in den Einrichtungen wurden zusätzlich mobile Trennscheiben aus Plexiglas mitgeführt, die auf Tische gestellt werden konnten. Aufgrund der geringen Tiefe haben sich Festzelttische bewährt.

Neben der Arbeitskleidung (Einsatzkleidung) wurde zusätzlich eine persönliche Schutzausrüstung gestellt. Die Einsatzkleidung wurde täglich in der Unterkunft gewechselt und RKI-konform zentral gereinigt (Drittanbieter). Die persönliche Schutzausrüstung der Teams bestand aus Overall (KAT III, EN 14126), Einweg-Handschuhen, Schutzbrille oder Gesichtsschild und FFP2-Masken. Das Tragen der Schutzausrüstung bedingte die Notwendigkeit, alle zwei Stunden eine Pause von mindestens 30 Minuten einzulegen.

Umsetzung in der Praxis

Die Einrichtungen mussten bis zum Vorabend ihre Bewohner und Mitarbeiter auf einer webbasierten Plattform anmelden. Von uns wurden dadurch individuell vorausgefüllte Laboranforderungen gedruckt und mitgebracht. Durch Personal der Einrichtung (Personalabteilung/Pflegeleitung) wurden die Scheine persönlich zugeordnet.

Ablauf 1: Das Personal und die mobilen Bewohner ohne Quarantäne wurden im Bus abgestrichen. Markierungen auf dem Boden vor dem Bus stellten den Mindestabstand von 1,5 Metern sicher. Jede Probandin bzw. jeder Proband betrat einzeln mit ihrem bzw. seinem Laborschein in der Hand den Bus, bestätigte die Richtigkeit der angegebenen Daten und erhielt einen Abstrich. Erst nach dem Verlassen des Busses wurde der Abstrichbereich durch einen neuen Probanden betreten. Zwischen Probennehmer und Proband war die Plexiglaswand, hierdurch war der Sichtkontakt gegeben. Hinter dem probennehmenden Arzt stand seitlich die 1. Assistenz, die den Probebehälter zur Aufnahme des Abstrichstäbchens hielt und mit der hinter ihr sitzenden 2. Assistenz die korrekte Markierung und Verpackung der Probe sicherstellte. Die probenehmende Person trug zwei Paar Handschuhe übereinander und wechselte das obere Paar nach jedem Abstrich.

Ablauf 2: Bei mobilitätseingeschränkten Bewohnern erfolgte teilweise die Durchführung auf der jeweiligen Wohnetage. Durch die Einrichtung wurde ein Raum zur Verfügung gestellt, mit einer mobilen Plexiglasscheibe auf einem Tisch wurde eine Arbeitssituation analog der im Bus hergestellt.

Ablauf 3: Bei Bewohnern in Zimmerquarantäne oder mit völliger Immobilität erfolgten die Abstriche in ihren Zimmern. Die durchführende Kraft trug hierbei einen zusätzlichen Kittel (Besucherkittel) über dem Overall, der nach jedem Zimmer entsorgt wurde. Die 1. Assistenz trug ebenfalls einen zusätzlichen Kittel, dieser wurde bei Kontakt mit der Ärztin bzw. dem Arzt (Kontamination), spätestens beim Wechsel des Wohnbereiches, verworfen.

Abstrichtechnik: Zum Einsatz kamen Abstrichstäbchen mit Schwamm, die in ein flüssiges Medium gegeben wurden. Angestrebt war ein Abstrich des hinteren Rachenraumes durch beide Nasenlöcher. Modifikationen als Abstrich durch eine Nasenöffnung in Verbindung mit einem tiefen Abstrich durch den Mund waren möglich.[3]

Die Proben wurden abends dem Labor zugeführt und dort weiterverarbeitet, die Befundübermittlung erfolgte als Einzelbefund auf gesichertem elektronischen Weg (Passwort). Nach Befundbeurteilung durch einen der Autoren (Kreisverbandsärzte) erfolgte sowohl die individuelle Mitteilung der Ergebnisse an die Probanden als auch an das Stadtgesundheitsamt (StGA). Auf Wunsch des StGA wurden die Angaben (positiv vs. negativ) um die differenzierte Ausweisung der verschiedenen Gen-Targets und jeweiligen CT-Werte erweitert bzw. ergänzt.

Ergebnisse: In der Zeit vom 7. bis 30. April 2020 wurden an 17 Tagen in 16 Einrichtungen 2846 Abstriche durchgeführt. Die Reihenfolge der Einrichtungen wurde durch das StGA Frankfurt am Main in eigener Bewertung festgelegt. Eine Einrichtung wurde dreimal, eine weitere zweimal angefahren. Bei fünf Einrichtungen waren im Vorhinein positive SARS-CoV-2-Fälle bzw. Erkrankungen an Covid-19 bekannt gewesen. 62 Abstriche waren positiv, dies entspricht aufgrund der Mehrfachuntersuchungen 45 Personen.

Mit Hilfe der durch zwei Leistungserbringer erhobenen Testergebnisse konnte durch die zuständige Instanz (Dezernat/StGA) die Beurteilung der Lage in den stationären Einrichtungen der Altenhilfe erfolgen, einschließlich einer Bewertung der bisher eingeleiteten Maßnahmen (Betretungsverbote) und Hygienekonzepte.

Dr. med. Matthias Bollinger, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Frankfurt am Main, sowie Deutsches Rotes Kreuz BV Frankfurt am Main, E-Mail: matthias.bollinger@drkfrankfurt.de

Dr. med. Michael Sroka, Facharzt für Anästhesie, Frankfurt am Main

Die Autoren erklären, frei von einem Interessenkonflikt zu sein. Beide Autoren sind ehrenamtlich im DRK tätig und haben einen Sitz im Präsidium inne.

[1] Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr, THW, DRK und die Hilfsorganisationen haben jeweils eine gleichlautende Dienstvorschrift 100 (Dv100) mit den Sachgebieten (S) 1 bis 6. [2]. Rp-online / faz-net 20.03. Madrid; RP-online 22.03. Würzburg; HNA online 7.4. Treysa.

[3] www.uks.eu/corona; nejm (instagram) „How to obtain a nasopharyngeal swab specimen“.