Am 14. Dezember 1974 fasste die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen den Beschluss, die Carl-Oelemann-Schule (COS) zu gründen. Seitdem lernten Generationen von Medizinischen Fachangestellten in Bad Nauheim wichtige Grundlagen für ihre tägliche Arbeit. Den 50. Geburtstag beging die COS am 17. Mai mit dem Fortbildungstag „Wissen und Handeln“ und einer Festveranstaltung mit geladenen Gästen in den Räumlichkeiten des Seminargebäudes im Bildungszentrum in Bad Nauheim. Im Mittelpunkt des Festaktes standen der Blick auf die Vergangenheit der COS und die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft des Berufs der Medizinischen Fachangestellten (MFA).

Tanja Oberwallner, Sachbearbeiterin und verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der COS, moderierte die Festveranstaltung im Saal Frankfurt und stimmte gleich zu Beginn auf eine musikalische Zeitreise ein. Das Duo „Double Tree“ versetzte die Gäste gleich an die Spitze der Charts in den Jahren 1975 und 1976. Ein schwungvoller Auftakt aus „Mamma Mia“ von ABBA und „You to me are everything“ von The Real Thing sorgte in den Reihen der geladenen Gäste aus Medizin, Verbänden, Bundeswehr und Politik für wippende Beine und klatschende Hände.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident der Landesärztekammer Hessen, begrüßte die geladenen Gäste. „Ärzte retten Leben, medizinische Fachangestellte retten Ärzte“, zitierte Pinkowski von einer Freisprechungsfeier aus Berlin und hob die Bedeutung Medizinischer Fachangestellten hervor. Ohne engagierte MFA könnten die meisten Praxen ihren Betrieb nicht aufrechterhalten. Damit MFA dies leisten könnten – und zwar auch außerhalb ihrer Ausbildungspraxis – würden MFA seit vielen Jahrzehnten die überbetriebliche Ausbildung an der Carl-Oelemann-Schule absolvieren. Dies habe sich seit vielen Jahrzehnten bewährt. Da sich das Berufsbild immer weiterentwickele, erweitere man an der COS auch das Bildungsangebot, weshalb es beispielsweise die Aufstiegsfortbildung zum Fachwirt gebe.

Ute Stettner, Ministerialdirigentin des Hessischen Ministeriums für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, wies in ihrem Grußwort darauf hin, dass es die richtige Entscheidung gewesen sei, die Schule nach Carl Oelemann zu benennen. Oelemann war 1946 am Aufbau der Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Ärztekammern (heute Bundesärztekammer) beteiligt, deren Präsident er von 1947 bis 1949 war. Dass sich die Schule nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich immer wieder weiter entwickelt habe, sei wichtig gewesen, so Stettner. Dies komme auch bei den Lernenden an und sie zitierte Rezensionen aus dem Internet: „Coole Einrichtung“, „tolle Dozenten“ und „wunderbares Essen“.

MFA: „Das Herz der Praxis“

Armin Beck, Stellv. Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, betonte noch einmal den Wert und die Weiterentwicklung, die das Berufsbild der MFA in den vergangenen Jahren erfahren habe. Bei der Entwicklung von der sogenannten Sprechstundenhilfe zu einer medizinisch geschulten Fachkraft habe sich nicht nur die Berufsbezeichnung geändert, sondern auch das Kompetenzprofil. Beck berichtete auch aus seiner eigenen Praxis, in der die Zusammenarbeit so eingespielt sei, sodass er mit wenigen Worten die Praxis jeden Morgen koordinieren könne. Die Wertschätzung für die Leistung müsse sich aber nicht nur in geänderten Berufsbezeichnungen, sondern auch in einer passenden Vergütung widerspiegeln. MFA seien so rar, dass schon Praxen schließen müssten, da zwar die Ärztinnen und Ärzte noch arbeiten wollten, aber keine passenden Fachangestellten mehr fänden. „Wenn die Ärztinnen und Ärzte der Kopf der Praxis sind, dann sind die MFA das Herz der Praxis“, schloss Beck seine Rede.

Meilensteine der COS

Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe, lobte die Arbeit der Akteure in Hessen, die an der Aus- und Fortbildung von Medizinischen Fachangestellten beteiligt gewesen seien und noch seien. Sie sagte aber auch, dass es nicht reiche, dass die Gehaltsentwicklung der MFA nur über Umwege finanziert werde, während es bei anderen medizinischen Berufen direkt gegenfinanziert werde. Die niedergelassene Ärzteschaft trage die Ausbildungskosten der MFA allein. König forderte die Gegenfinanzierungen der Tarifsteigerungen sowie der Ausbildungskosten. Es sei etwas schief im System, wenn die Zahl der MFA im ambulanten Bereich, der auch die Ausbildung zum großen Teil trage, sinke, während andere Bereiche Zuwächse verzeichnen würden.

Über wichtige Meilensteine der Carl-Oelemann-Schule referierte anschließend Prof. Dr. med. Alexandra Henneberg, Vorsitzende des Ausschusses Carl-Oelemann-Schule. Schon Mitte der 50er-Jahre habe es Fortbildungen für Praxismitarbeiter gegeben, zehn Jahre später sei auch das Berufsbild der Arzthelferin geschaffen worden. Ein weiteres Jahrzehnt später sei dann die Carl-Oelemann-Schule entstanden, um die überbetriebliche Ausbildung und Fortbildung zentral durchführen zu können, so Henneberg. Mitte 1977, nur zwei Jahre nach der Gründung, habe man bereits die ersten Arzthelferinnen fertig ausgebildet. 1986 habe man die überbetriebliche Ausbildung auf drei Wochen ausgedehnt. 2002 sei das neue Fortbildungszentrum entstanden, 2008 sei das Gästehaus gebaut worden, um die Lernenden modern unterzubringen. Das heutige Logo der COS aus mehreren ineinandergreifenden Puzzleteilen spiegele die modularen Lernformate wider, die man 2007 eingeführt habe. In der Coronazeit habe man in kürzester Zeit umdenken müssen und viele Lehrgänge seien digitalisiert worden. Ihr Traum für die Zukunft sei es, auch eine Fortbildung zusammen mit der Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung anzubieten.

Nach einer kurzen musikalischen Einlage hielt Christian Petzold als Vertreter der Bundesärztekammer den Festvortrag über MFA und Bildung im Wandel der Zeit. Bildung beschreibe den Prozess der Aneignung von Fähigkeiten und Fertigkeiten und Wissenssystemen in formellen und informellen Kontexten. Auch die Ausbildung von Motivstrukturen und die Grenzen eigenen Handelns umfasse Bildung. Dies betreffe auch die Aus- und Fortbildung von Medizinischen Fachangestellten, denn die Grundlagen für lebenslanges Lernen würden schon früh gelegt. „Studium läuft Ausbildung den Rang ab“, zitierte Petzold das Ergebnis einer Bertelsmann-Studie. Dies resultiere aus strukturellen Problemen. Immer weniger Jugendliche entschieden sich für eine Ausbildung, gleichzeitig würden auch Arbeitgeber zu immer höher qualifizierten Personal streben. Dieses Ringen im Arbeitsmarkt spiegele sich auch bei MFA wider. Petzold bezweifelte, dass man mit den bisherig eingeschlagenen Wegen eine auskömmliche Anzahl an Mitarbeiter finde. Man brauche intelligente Antworten, um MFA für den ambulanten Sektor weiterhin zu begeistern. Gleichzeitig nähmen der Anspruch und die Arbeitsdichte durch eine alternde Gesellschaft weiter zu. Deshalb seien eine stärkere Vernetzung der medizinischen Berufe und ein lebenslanges Lernen notwendiger denn je. Die Bundesärztekammer (BÄK) habe sich außerdem in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder der Weiterentwicklung der Fortbildungsstrukturen gewidmet. Mittlerweile biete die BÄK 36 Musterfortbildungscurricula an.

Motor der Qualität

Nach einer weiteren musikalischen Pause mit Stücken des temporären Bad Nauheimers Elvis Presley sowie Queen lobte die Ärztliche Geschäftsführerin der LÄKH, Nina Walter, die Arbeit von Schulleiterin Silvia Happel und ihrem Team. Sie sei stolz darauf, wo die COS heute stehe. Die COS sei Keimzelle und Motor für Qualität in der Patientenversorgung. Das Team der COS habe immer schon gestaltet, während anderswo noch diskutiert worden sei. Nicht selten seien bei der COS Themen angestoßen worden, die dann wenig später in die Curricula auf Bundesebene eingeflossen seien. „Der Motor läuft wie geschmiert.“, resümierte Walter, „Auf die nächsten 50 Jahre voll Herz, Hirn und Humor!“

Die Schulleiterin Silvia Happel rundete die Rednerliste ab. Sie könne stundenlang aus dem Nähkästchen reden, erzählte Happel. Sie fasste noch einmal die große Entwicklung des Berufsbildes zusammen, das sich von einem Anlern-Beruf, der „Sprechstundenhilfe“, zu einem medizinischen Fachberuf gewandelt habe. 1.200 Auszubildende kämen jedes Jahr zur COS, parallel würden noch einmal 1.100 im E-Learning begleitet. Die heutigen Reden seien ein besonderer Ansporn für das Team, immer weiter zu arbeiten und zu optimieren. Die vielen Menschen hinter den Kulissen sorgten tagtäglich dafür, dass alles reibungslos laufe. Auch die Dozentinnen und Dozenten würden die COS ungemein bereichern. Der Eigen- und Patientenschutz stehe im Mittelpunkt der Lehre. „Wenn Sie am Ende in strahlende Gesichter schauen und dann hören ‚Endlich habe ich es verstanden‘, dann ist das für uns alle das größte Lob“, sagte Happel. Abschließend dankte Happel ihrem Team, den Dozenten sowie dem Ehrenamt aus der Ärzteschaft für deren herausragendes Engagement. Musikalisch abgeschlossen wurde mit Hits aus der Gegenwart.

Fortbildungstag und Aussteller

Parallel zum Festakt im Saal Frankfurt konnten Interessierte, insbesondere Medizinische Fachangestellte, Auszubildende zur/zum MFA und interessiertes Praxispersonal am Fortbildungstag „Wissen und Handeln“ teilnehmen. In den Räumlichkeiten der Carl-Oelemann-Schule standen verschiedene spannende und lehrreiche Themen auf dem Plan. Von Grundlagen des Kinesio-Tapings über gesunde Ernährung im Alltagsstress bis hin zu richtig angelegten Kompressionsverbänden stand den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine breite Auswahl zur Verfügung.

Vor und nach dem Festakt boten außerdem Aussteller mit Infoständen die Möglichkeit zum Austausch. Vertreten waren unter anderem das Hessische Krebsregister sowie die Stabsstelle Kommunikation der Landesärztekammer Hessen. Hier wurde über die erfolgreichen Präventionsprojekte „Hackedicht – besser geht’s Dir ohne!“ für Alkohol sowie das jüngste Projekt „Cannabis: Kiffen, bis der Arzt kommt?“ informiert.

Lukas Reus