Frisch zurück vom 129. Deutschen Ärztetag (DÄT) in Leipzig, bin ich erfreut, dass sich das Miteinander und die Diskussionen deutlich zu verändern scheinen.

Wohltuend aufgefallen ist mir die veränderte Kommunikationskultur: Es wird sich auf eine gute Art (inhaltlich, wertschätzend und offen) im Bewusstsein der ärztlichen Verantwortung mit den Themen auseinandergesetzt. So können von dem DÄT Signale und Impulse an die Politik und Gesellschaft ausgehen, die wirklich gehört werden.

Gleichzeitig habe ich mich gefragt, was sich verändert hat seit meinem ersten DÄT 2015 in Frankfurt? Mir sind dieses Mal viele jüngere Kolleg*innen aufgefallen, die neu auf dem Deutschen Ärztetag berufspolitisch aktiv sind. Was hat das ermöglicht? Anteil hat sicher die Einführung des Jungen Forums am Tag vor der Eröffnung, an dem sich junge Kolleg*innen inhaltlich zu den Hauptthemen des DÄT austauschen und die Inhalte später auch ins Plenum transferiert werden können. In den meisten Landesärztekammern gibt es mittlerweile Junge Foren oder ähnliche Strukturen und es werden Möglichkeiten zur Vernetzung finanziell von vielen Landesärztekammern unterstützt. Außerdem wird der Bundesvertretung der Medizinstudierenden e. V. (bvmd) seit einiger Zeit Rederecht auf dem DÄT eingerichtet. Ich war zu Beginn meines Engagements im Alter von 50 Jahren eine der Jüngeren in den Gremien und finde, wir brauchen den Input jüngerer Kolleg*innen, denn wir entscheiden über die Zukunft in Aus-, Fort- und Weiterbildung. Nur wenn wir diejenigen beteiligen, über deren Zukunft wir in der Kammer entscheiden, können wir Kammerarbeit in die Zukunft zu führen.

„Demokratie und Selbstverwaltung brauchen Teilhabe“

Demokratie und Selbstverwaltung brauchen Teilhabe der Betroffenen. Was sind eigentlich Themen, die unsere jüngeren Kolleg*innen beschäftigen?

Viele Kolleg*innen wissen gar nicht, was in der Kammer entschieden wird. Manche sehen nur die Beiträge, die sie zahlen müssen, ärgern sich vielleicht über die hohen Gebühren oder scheinbar lange Wartezeiten, wenn sie Anträge stellen oder sich für Prüfungen anmelden. Was bedeutet eigentlich ärztliche Selbstverwaltung? Haben wir politisch überhaupt etwas zu sagen?

Mir war das ehrlicherweise auch nicht klar, als ich berufspolitisch aktiv wurde. Ich war dankbar für das Engagement vieler Kolleg*innen beim Kampf um die Einführung der Bereichsbezeichnung Psychosomatik und wollte bei der Veränderung der neuen Weiterbildungsordnung mitarbeiten, damit das Fach auch zukünftig attraktiv für den Nachwuchs bleiben kann. In der Kammerarbeit habe ich aber erlebt, dass es so viele andere Themen gibt, die Unterstützung brauchen: Klima und Gesundheit, Frauengesundheit, soziale Gerechtigkeit versus Kommerzialisierung im Gesundheitswesen, Themen rund um Diskriminierung und Menschenrechte, um ein paar zu nennen.

Diese Themen werden leider oft nur am Rand des DÄT in der Aussprache zu Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik behandelt. Es ist aber aus meiner Sicht wichtig, bestimmte Bereiche in der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage aktiv mitzugestalten. Wahrscheinlich wären das Themen, die die jüngere Generation mehr ansprechen würden.

Wie können wir den Prozess, jüngere Kolleg*innen für die Kammerarbeit zu interessieren, ausbauen? Wir müssen sicher früher werben, die Wichtigkeit der Kammerarbeit bereits im Studium und zu Beginn der Weiterbildung übermitteln, Möglichkeiten zur Teilhabe erklären und ausbauen.

Der Einstieg sollte niedrigschwellig sein: Vielleicht wäre es für den Anfang möglich, projektbezogen als Expert*innen gehört zu werden? Es ist ein menschliches Bedürfnis, gehört zu werden mit unseren Anliegen, und das Gefühl, etwas mitgestalten zu können, erhöht unsere Selbstwirksamkeit. Mit kleinen Erfolgen steigt die Motivation und wir „alten Hasen“ wissen, wie lange es braucht (Geduld, Vernetzung, Leidensfähigkeit etc.), etwas Neues einzubringen, etwas zu verändern in dem, was immer schon so war.

Dr. med. Barbara Jaeger, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen