Falls nein, sind Sie nicht alleine, das ging allen Teilnehmern einer Veranstaltung des MRE-Netzes Rhein Main in der Landesärztekammer Hessen am 2.9.2025 so. Das sollte sich aber rasch ändern – so die einhellige Meinung der gesamten Zuhörerschaft nach dem eindrucksvollen Referat von Prof. Dr. med. Michael Booke, Leiter des Pilotprojekts SSH, das die Deutsche Sepsis-Stiftung gemeinsam mit dem Main-Taunus-Kreis, in der „Vorreiterregion Sepsis“, organisiert.

Sepsis als Herausforderung

Sepsis ist mit ca. 140.000 Todesfällen jährlich die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. An Sepsis sterben hierzulande doppelt so viele Menschen wie an Herzinfarkt und Schlaganfall zusammen. Kampagnen wie „Jede Minute zählt“ konnten die Kenntnisse in der Bevölkerung zu Symptomen von Schlaganfall und Herzinfarkt deutlich steigern und dadurch die rechtzeitige Versorgung der Patienten eindrucksvoll verbessern. Frühsymptome einer Sepsis werden aber weiterhin in der Regel zu spät erkannt und behandelt.

Anders in England, das trotz sehr viel geringerer Finanzmittel in seinem Gesundheitssystem bei Sepsis eine deutlich bessere Erfolgsquote als Deutschland aufweisen kann. Dort wird die Bevölkerung mit der Plakataktion „could it be sepsis“ im öffentlichen Raum auf Frühsymptome wie Fieber, Apathie, Müdigkeit hingewiesen. Mit offenbar gutem Erfolg.

Das Pilotprojekt SSH (Schlaganfall, Sepsis und Herzinfarkt) umfasst verschiedene Informationsangebote und -kampagnen zur Sepsisfrüherkennung, die in Schulen, beim Rettungsdienst, in Pflegeeinrichtungen und für die allgemeine Bevölkerung angeboten werden. Zusätzlich wurden Rettungsdienste, Arztpraxen und Notaufnahmen kostenlos mit einem PCT-Test ausgestattet, der bereits innerhalb von Minuten eine Sepsis sicher erkennen kann. Dieses „kleine regionale Projekt“ hat bereits bundesweite Aufmerksamkeit erlangt und es unter die Finalisten für den im Dezember zu vergebenden „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ geschafft.

Bisher werden die Erfolgs- und Überlebensraten einer Sepsisbehandlung nur bis zum Tag 30 betrachtet. Viele Patienten haben nach überstandener Sepsis jedoch noch über Monate bis Jahre mit Spätfolgen zu kämpfen, bleiben ggf. dialysepflichtig, leiden unter fortbestehenden neurologischen Problemen oder an den Folgen einer Extremitätenamputation.

Um Patienten mit diesen Problemen nicht mehr alleine zu lassen, wurde PSSSSt! entwickelt. Das Akronym steht für Post-Stationär-Sepsis-Sprech-Stunde, die die Varisano-Klinik anbieten will, obwohl das derzeit (noch?) nicht gegenfinanziert wird.

Mit dem Projekt SSH sollen nicht nur die Überlebensraten verbessert, sondern auch etwaige schwere Langzeitfolgen vermindert werden. Bei Schlaganfall und Herzinfarkt haben Informationskampagnen gute Erfolge erzielt: Packen wir jetzt also die Sepsis an!

Prof. Dr. med. Michael Booke, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Varisano-Kliniken des Main-Taunus-Kreises, Bad Soden

Prof. Dr. med. Ursel Heudorf, MRE-Netz Rhein-Main