Viele wichtige Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), eine neue Bundesgesundheitsministerin und wie jedes Jahr viele Anträge, über die diskutiert und abgestimmt wurde: Die hessischen Abgeordneten berichten von ihren Eindrücken des 129. Deutschen Ärztetages in Leipzig und ziehen ein Fazit der Tagung. Es handelt sich hierbei um eine redaktionelle, stellenweise gekürzte Auswahl.
1. Wie bewerten Sie die Rede von der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU)? Wurden darin die dringlichen Themen der Gesundheitspolitik angesprochen? Konnte sie neue Perspektiven aufzeigen?
Dr. med. Barbara Jaeger, Liste demokratischer Ärztinnen und Ärzte: Frau Warken hat betont, dass sie zukünftig auf Augenhöhe mit den Leistungserbringern im Gesundheitswesen kommunizieren möchte. Ihre Worte klingen wohlgesetzt, aber wir müssen sehen, ob diesen Taten folgen. Als fachfremde Bundesministerin muss sie sich in ärztliche Themen erst einarbeiten.
Dr. med. H. Christian Piper, Marburger Bund: Die politisch erfahrene Juristin ist knapp drei Wochen im Amt. Sie hat sich gesprächsbereit, handlungswillig und geradeheraus sprechend vorgestellt. Ihre fachlich in der Gesundheitspolitik versierten zwei Staatssekretäre werden es ihr hoffentlich leicht machen, langjährige Cliffhänger der Gesundheitspolitik zu tragenden Entscheidungen zu führen. Ministerin Warken hat signalisiert, dass sie „endlich mal machen“ will. Das hat sich beim Vorgänger in Expertengremien festgefressen und hat sich bei der nicht zu Ende geplanten Großbaustelle Krankenhausreform erschöpft.
Dr. med. Lars Bodammer, Marburger Bund: Die Vorschläge zum Primärarztsystem werden sicherlich noch ausgiebig diskutiert. Bevor ein solches System etabliert werden kann, müssen auch die Voraussetzungen geschaffen werden, damit die hausärztliche Steuerung aufgrund zusätzlicher Aufgaben für die Hausärztinnen und -ärzte kein Nadelöhr wird.
Dr. med. Sabine Olischläger, Die Hausärzte: Ich nehme eine neue Offenheit für die Dringlichkeit von Reformen wahr und freue mich, dass sie die Aufgaben der Politik dabei in Bezug auf Patientensteuerung anspricht und nicht wie ihre Vorgänger immer nur Forderungen an Selbstverwaltung und Ärzteschaft stellt.
Dr. med. Elke Neuwohner, ÄrztINNEN Hessen: Ich werte die Rede als ein Angebot zur Zusammenarbeit. Ich hatte den Eindruck, dass auch die Ministerin den nötigen Reformbedarf im Gesundheitswesen sieht und dies auch gemeinsam mit uns Ärztinnen und Ärzten angehen möchte. Was davon eingelöst wird, wird sich zeigen.
Dr. med. Michael Weidenfeld, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen: Warken ist neu im Amt und muss sich erst richtig einarbeiten. Sie macht aber zuversichtlich den Eindruck, mit uns zusammen zu arbeiten und im engen Austausch zu stehen. Die vorhandenen ärztlichen Ressourcen sollen vor allem den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.
Anne Kandler, Marburger Bund: Frau Ministerin Warken war eloquent, wirkte authentisch und professionell. Anders als manche ihrer Vorgänger war sie nicht provokant und nicht anbiedernd, sondern hat mir das Vertrauen gegeben, ein echtes Interesse an der Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten zu haben. Und dass sie kompetent ist und anpacken kann.
Dr. med. Detlev Steininger, Die Hausärzte: Ich habe Bereitschaft zu konstruktiver Kommunikation zwischen Ärzteschaft und Regierung wahrgenommen und die Bereitschaft, eine verabschiedete GOÄ in der Regierung zeitnah in einer Gesetzesverordnung umzusetzen.
Dr. med. Jörg Focke, Marburger Bund: Die Rede von Frau Warken war ruhig und unaufgeregt. Die dringlichen Themen in der Gesundheitspolitik wurden angesprochen. Nach Worten müssen jetzt Taten folgen.
Dr. med. Christof Stork, Liste demokratischer Ärztinnen und Ärzte: Im wesentlichen konnte man Warkens Rede als Gesprächsangebot und als Signal eines offenen Ohrs verstehen. Inhaltlich war es eher defensiv bis beliebig. Visionen fehlten gänzlich. Jedoch ist das vielleicht für ihre fachfremde Anfangssituation eine reell authentische Haltung.
Dr. med. Christine Hidas, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen: Ihre Worte waren verbindlich und offen, sie hinterlässt den Eindruck, dass eine neue Gesprächskultur Einzug halten könnte.
Michael Andor, Die Hausärzte: Sie scheint die Bedeutung und Dringlichkeit der Einführung eines verpflichtenden Primärarztsystems verstanden zu haben. An ihren Taten wird man es sehen ...
Stefanie Minkley, Liste demokratischer Ärztinnen und Ärzte: Sie hat die Themen des Koalitionsvertrages und den größten Kritikpunkt an ihrem Vorgänger – die Kommunikation – geschickt aufgenommen und thematisiert. Neue Perspektiven waren von einer fachfremden Ministerin sicher aktuell (noch) nicht zu erwarten. Auch die dringlichsten Themen kann sie bisher sicher nur durch ihre Berater erfasst haben. Wenig überraschend sind die „Dauerbrenner“ Entbürokratisierung und die Krankenhausreform.
Dipl.-Psych. Frank Seibert-Alves, BMedSci, Marburger Bund: Kurz. Inhaltsarm. Freundlich zugewandt.
2. Wie beurteilen Sie die Rede von Bundesärztekammerpräsident Dr. med. Klaus Reinhardt?
Dr. Sabine Olischläger: Reinhardt hat meinen großen Respekt für die Moderation, die stets das Gesamte im Blick hatte.
Dr. Elke Neuwohner: Angemessen. Die wesentlichen Themen und Anliegen des ärztlichen Alltags wurden aufgegriffen. Ich habe mich gut vertreten gefühlt.
Dr. Michael Weidenfeld: Wie immer konkret und gut. Er sieht im Koalitionsvertrag von Union und SPD eine gute Grundlage für die notwendigen Reformen. Reinhardt hob die von Union und SPD angekündigte Einführung eines Primärarztsystems in Deutschland hervor. Er unterstützt die Fortentwicklung der Krankenhausreform und die ärztliche Weiterbildung. Reinhardt forderte konkrete Umsetzungen zum Bürokratieabbau. Fachkräftemangel: Die seit Jahren angekündigte Reform des Medizinstudiums ist endlich umzusetzen.
Anne Kandler:Die Rede war solide. Es hat mir gefallen, dass das Thema Zusammenarbeit auf Augenhöhe betont wurde. Die Würdigung unseres verstorbenen Ehrenpräsidenten Prof. Karsten Vilmar war mir sehr wichtig. Bei der Verleihung der Paracelsus-Medaille ist mir aufgefallen, dass die Geehrten mit dem Präsidenten, aber nicht mit den beiden Vizepräsidentinnen fotografiert wurden. Ich möchte anregen, das demnächst anders zu handhaben.
Dr. Detlev Steininger:Klare Botschaft zu dringenden Anliegen der Ärzteschaft.
Dirk Paulukat, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen: Gut – insbesondere der Hinweis auf die versicherungsfremden Leistungen als Kostentreiber in der GKV, die nicht aus Beiträgen der Versicherten zu decken sind.
Dr. Jörg Focke: Gute und solide Rede.
Frank Seibert-Alves: Er hat es mittlerweile zu einer Routine gebracht, die dem Anlass angemessen ist.
Stefanie Minkley: Er hat treffend mit den drängendsten Herausforderungen im Gesundheitssystem eingeleitet. Das erwähnte Primärarztsystem sehe ich persönlich kritisch. Gefehlt haben mir die Themen Klimakrise, Migration von Ärztinnen und Ärzten und Frauengesundheit – gerade während des aktuellen weltweiten Rechtsruckes sollten wir die Wichtigkeit dieser Aspekte immer wieder betonen.
Dr. Christof Stork: Umfangreich und gehaltvoll. Teilweise eine schlechte Akustik.
Dr. H. Christian Piper: Sehr ausgewogen und prägnant in den gut und lange mitgeführten Themen GOÄ neu und zur Abschaffung des § 218 im Strafgesetzbuch.
Michael Andor: Neben gewohnt harmlosen Allgemeinfloskeln über Digitalisierung, Entbürokratisierung etc. hat er löblicherweise auch das Problem mit den investorengetragenen Versorgungszentren (iMVZ) im ambulanten Bereich angesprochen. Ich halte das Thema für brisant.
Dr. Christine Hidas: Alle wichtigen Themen wurden angesprochen: Entbürokratisierung, Primärarztsystem/Patientensteuerung, Krankenhausreform. Auch sprach er über die Zukunft, bspw. Rentnerinnen und Rentner im ärztlichen Arbeitsleben zu halten und im Rahmen der verstärkten Prävention z. B. Steuern auf ungesunde Lebensmittel zu erheben – beides in direkter Ansprache an die Ministerin.
Dr. Barbara Jaeger: Herr Dr. Reinhardt hat die wichtigsten anstehenden Herausforderungen benannt und für strukturelle Veränderungen geworben, damit wieder Gerechtigkeit und Verlässlichkeit im Gesundheitswesen herrschen können, es qualitativ hochwertig und bezahlbar für zukünftige Generationen bleiben kann. Er erinnerte, dass Freiheit nur mit der Verantwortung des Einzelnen möglich ist und wir als Ärzteschaft in Zeiten des Wandels unsere Verantwortung in der Gesellschaft tragen müssen.
3. Welche Themen und Anträge auf dem Deutschen Ärztetag waren Ihnen besonders wichtig?
Anne Kandler:Besonders die Aufbereitung des Themas KI fand ich wichtig, damit wir den Anschluss nicht verlieren.
Dr. Lars Bodammer:Natürlich war ein viel diskutiertes Thema für uns Ärztinnen und Ärzte die GOÄ. Dies soll aber nicht schmälern, dass wir uns als wichtige Institution für gesundheitsbezogene Impulse und Empfehlungen an Politik und Gesellschaft verstehen. Hierzu gehörten die Themen rund um den § 218, Themen zur Prävention und zum Klimaschutz.
Frank Seibert-Alves:Die, bei denen wir nach langer Diskussion zu erstaunlich eindeutigen Abstimmungsergebnissen kamen. Eine sinnvolle Neuentwicklung: Die weit über hundert Anträge, die jedes Jahr zu Themen eingereicht werden, die nicht zu den angekündigten Hauptthemen zählen, wurden bisher unter einer größeren Anzahl von Überschriften gesammelt. Dieses Jahr konnten wir 250 Abgeordnete erstmals die Themenüberschriften durch Punktevergabe priorisieren. Somit wurden vorrangig die Themen behandelt, die vielen wichtig sind.
Dr. Detlev Steininger:GOÄ – große Freude über die positive Verabschiedung. Diskussion und Verabschiedung zum § 218.
Dr. Sabine Olischläger: Künstliche Intelligenz in der Medizin.
Dr. Barbara Jaeger:Erleichtert bin ich über das Votum des DÄT zur Entkriminalisierung des Paragrafen 218, ein langer Weg! Die Diskussion wurde erstaunlich offen und wertschätzend im Bewusstsein der ärztlichen Verantwortung geführt, die wir gegenüber den ungewollt schwangeren Frauen haben. Es ist uns gelungen, sowohl das Recht der Frauen auf Leben, Gesundheit und Selbstbestimmung als auch das Recht des Ungeborenen auf Leben zu beachten. Außerdem freue ich mich auf die Verabschiedung der Reform der GOÄ, so dass ich in der psychosomatischen Praxis zukünftig endlich auch mit Privatpatientinnen und -patienten differenziert und angemessen vergütet arbeiten kann.
Dirk Paulukat: GOÄ und Weiterbildung.
Dr. Elke Neuwohner: Ich war gespannt auf die Abstimmung zur GOÄ, die ja einen langen Vorlauf hatte. Ich war sehr froh, dass es uns als Ärzteschaft gelungen ist, da soviel Konstruktivität und Geschlossenheit zu zeigen. Das andere wichtige Thema war für mich die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches in der Frühschwangerschaft. Hier haben viele Kolleginnen und Kollegen lange intensiv daran gearbeitet, dass die Versorgung in diesem Bereich erhalten und verbessert wird.
Dr. med. Peter Zürner, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen: Die nüchterne und sachliche Debatte zum Thema § 218. Nach der recht emotionalen und aus meiner Sicht unausgegorenen Debatte beim vergangenen DÄT in Mainz hat die jetzt gut vorbereitete Diskussion ein ausgewogenes Ergebnis gebracht. Dies steht dem Deutschen Ärztetag gut an.
Michael Andor: Die GOÄ musste vom Tisch.
Dr. Michael Weidenfeld:Künstliche Intelligenz in der Medizin. Ärztliche Perspektiven zum Schwangerschaftsabbruch.
Dr. Christine Hidas: Entkriminalisierung des Paragrafen 218; Verschlankung der Weiterbildungsordnung.
Dr. H. Christian Piper: KI als zukünftig ubiqitäre, aber kritisch zu verfolgende Anforderung in Wissenschaft und Medizin. Die ausführliche Befassung und überwältigend mehrheitlich beschlossene neue GOÄ. Die hochkarätige Debatte über die notwendige Abschaffung des § 218 StGB: Schwangerschaftsabbrüche müssen mit guter Beratung unter den Regeln eines eigenständigen und bürgernahen Gesetzes erfolgen. Weiterbildung neu gedacht: Die Systematiken von Zusatzweiterbildungen der M-WBO 2018 sind neu geordnet, verschlankt und vereinfacht worden; sowohl für die Anforderungen beim Erwerb (mehr berufsbegleitend, mehr Kursweiterbildungen) als auch für den Abbau bürokratischer, kammerlastiger und aufwendiger Kontrollprozesse. Ein guter Einstieg, der auf dem nächsten DÄT bei Facharztregelungen fortgesetzt werden wird.
Dr. Christof Stork: Die Debatte zum § 218 und zum klimabezogenen Gesundheitsbereich. Die Debatte zur GOÄ wurde sehr umsichtig moderiert, fair und respektvoll.
Dr. med. Susan Trittmacher, Fachärztinnen und Fachärzte Hessen: Ärztliche Perspektiven zum Schwangerschaftsabbruch. Es besteht Einigkeit, dass die Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch herbeizuführen, aus dem Strafgesetzbuch entfernt werden muss. Das Selbstbestimmungsrecht der Patientin gilt es ebenso zu beachten wie das Selbstbestimmungsrecht der Ärztinnen und Ärzten, ob sie so einen Eingriff durchführen wollen oder eben nicht. Die Beachtung der Autonomie der Patientin und der Schutz des ungeborenen Lebens sind in diesem Setting konfliktiv, so dass die Pflicht zur Beratung weiter eingefordert wird.
Stefanie Minkley: Mir waren die Themen der Frauengesundheit wichtig: Insbesondere die Versorgung von ungewollt Schwangeren und von Frauen mit Fehlgeburten. Wenn die Bundesregierung die historischen Anträge zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ernst nimmt, führt das hoffentlich zu einer besseren Versorgung. Mein Antrag zum Thema Fehlgeburten wurde leider nicht mehr behandelt. Hier hoffe ich auf den Bundesvorstand, dass er sich – genau wie die Landesärztekammer Hessen – für dieses Thema einsetzt.
Dr. Jörg Focke: Die Entkriminalisierung durch Regelung des Schwangerschaftsabbruches außerhalb des Strafgesetzbuches halte ich für ein überfälliges und sehr wichtiges Thema. Ich möchte ausdrücklich allen Kolleginnen und Kollegen, die entsprechende Anträge vorbereitet haben, dafür danken.
4. Wurde das Schwerpunktthema Künstliche Intelligenz in der Medizin auf dem 129. DÄT zu Ihrer Zufriedenheit behandelt?
Dr. Lars Bodammer:Ja. Ich fand die Impulsvorträge spannend und beeindruckend, wie sehr KI unsere Arbeitswelt und die Behandlung von Patientinnen und Patienten beeinflussen wird. Wir müssen hier mitgestalten, damit wir unseren Ansprüchen in der Ausübung des ärztlichen Berufes auch in Zukunft gerecht werden.
Dr. Peter Zürner: Exzellente Vorträge, die jedem zum Nachlesen/Sehen empfohlen sind. Die Ärzteschaft wird lernen, KI als Werkzeug so einzusetzen, dass es Prozesse verbessert und dem Arzt zuarbeitet. Der Arzt wird immer der verantwortliche Handelnde bleiben. Das müssen wir gegen multiple kommerzielle Interessen durchsetzen.
Dr. Michael Weidenfeld:Ja. Es waren sehr gute Impulsvorträge und eine fruchtbare anschließende Diskussion.
Neu für mich war die Information über die doch sehr große Umweltbelastung durch das Nutzen der KI, denn die KI-Nutzung geht mit einem immensen Ressourceneinsatz einher. Um diesem Spannungsfeld zu begegnen, ist es wichtig, KI dort einzusetzen, wo sie dem Gemeinwohl dient und ein wirklicher Nutzen erkennbar ist („using wisley“, Zitat aus einem Antrag). Wichtig für mich ist: Die Behandlung von Patienten und Patientinnen ist immer den Ärztinnen und Ärzten vorbehalten. Künstliche Intelligenz darf ärztliche Entscheidungen lediglich unterstützen, diese aber in keinem Fall ersetzen.
Stefanie Minkley: Wir haben gute Debatten zwischen Datenschutz, ärztlicher Schweigepflicht und den Chancen der neuen Technologien geführt. Regeln und Rahmenbedingungen zur Nutzung von KI in der Medizin müssen nun vom Gesetzgeber und den Kammern schnell auf den Weg gebracht werden.
Dr. Sabine Olischläger: Kann nur ein Anfang sein und ist bei seiner Komplexität und nur ansatzweise möglicher Sachkenntnis der Möglichkeiten und natürlich auch der Risiken noch lange nicht zufriedenstellend behandelt.
Dirk Paulukat: Zu viele, redundante Anträge, zu lange Diskussion, hat zu viel Zeit benötigt.
Dr. Barbara Jaeger: Mir wurde deutlich, dass die KI in vielen Bereichen der Medizin unterstützend in Diagnose, Behandlungsplan und Angleichung von Medikamenten sein wird, aber sie wird die ärztliche Beziehung, die durch Empathie, Verantwortung und Vernunft ausgezeichnet ist, nicht ersetzen können.
Dr. Elke Neuwohner: Ja. Das waren sehr gute Beiträge, die einen hohen Informationsgehalt hatten. Auch dem Bekenntnis, dass wir als Ärztinnen und Ärzte die Rolle der KI in der Medizin aktiv mitgestalten wollen, kann ich mich gut anschließen.
Anne Kandler: Die Diskussion hat gezeigt, dass das Wissen zum Thema KI teilweise nur spärlich vorhanden ist. Die Befassung mit KI auf dem DÄT kann nur ein Beginn sein. Ich finde es gut und wichtig, dass Fortbildungen dazu von verschiedenen Landesärztekammer-Akademien angeboten werden.
Dr. Jörg Focke: KI in der Medizin ein sehr wichtiges Thema! Hier darf es uns nicht wie bei der Digitalisierung passieren, dass wir zurückliegen. Aktuell fehlt es in vielen Krankenhäusern an ausreichender Hardware und Software, um die Digitalisierung in der Medizin umzusetzen. So verpassen wir den Anschluss bei der Digitalisierung und den Anschluss bei der KI-basierten Medizin! Das darf uns nicht passieren, denn wir wollen und müssen mitgestalten, sonst werden es andere für uns tun! Dies war auch Konsens auf dem DÄT.
Dr. Christof Stork: Da ich digitaler Laie bin, waren für mich viele interessante und teils neue Aspekte dabei. Positiv fand ich den Optimismus, dass wir seitens der Ärzteschaft noch mitgestalten können. Allerdings bleibt bei mir trotzdem Skepsis diesbezüglich. Europa und europäisches Know-how müssten dann im Turbotempo US- und China-Techfirmen erreichen bzw. überholen. Da bleiben viele Fragezeichen. Es muss vieles gesetzlich vorausschauend geregelt werden. Dies wurde in den Anträgen differenziert eingefordert. Allerdings habe ich Zweifel, dass politischer Wille, Geld und Zeit seitens der Legislative in Deutschland und Europa dazu ausreichen.
Dr. Detlev Steininger:Es ist so umfangreich, dass ein einzelner Deutscher Ärztetag das Thema KI nicht zu meiner Zufriedenheit behandeln kann. Ob wir Ärzte die patientennahe Zuwendungsmedizin gegen die vermeintlich überlegene KI verteidigen können, wird die Zukunft zeigen.
Dr. Christine Hidas: Hervorragende Referentinnen und Referenten sowie viel Raum für Diskussion – dies zeigte sich auch in der Anzahl der Anträge. Wichtig ist es, die KI für die medizinischen Bereiche ausschließlich zum Wohl der Patientinnen und Patienten und der Mitarbeiter zu nutzen.
Michael Andor: Etwas übertrieben. Je leistungsfähiger die neuen Rechner-Chips werden, umso umfangreicher und komplexer wird deren Verwendbarkeit in den Endgeräten. Dies ist kein Grund weder für Panik noch für Mystifizierung der Technik. Die Aufgabe: Man mache das Beste daraus ...
Dr. H. Christian Piper: Ja, umfassend im Dialogforum für die jungen Ärztinnen und Ärzte wie auch in den Leitvorträgen im Plenum des DÄT. Viele weiterführende Anträge wurden gestellt, um die patientenorientierte Entscheidungsveranwortung der Ärztinnen und Ärzte zu erhalten und zugleich notwendige Offenheit für die rasanten KI-Entwicklungen zu bahnen. Der technologische Nachholbedarf bei der Verwendung von KI in Deutschland wird dabei alle persönlichen Energien und die Bereitschaft zu großem Ressourceneinsatz bei allen Beteiligten herausfordern.
5. Wie empfanden Sie die Diskussionen und Entscheidungen zur Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)?
Dr. Lars Bodammer:Erstaunlich konziliant und respektvoll. Ich hatte eine hitzige Diskussion erwartet. Erstaunlich auch das sehr klare Votum für die neue GOÄ.
Dr. Sabine Olischläger: Nach sehr guter Vorbereitung und Moderation sehr sachliche Diskussion und beeindruckende Einigkeit bei der Entscheidung. Eine große Anerkennung für die jahrelange Arbeit der Selbstverwaltung in Bund und Ländern.
Michael Andor: Letztendlich positiv, auch wenn hier der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben wird. Analogien zum GKV-System tun sich auf, statt Budgetierung nun Ausgabenkorridor und vieles mehr.
Dr. Christof Stork: Überraschend gesittet. Ein für Ärzteschaft und Öffentlichkeit wichtiges Beispiel einer fairen, demokratischen Diskursfähigkeit.
Dr. Susan Trittmacher: Die Aussprache hierzu war von der Dominanz der Zustimmung zum Antrag der BÄK geprägt, dem Vorschlag zur Novellierung der GOÄ zuzustimmen. Ich glaube nicht daran, dass man die Verbundenheit unter Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen stärkt, indem ärztliche Leistungen bestimmter Fachkolleginnen und Kollegen abwertet werden. Hier wurde das richtige Ziel (Novellierung der GOÄ) mit dem falschen Mittel herbeigeführt.
Stefanie Minkley: Ich empfand die Diskussion als respektvoll und ausreichend. Zuvor gab es viele Möglichkeiten, um die nötigen Informationen zu erhalten und mit der BÄK in den Austausch zu gehen.
Dr. Detlev Steininger:Zukunftsgerichtet notwendige Entscheidung – große Unterstützung und Freude auf meiner Seite. Abbruch der Diskussion war aus meiner Sicht nicht notwendig.
Dr. Christine Hidas: Die Diskussionen waren sachlich und wenig emotional, allerdings fand ich es nicht konstruktiv, die Debatte per Antrag zu beenden. Die Rednerinnen und Redner, die dadurch nicht mehr sprechen konnten, hätten das Zeitmanagement nicht sehr beeinträchtigt. So kam das Gefühl auf, möglichst ohne viel Diskussion zur Abstimmung zu gelangen, das ist im Sinn des demokratischen Verständnisses der Ärzteschaft eigentlich nicht würdig.
Anne Kandler: In der Diskussion wurden alle mitgenommen. Ich begrüße es, dass das das Heft des Handelns nicht aus der Hand gegeben wurde. Mit der Zustimmung zum vorliegenden Kompromiss ist die ärztliche Selbstverwaltung gestärkt worden. Wir sollten unseren freien Beruf weiterhin selber organisieren.
Dr. Peter Zürner:Überraschend sachlich – und nach anfänglichen Turbulenzen hat die exzellente Aufklärungskampagne der Bundesärztekammer überzeugt. Es ist wichtig, dass eine so große Mehrheit zugestimmt hat, so dass die weiteren politischen Verhandlungen möglich werden.
Reinhardt hat sich bei diesem Thema sehr überzeugend profiliert. Insgesamt war die Moderation des Präsidenten hervorragend. Ich habe den Eindruck, er wird bei jedem Ärztetag souveräner und lockerer; das tut der Atmosphäre des Ärztetages gut.
Dr. Elke Neuwohner:Dass es so ein klares Votum für die neue GOÄ gibt, ist gut. Es zeigt, dass die Ärzteschaft ein verlässlicher und auch konstruktiver Partner in Entscheidungsprozessen ist. Ich habe die Debatte als würdevoll und wertschätzend erlebt, auch den Kolleginnen und Kollegen gegenüber, die mit dem Entwurf zur GOÄ nicht einverstanden waren.
Dirk Paulukat: Leider ein frühes Ende der Debatte, nach etwas über 20 Rednern kam der Geschäftsordnungsantrag zum Ende der Debatte obwohl noch mindestens 25 Redner auf der Liste standen; die Rednerliste wurde schon vor Beginn der Diskussion geschlossen und die Redezeit war auch von Beginn an auf zwei Minuten begrenzt.
Man hätte alle Abgeordneten auf der Liste bei diesem wichtigen Thema sprechen lassen müssen – so wie das bei anderen Themen ja auch fast immer und kleinteilig möglich ist.
Dr. H. Christian Piper: Nach Wochen disruptiver und teilweise sehr in die Irre führenden Debatten in jüngster Zeit wurde sehr deutlich: Ein die über Jahre entwickelte GOÄneu ist tragbarer Kompromiss zu einem dringend erforderlichen Neustart. Ein steter vernünftiger, zeitgemässer und geregelter Anpassungsprozess ist unterlegt. Die überwältigende Mehrheit konnte das erkennen und annehmen. Angesichts von über 90 % Ja-Stimmen haben die wenigen Ängstlichen und die manchmal überlaut zu hörenden Dauerkritiker nun kollegial alle Chancen, den „proof of concept“ kritisch mit zu begleiten.
Dr. Barbara Jaeger: Es wurde (erstaunlich) auf eine angenehme Art diskutiert, durch die gute Vorbereitung und Einführung durch Dr. Reinhardt, in der er auf die massiven Bedenken der verschiedenen Berufsgruppen eingehen konnte. Die Stärkung der Arzt-Patient-Interaktion versus der gerätedominierten Medizin durch die neue GOÄ begrüße ich und erlebe dies als wichtige Weichenstellung für die Versorgung in der Zukunft.
Dr. Michael Weidenfeld:Sehr starke Rede des Präsidenten; sehr gute Darstellung der vielen Arbeit seitens des Präsidiums und des Präsidenten mit dem ganzen Team. Unerwartet sachliche Diskussion mit einem eindeutigen Ergebnis.
Dr. Jörg Focke: Es war eine sachliche Diskussion, die natürlich kontrovers war, in der aber alle Beteiligten eine sehr gute Diskussionskultur wahrten.
Frank Seibert-Alves: Angemessen.
6. Wie lautet Ihr Fazit des 129. Deutschen Ärztetages?
Dr. Sabine Olischläger:Interessanter lebhafter und konstruktiver Ärztetag. Erlebte gute Demokratie.
Dr. Peter Zürner:Gelungene Basisdemokratie in einer recht konstruktiven Atmosphäre. Dies stärkt die verfasste Ärzteschaft.
Dr. Lars Bodammer: Dieses Jahr haben wir einen gut strukturierten Ärztetag erlebt, viele Themen wurden intensiv besprochen und der Ärztetag hat sich klar zu wichtigen Themen positioniert. Jetzt liegt es an der BÄK und uns Vertretern der Ärzteschaft, mit diesen Themen die Entscheidungen der Politik zu beeinflussen.
Dr. H. Christian Piper:Guter Arbeitsärztetag, weitblickende Debatten und klare Beschlüsse zu herausfordernden Themen. Chapeau!
Dr. Christof Stork: Gute Aufnahme durch die gastgebende Landesärztekammer. Würdige Veranstaltungsorte. Die Tramfahrten während des Turnfests waren eine Herausforderung. Die Kneipe zum Hessenabend war originell, aber hoher Geräuschpegel. Die Aufbereitung und Diskussion zu den Anträgen aus TOP Ic am Freitag war klug strukturiert und produktiv bzgl. der geleisteten Abstimmungen.
Dr. Michael Weidenfeld:Es war ein guter, interessanter und erfolgreicher Ärztetag. Gut ausgewählte Themen. Die geeinte Ärzteschaft hat mit dem eindeutigen und starken Ergebnis zur Umsetzung der GOÄ-Reform ein ausgezeichnetes Zeichen an die Politik gegeben.
Dr. Elke Neuwohner:Ich habe hier konstruktive und lebendige Debatten erlebt sowie einen guten kollegialen Austausch. Das, was diskutiert und abgestimmt wurde, war relevant und alltagsnah.
Anne Kandler:Das war ein guter Ärztetag – mit gesellschaftlich relevanten und für Ärztinnen und Ärzte wichtigen Themen. Jeder konnte zu Wort kommen, Für und Wider wurde abgewogen. Es freut mich besonders, dass viele neue Abgeordnete das Wort ergriffen haben.
Dirk Paulukat: Ein schöner und gut organisierter Ärztetag, Danke an die Landesärztekammer Sachsen. Leider blieben am Ende wieder knapp 100 Anträge zum TOP Ic (allgemeiner Teil) unbearbeitet – das sollte reformiert werden.
Frank Seibert-Alves:Wir sind vorangekommen.
Michael Andor: Präsident Dr. Reinhardt wird in die Geschichte eingehen, mit der GOÄneu hat er nach bald 40 Jahren endlich die Kuh vom Eis gekriegt.
Dr. med. Barbara Jaeger: Erfreulicherweise sind deutlich jüngere Kolleg*innen berufspolitisch aktiv und die Kommunikationskultur verändert sich auf eine gute Art. So können von dem DÄT Signale an Politik und Gesellschaft ausgehen. Schade, dass die Aussprache zu Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik zu kurz kam.
Dr. Detlev Steininger:Viele wichtige und notwendige Themen, letztendlich zu wenig Raum für ausreichende Diskussionen zu allen Themen. Also thematisch überlastet. Eine interessante Stadt Leipzig.
Dr. Susan Trittmacher: Die ärztliche Berufsausübung und die kollegiale Zusammenarbeit mögen auf Kompetenz, Würde und Respekt beruhen und nicht auf Angst und Neid. Hierzu sind Veranstaltungen wie der Deutsche Ärztetag wichtig.
Dr. Christine Hidas: Ein guter Ärztetag – wie immer anstrengend und voller Informationen. Die Antragsflut am letzten Tag zeigt, dass wir eine neue Struktur schaffen müssen, um der adäquaten Befassung mit den Anträgen gerecht zu werden. Erfreulicherweise zeigt sich bei den Delegierten ein Generationenshift hin zu jüngeren Kollegen und vor allem Kolleginnen – das tut der Ärzteschaft gut.
Stefanie Minkley: Meine große Hoffnung – ein progressives Zeichen für die Entkriminalisierung von ungewollt Schwangeren und ihren versorgenden Ärztinnen und Ärzten – wurde erfüllt. Der respektvolle Umgang und Ton in den Debatten hat mich positiv überrascht.
Dr. Jörg Focke: Ein DÄT mit vielen wichtigen Top-Themen.
Lukas Reus, Isolde Asbeck