Leicht gekürzt, lesen Sie hier die Laudatio, die der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesärztekammer, PD Dr. med. Peter Bobbert, anlässlich des Abschiedssymposiums für Dr. med. Ernst Girth hielt.
Lieber Herr Girth,
im Namen der Bundesärztekammer danke ich Ihnen für Ihr außergewöhnliches Engagement, für fast drei Jahrzehnte unermüdlichen Einsatzes als Menschenrechtsbeauftragter und später auch als Rassismus- und Diskriminierungsbeauftragter der Landesärztekammer Hessen.
Sie haben das ärztliche Berufsbild über die Jahre mitgeprägt als ethische Instanz, als Mahner, als Wegweiser. Sie haben viele Türen geöffnet, manches Tabu angesprochen und uns den Spiegel vorgehalten.
Die ärztliche Verantwortung für die Menschenrechte ist kein Beiwerk unserer Profession, sie ist ihr ethischer Kern. Das wird deutlich in der Deklaration von Helsinki, in der die World Medical Assoziation (WMA) 1964 die Menschenwürde als zentralen Maßstab medizinischen Handelns verankert hat. Und im Genfer Gelöbnis, das jede Ärztin, jeder Arzt symbolisch ablegt mit dem Versprechen, die Gesundheit und die Rechte unserer Patientinnen und Patienten über alles zu stellen – unabhängig von Herkunft, Status oder Überzeugung. Sie haben diesen ethischen Anspruch mit Leben gefüllt. Sie haben es nicht gescheut, unbequeme Fragen zu stellen, auch wenn sie in Richtung unserer eigenen Institutionen gingen.
Mit Ihrem Engagement gegen menschenrechtswidrige Abschiebungen haben Sie sich früh für die Rechte besonders verletzlicher Gruppen eingesetzt. Sie haben die Pflicht der ärztlichen Berufsordnung verteidigt, auch gegenüber Behörden, die versuchten, sich über diese hinwegzusetzen. Dabei haben Sie stets betont: Auch beamtete Ärztinnen und Ärzte sind an ethische Grundsätze gebunden. Die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen hat im November 2017 Ihre Kritik an der Instrumentalisierung von Ärztinnen und Ärzten bei Abschiebungen durch die zuständigen Behörden in einer Entschließung aufgenommen.
Am Herzen lag Ihnen auch die Verbesserung der Sichtbarkeit des Amtes des Menschenrechtsbeauftragten durch die Erweiterung der Betitelung um Rassismus- und Diskriminierung. Sie berichteten über deutlich mehr Meldungen zu Verstößen, die unter Rassismus zu kategorisieren waren, nachdem Sie direkt auch als Rassismusbeauftragter ernannt wurden.
Sie haben zum Dialog eingeladen. Ihre Haltung: nicht verurteilen, sondern bewusst machen. Nicht bloßstellen, sondern verstehen helfen. Das ist zutiefst menschlich. Und zutiefst ärztlich. Denn genau das ist der Kern unseres Berufes: Dem Menschen zugewandt sein. Die Würde achten, gerade dann, wenn sie bedroht ist.
Wir müssen uns immer wieder daran erinnern: Auch Ärztinnen und Ärzte sind nicht immun gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen. Die Geschichte – insbesondere die des Nationalsozialismus – zeigt uns, wie schnell medizinische Expertise missbraucht werden kann, wenn sie sich von Ethik und Menschenwürde entfernt.
Nördlich von Berlin liegt Alt Rehse. Hier lag die Führerschule der Deutschen Ärzteschaft: Eine von 1935 bis 1943 bestehende Einrichtung des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes. Sie diente nach den Vorstellungen des NSDÄB der „weltanschaulichen Schulung“ von Ärzten, Zahnärzten, Apothekern sowie Hebammen und war die zentrale Institution zur ideologischen Unterweisung der deutschen Ärzteschaft während der Zeit des Nationalsozialismus. Heute ein Ort der Erinnerung und Mahnung, der uns Ärztinnen und Ärzten aufzeigt, welche Verantwortung wir tragen und wo der Kern unserer ärztlichen Profession liegt. Heute, in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung, einhergehend auch mit der Verschiebung von Werte- und Moralvorstellungen, ist es umso wichtiger, dass wir als Ärzteschaft klare Kante zeigen: Für ein diskriminierungsfreies, menschliches Gesundheitswesen. Für die Rechte der Schwächeren. Für die Unantastbarkeit der Menschenwürde.
Gerade in jüngster Zeit sehen wir, dass wir wieder in Zeiten leben, in denen Worte nicht mehr genügen. Es müssen Taten erfolgen. Und gerade wir Ärztinnen und Ärzte müssen jetzt für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit kompromisslos eine klare Linie zeigen. Menschenrechte sind kein Luxus, sie sind das Fundament unserer Tätigkeit. Sie haben dieses Fundament gestärkt und Maßstäbe gesetzt.
Ihr Wirken reicht über Hessen hinaus, mit konkreten Gesetzesinitiativen über berufsrechtliche Klarstellungen. Ihr Wirken im Erfahrungsaustausch der Menschenrechtsbeauftragten findet sich heute in der aus diesem Gremium gekommenen „Declaration of Berlin on racism“ der WMA wieder. Sie haben das getan, was heute so oft gefordert, aber selten gelebt wird: Haltung zeigen. Und das mit beeindruckender Konstanz und Bescheidenheit.
Im Namen der Bundesärztekammer, im Namen vieler Kolleginnen und Kollegen: Danke!
PD Dr. med. Peter Bobbert