Es erstaunt mich, warum dieser Text mit all seinen inhaltlichen Problemen an dieser prominenten Stelle in dieser Länge erscheint. Die Argumente, die der Autor anführt, bestehen hauptsächlich aus anekdotischer Evidenz.
Meines Erachtens ist ein Primärarztsystem, so wie es in fast allen entwickelten Ländern dieses Planeten üblich ist, auch in Deutschland unabdingbar.
Im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit habe ich täglich die Schwächen und massiven Effizienzverluste und zusätzlichen Kosten durch unser ungeordnetes System erfahren dürfen. Mein Eindruck war immer: Die Zahnräder laufen aneinander vorbei.
Herr Soyka meint, mit seiner Analogie des Lotsen und des Kapitäns das Problem korrekt beschreiben zu können. Dem ist nicht so. Was allerdings zu befürworten ist, ist ein System des Peer Reviews, über welches im Moment auch intensiv diskutiert wird.
Dass ein Patient mehrere Hausärzte angibt, lässt sich einfach dadurch verhindern, dass man eingeschrieben wird, analog zum HZV-Modell (Hausarztzentrierte Versorgung). Hier sehen wir sofort, ob der Patient noch an anderer Stelle eingeschrieben worden ist.
Die genannten Beispiele, insbesondere, das des älteren Herren mit den Rückenschmerzen, habe ich auch häufig in ähnlicher Form erlebt. Ein verantwortungsbewusster Hausarzt wird sehr schnell die roten Flaggen ausschließen (Metastasen eines Prostatakarzinoms, Osteoporose, Sinterungen, Frakturen, Infektion, etc.). Dies kann durchaus binnen einiger Tage erledigt sein. Bei uns muss man auf einen Röntgentermin beim Radiologen genau einen Tag warten.
Auch denke ich, dass ein nach unseren Standards ausgebildeter Hausarzt die Indikation für eine Röntgenuntersuchung durchaus selbst stellen kann. Was nicht geht, ist, dass man den Patienten einfach zum Orthopäden überweist, um es dort ausschließen zu lassen. Das wird nicht funktionieren und würde Wochen bis Monate dauern. Deshalb hat sich Herr Soyka vermutlich beruflich privatärztlich und publizistisch orientiert, um mit diesem Ärger nichts mehr zu tun zu haben. Ebenso ist es auch in der hausärztlichen Medizin geläufig, einen PSA-Wert interpretieren zu können.
Ich fände es daher sinnvoll, die Diskussion über die Umstrukturierung der ambulanten medizinischen Versorgung zu eröffnen – auch im Hessischen Ärzteblatt. Dazu gehören unbedingt die Förderung und Unterstützung der Allgemeinmedizin, insbesondere mit Blick auf den Nachwuchs. In der Allgemeinmedizin werden bis zu 80 % aller medizinischen Probleme gelöst, ohne andere Strukturen des Gesundheitswesens in Anspruch zu nehmen. Dies ist schnell, effektiv und preisgünstig und sollte uns allen als Beispiel dienen.
Dr. med. Wolfgang Pilz, Friedberg
