Dr. med. Simone Cosima Boedecker-Lips, Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke
Der Klimawandel und die hierdurch zunehmende Erderwärmung, die Umweltverschmutzung und die Erschöpfung natürlicher Ressourcen gehören zu den größten Bedrohungen für die Bevölkerung. [1] Eine umweltfreundliche und klimaneutrale Lebensweise in allen Bereichen der Gesellschaft, einschließlich des Gesundheitswesens sollte mit zunehmender Dinglichkeit ein internationales Ziel sein.
Das Gesundheitswesen ist zwar im Vergleich zu anderen Bereichen, wie unter anderem der Industrie, deutlich emissionsärmer, jedoch trägt es dennoch in erheblichem Maße zu den Kohlenstoffdioxidemissionen bei. In Deutschland sind es aktuell 5,2 % (entsprechend 746 Millionen Tonnen CO2eq) des jährlichen CO2-Fußabdruckes. (https://noharm-uscanada.org/ClimateFootprintReport). Insbesondere der Fachbereich Nephrologie mit der ressourcenintensiven Nierenersatztherapie zählt zu den kohlenstoffintensivsten medizinischen Fachgebieten.
Der CO2-Fußabdruck ist vor allem auf hohe CO2-Emissionen zurückzuführen, die mit der Hämodialyse (HD) und der Peritonealdialyse (PD) verbunden sind. [2] Zu nennen sind hier:
- der Wasserverbrauch für die Herstellung des Permeats
- der hohe Energieverbrauch a. Betreiben der Umkehrosmose b. Erwärmung des Dialysats c. Betreiben der Dialysemaschine
- hohe Materialverbrauch
- Dialysatoren
- Schlauchsystem
- Nadeln
- Dialysatkonzentrate
- Medikamenten
- Transport von Personal und Patient*innen in die Dialysezentren
Dementsprechend wird in den aktuell vorliegenden Daten des CO2-Fußabdruck einer Dialysebehandlung zwischen 25–65 kg CO2 pro Dialysebehandlung angegeben. Diese Berechnung beinhaltet unter anderem einen Wasserverbrauch von 300–600 l sowie den Anfall von 10–15 kg Müll pro einzelner Dialysebehandlung. [3–5] Die große Spanne des CO2-Fußabdruckes ist auf die unterschiedlichen Nationen zurückzuführen, so sind die entstehenden CO2-Emissionen in den USA und Australien sehr hoch, hingegen in Großbritannien deutlich niedriger. Dies ist unter anderem z. B. in Australien mit den klimatischen Bedingungen und der flächendeckenden Ausstattung mit Klimaanlagen in medizinischen Einrichtungen verbunden.
Weltweit leiden geschätzt ca. 850 Mio. Menschen an einer chronischen Nierenkrankheit, davon sind aktuell ca. 2–3 Millionen Patient*innen auf eine Nierenersatztherapie angewiesen. [6]
Global ist die Tendenz der Patient*innen mit chronischer Nierenkrankheit und Nierenersatztherapie steigend. Ursächlich hierfür sind eine weltweit alternde Gesellschaft und eine zunehmend verbesserte medizinische Versorgung in Entwicklungsländern, welche immer mehr Patient*innen mit chronischer Nierenkrankheit (CKD) den Zugang zu einer Nierenersatztherapie ermöglicht. [7] Zudem wirken sich die Umwelt- und Klimaveränderungen mit zunehmenden Hitzeperioden negativ auf das Auftreten, den Schweregrad und die Verbreitung von Nierenkrankheiten aus. [8] Hitzestress, bei welchem zwischen chronischem und extremem Hitzestress (siehe Abb. 1) unterschieden wird, sowie Dehydrierung können zu wiederholten akuten Nierenschädigungen (AKI) führen und im langfristigen Verlauf zur Entstehung einer chronischen Nierenkrankheit, der Hitzestressnephropathie fortschreiten, vgl. Abb. 1. [9]
Darüber hinaus scheint auch eine zunehmende Umweltverschmutzung, unter anderem der zunehmende Anfall von Mikroplastik, welches über Lebensmittel und Flüssigkeiten in den Körper aufgenommen wird, sich negativ auf die Nierenfunktion auszuwirken. [11]
In der Nephrologie besteht somit aufgrund der klimatischen Veränderungen und der zunehmenden Umweltverschmutzung ein zunehmendes Patient*innenaufkommen, anderseits trägt der Fachbereich selbst in großem Maße zu Entstehung von CO2-Emissionen bei. Daher sind in der Nephrologie weltweit die Bemühungen um eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Gesundheitsversorgung und somit hin zu einer „grünen Nephrologie“ und dem Erreichen der Glasgower-Klimaziele maßgebend. [8] Selbstverständlich ist, dass an erster Stelle bei allen Anstrengungen, eine „grüne Nephrologie“ zu erreichen, immer eine uneingeschränkte optimale Patientenversorgung stehen muss.
Ein erster Schritt in Richtung „grüner Nephrologie“ ist es, das Bewusstsein für die verursachten CO2-Emissionen im Fachbereich Nephrologie zu schärfen. In einem zweiten Schritt wird „grüne Nephrologie“ mit der Notwendigkeit von einer Reduktion von Abfall, Einsparung von Wasser, Strom und Energie und der Förderung von Recycling in Verbindung gebracht. Bereits heute umsetzbare Punkte sind in Tab. 1 aufgeführt.
Tab. 1: Mögliche Einsparungen mit Blick auf dem CO2-Fußabdruck |
Einsparung von Energie
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Reduktion des Wasserverbrauches
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Reduktion des CO2-Fußabdruckes
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Darüber werden wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren innovative Weiterentwicklungen der Nierenersatztherapie zunehmend als Alternative zur herkömmlichen Hämodialyse und Peritonealdialyse zur Verfügung stehen, um eine klimaneutrale Patient*innen-Versorgung in der Nephrologie zu erreichen. Bereits heute stehen der Nephrologie neue Gerätegenerationen mit einer Zulassung zur Verfügung. Einerseits Geräte, welche mit Hilfe von Adsorptionsmittelkartuschen oder Kryoregeneration eine Regenrationen des Dialysates ermöglichen und damit drastisch den Wasserverbrauch reduzieren auf minimal 5–10 l pro Dialysebehandlung. Alternativ gibt es sogenannte Low-Flow-Geräte, bei denen ein deutlich reduzierter Dialysat- und Blutfluss genutzt wird und Blut und Dialysat hierdurch eine längere Kontaktzeit haben, sodass hier tägliche kurze Dialysen notwendig sind und eine Wassereinsparung von bis zu 80 % erreicht werden kann. Diese Geräte können insbesondere im Bereich der Heimdialyse eingesetzt werden. Bedauerlicherweise stehen diese den Patient*innen in Deutschland aktuell nicht zur Verfügung, aufgrund der hiermit verbundenen Mehrkosten, welche von den Kostenträgern zurzeit nicht übernommen werden. Neben der Ressourceneinsparung durch den Wegfall des Patient*innentransportes sind deutliche Einsparung des Wasserverbrauches und somit auch der benötigten Energie möglich. Des Weiteren handelt es sich bei den meisten dieser Geräte um portable Dialysegeräte, welche für Patient*innen mit terminaler Nierenkrankheit mit einem deutlichen Gewinn an Lebensqualität verknüpft sind, aufgrund der individuellen örtlichen und zeitlichen Gestaltung der Dialysebehandlungen. [12]
Als weitere Entwicklung gibt es das Bestreben, tragbare Dialysegeräte sowohl für die Hämodialyse als auch die Peritonealdialyse zu entwerfen. Beispielhaft ist hier ein kleines, tragbares Heimdialysegerät zu nennen, das auf einer neuen Technik der Peritonealdialyse basiert. Das System rezirkuliert und regeneriert das Dialysat kontinuierlich mit Hilfe von Sorbentien und ermöglicht hierdurch eine deutlich verbesserte Dialysequalität.
Darüber hinaus wird mit Hochdruck an Lösungsansätzen für einen reellen Organersatz geforscht. Als vielversprechendste sind hier die Xenotransplantation, die Stammzellforschung und die Forschung an „künstlichen“ Niere zu nennen. [13, 14]
Nicht unbedeutender wird es zudem zukünftig nötig sein, den medizinischen bzw. nephrologischen Arbeitsalltag mit Blick auf effektivere Arbeitsabläufe, der Vermeidung von wiederholender Diagnostik und die Verschiebung des Stellenwertes von Screening und Prävention chronischer Nierenkrankheit umzugestalten. Die Prävention spielt im aktuellen medizinischen Alltag nur eine untergeordnete Rolle und wird bedauerlicherweise auch abrechnungstechnisch praktisch nicht abgebildet.
Des weiteren hat sich mit aktuell zunehmenden Behandlungsmöglichkeiten, u. a. durch die Zulassung von Sodium-Glucose Cotransporter-2-Inhibitoren (SGLT2i) zur Behandlung der CKD und zunehmenden krankheitsspezifischen Therapieoptionen für Patient*innen mit Glomerulonephritiden, die Prognose der Patient*innen mit chronischen Nierenkrankheiten deutlich verbessert, indem das Fortschreiten des Nierenfunktionsverlustes reduziert werden kann. Hiermit verbunden ist zudem eine deutliche Reduktion von kardiovaskulären Komplikationen zu erwarten. Dies lässt die Hypothese aufstellen, dass bevölkerungsweite Screeninguntersuchungen möglicherweise bereits heute kostendeckend wären. Hierzu fehlen jedoch aktuell Daten, um ein bevölkerungsweites Screening auf chronische Nierenkrankheiten in Deutschland zu empfehlen.
Abschließend ist zudem das Thema Nierentransplantation zu nennen, welches eine optimale Patientenversorgung und niedrige Kosten für das Gesundheitssystem mit einer geringeren ökologischen Belastung verbindet. Aufgrund dessen sollte sowohl von medizinischer als auch von politischer Seite das Thema Organspende und -transplantation maximal gefördert werden.
Dr. med. Simone Cosima Boedecker-Lips
Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke
beide: I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Nephrologie, Rheumatologie und Nierentransplantation, Universitätsmedizin Mainz
Die Literaturhinweise finden Sie hier.
Multiple Choice-Fragen
Die Multiple Choice-Fragen zu dem Artikel „Grüne Dialyse: Optionen und Ziele“ von Dr. med. Simone Cosima Boedecker-Lips und Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke finden Sie in der PDF-Version dieses Artikels und im Mitgliederportal unter https://portal.laekh.de.
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