Einleitung

Das Institut der Kasseler Stottertherapie (kurz: KST) in Bad Emstal führt seit 25 Jahren für alle Altersgruppen Stottertherapien durch. Dabei ist die Wirksamkeit des Behandlungskonzeptes in mehreren, teilweise international publizierten Studien nachgewiesen worden, was zu einer starken Empfehlung in den medizinischen S3-Leitlinien „Redeflussstörungen“ geführt hat.

Über 3.000 Klienten haben mittlerweile die Therapie durchlaufen, die in der Regel auf Basis von Selektivverträgen von den Krankenkassen bezahlt wird. Neben der Präsenztherapie wird vor allem in der Altersgruppe der Jugendlichen und Erwachsenen die Therapie seit 2014 zunehmend online durchgeführt, was jetzt durch die Corona-Pandemie auch für Kinder von 6–9 Jahren (FranKa-Konzept) und 9–12 Jahren eingerichtet wurde.

Effektivität der Online-Therapie in einer Vergleichsstudie belegt

Die Daten einer gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse durchgeführten zweijährigen Interventionsstudie belegen: Online durchgeführte Stottertherapien reduzieren die objektiven und subjektiven Symptome des Stotterns ebenso signifikant wie eine vergleichbare Präsenztherapie. Große Flexibilität der Krankenkassen nicht nur im Zeichen der Corona-Pandemie: Bereits seit Herbst 2019 wird das durch die Techniker Krankenkasse und das Hessische Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) ermöglichte Projekt „FRANKINI“ für 3- bis 6-jährige stotternde Kinder durchgeführt. Dabei werden unter anderem Eltern online zu Experten in Sachen Stottern und zu Co-Therapeuten ihrer Kinder ausgebildet. Diese Online-Ausbildung der Eltern und die mit ihr verbundenen technischen Lösungen sind neben der Erfahrung von ca. 20.000 Stunden Online-Behandlung eine der Grundlagen für die aktuelle Verlagerung aller Therapien inklusive der Kinderbehandlungen der KST ins Internet. Nur so können die Therapien fortgesetzt werden. Fast alle Krankenkassen unterstützen das flexibel gestaltete Therapieangebot bis auf Weiteres, abhängig von dem Stand der Corona-Pandemie.

Über die eigene Plattform „freach“ ist auch Gruppentherapie möglich

Dr. med. Alexander Wolff von Gudenberg, Facharzt für Allgemeinmedizin, Stimm- und Sprachstörungen und ärztlicher Leiter des Institutes, erklärt das Besondere an diesem Schritt: „Wir haben alle Inhalte und Kursziele der Behandlungskonzepte komplett in den virtuellen Therapieraum übertragen – entsprechend altersgerecht für die jeweilige Klientengruppe. Das Besondere dabei ist, dass unsere eigene Plattform ‚freach’ es ermöglicht, wesentliche Therapieschritte analog zur Präsenztherapie auch in der Gruppe absolvieren zu können. Besonders positiv ist, dass sich dabei ein vergleichbares Gemeinschaftsgefühl entwickelt, wie es auch in den Präsenztherapien entsteht. Auf diese Weise können Kinder und Erwachsene, die keine Therapiepause machen möchten, die erzwungenen ‚Corona-Ferien’ für das intensive Sprechtraining nutzen. Dabei können die Betroffenen auch direkte Unterstützung durch ihre Familie vor Ort erhalten, die zum Teil in die Therapie einbezogen ist“.

Fazit nach zehn Wochen Online-Therapie und Perspektiven

Die entscheidende Frage ist, wie es nach der Coronakrise mit der gerade ermöglichten online durchgeführten ambulanten Sprechtherapie nicht nur für die KST, sondern auch für Sprachtherapeuten generell weitergehen wird. Die KST kann anhand einer Machbarkeitsstudie und des bisher positiven Klientenfeedbacks die Effektivität der neu durchgeführten Online-Therapie für Kinder belegen. Nach bald zehn Wochen durchgehender Online-Therapie mit über 600 oft parallelen Sitzungen mit begleitender Datenerhebung erscheint im Kinderbereich von 6–9 und 9–12 Jahren eine „blended learning“-Variante der sinnvollste Ansatz zu sein. So lässt sich speziell die erste Phase des sprechmotorischen intensiven Übens online durchführen. Beim Übertrag in den Alltag, bei Transferübung in der Stadt sind aber Präsenzanteile unverzichtbar.

Ob Sprechtherapie generell zukünftig verstärkt online durchgeführt werden wird, hängt maßgeblich davon ab, ob sich die niedergelassenen Therapeuten wirklich darauf einlassen und ob dauerhaft die rechtlichen Rahmenbedingungen etabliert werden. Um Online-Therapien auch in Gruppensitzungen fundiert durchführen zu können, ist eine leistungsfähige Plattform wie „freach“, eine Einweisung in die Handhabung dieser Plattform, aber auch in die Erstellung von speziellen Online-Therapiematerialien notwendig.

Weiterhin ist das Know-how für die Durchführung eines vorangehenden Technikchecks bei den Klienten und die Organisation eines Supportes essenziell, um zuverlässig im virtuellen Raum arbeiten zu können. Ein breites, vielfältiges Know-how wird daher unverzichtbar sein.

Dr. med. Wolff von Gudenberg, Kasseler Stottertherapie, Feriendorfstraße 1, 34308 Bad Emstal, Fon: 05624 921-200, E-Mail: awvgudenberg@kasseler-stottertherapie.de