Hinter uns liegen Monate mit Herausforderungen, denen die allerwenigsten in ihrem ärztlichen Berufsleben in dieser Ausprägung schon einmal begegnet sind. Die älteren Kolleginnen und Kollegen erinnern sich wahrscheinlich an die Grippeepidemie im Winter 1957/58, der ungefähr 30.000 Menschen in den alten Bundesländern zum Opfer fielen. Krankenhäuser und Praxen waren vielfach überlastet. Das erleben wir gerade wieder, und so schnell wird sich das trotz ermutigender Meldungen zur Impfstoffentwicklung nicht ändern.

Gerade deswegen ist es umso wichtiger, sich in der Advents- und Weihnachtszeit – wo immer es möglich ist – Ruhepausen zu verschaffen. Arbeit unter Dauerbelastung geht an die Nieren. Der Volksmund trifft hier den Nagel auf den Kopf. Dennoch hat das Land Niedersachsen Anfang November die mögliche Arbeitszeit in Kliniken auf bis zu 60 Stunden erweitert. Das ist aus Sicht des Verordnungsgebers zwar verständlich, doch es zeigt sehr, sehr deutlich, wie eng das Personalkorsett in den Kliniken ist. Von den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen wird eine Selbstausbeutung ja ohnehin routinemäßig erwartet und auch geliefert. Dauerbelastetes Personal wird früher oder später selbst ausfallen. Kranke Pflegefachkräfte, kranke Ärzte, kranke Laborkräfte können die Versorgung der Patienten nicht gewährleisten. Auch vor Ausbruch der Corona-Pandemie war die Arbeit weder für Ärztinnen und Ärzte noch für Pflegekräfte und die anderen Berufsgruppen in den Krankenhäusern, in den Praxen und Pflegeeinrichtungen von Leerlauf und Müßiggang geprägt.

Das gilt übrigens uneingeschränkt auch für die Kolleginnen und Kollegen in den Gesundheitsämtern, die nun nach Inkrafttreten des aktuellen Tarifabschlusses trotz einer Facharztzulage in Höhe von 300 Euro weiterhin bis zu 1.200 Euro monatlich unter den Tarifen in den Krankenhäusern liegen. Man darf also ruhig weiter zweifeln, ob das die Attraktivität der Gesundheitsämter als Arbeitgeber steigern wird. Wertschätzung sieht anders aus. Da ist man fast geneigt zu prophezeien, dass die Bundeswehr wohl auch zukünftig immer wieder aushelfen muss.

Hoffentlich muss die Bundeswehr nicht auch irgendwann bei der Versorgung von Opfern eines möglichen Massenanfalls von Verletzten (bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen) einspringen. Terroranschläge, ein Zugunglück oder ein Chemieunfall werden hoffentlich nicht passieren, und doch müssen wir darauf vorbereitet sein. Nicht nur die Pandemiepläne, sondern auch die Katastrophenschutzkonzepte des Bundes und der Länder müssen überarbeitet und aktualisiert werden. Zudem bedarf es entsprechender Übungen, die auch refinanziert werden müssen.

Die Daseinsvorsorge ist nicht zum Nulltarif erhältlich und dennoch für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft höchst rentabel. Diese Erkenntnis sollte in den zurückliegenden Monaten auch bei den glühendsten Verfechtern einer kommerzialisierten Medizin gereift sein. Die Landesärztekammer Hessen wird sich in diesem Sinn weiter engagieren.

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In diesem Sinn wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in das neue Jahr, das uns einmal mehr vor neue Herausforderungen stellen wird. Mit dann hoffentlich aufgefüllten Energiereserven werden wir diese Aufgaben gemeinsam bewältigen.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident