Wunschliste des Ärztinnenbundes Gießen für Kammerarbeit und Beruf

Die Gremienbesetzung der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) ist weit von einer Parität entfernt, die Mitgliederzahlen der LÄKH sind es keineswegs. In Zukunft ist angesichts des wesentlich höheren Anteils weiblicher Studierender der Humanmedizin noch mit einem weiteren Anstieg von Frauen unter den Kammerangehörigen zu rechnen.

Was hält speziell Ärztinnen davon ab, sich in Gremien der Landesärztekammer zu engagieren? Welches Wissen haben sie, welche Informationen fehlen, welche Themen bewegen sie?

Eine Arbeitsgruppe der Regionalgruppe Gießen initiierte zu diesen Fragen eine kleine Umfrage unter hessischen Mitgliedern des Deutschen Ärztinnenbundes. Der Rücklauf (ca. 20 %) ist keineswegs repräsentativ, bietet aber aufgrund vieler Freitextantworten reichhaltiges Material mit wertvollen Anregungen.

Verbesserte Transparenz

Vielfach fand sich die Forderung nach mehr Transparenz!

Anregungen: Bei Umstellung des Hessischen Ärzteblatts (HÄBL) auf Online-Ausgaben sollte es einmal pro Jahr eine Printausgabe geben, wo übersichtlich auch die Organisationsstruktur der LÄKH dargestellt wird – am besten mit QR-Codes für weitere online abrufbare Informationen. (Internetseite mit Organigrammen und Zusatzinformationen zu den mit Ehrenamtlichen besetzten Gremien und Aufgaben, Tagungsrhythmus und Sitzungsdauer sowie Aufwandsentschädigung).

Ein Archiv zu speziellen Themen (über Suchmaschine auffindbar). Welche Themen und ehrenamtlichen Ansprechpartner:innen gibt es jenseits von Präsidium LÄKH und Vorstand Versorgungswerk? Gewünscht werden auch Infos und Vernetzung z. B. über Gesundheitstage.

Zusammenfassungen von mitgliederrelevanten (und nicht vertraulichen) Beschlüssen der Gremien sollten publik gemacht werden. Wie ist die Stellung der Kammer gegenüber wesentlichen Fragen der (Gesundheits)-Politik?

Gestaltung von Sitzungen

Online oder Hybridangebote werden gewünscht, aber auch mindestens eine Präsenzsitzung pro Gremium und Jahr, um Vernetzung und informellen Austausch zu fördern. Gewünscht wird Coaching durch erfahrene Kolleginnen und stärkere Vernetzung von Aktivistinnen – auch listenübergreifend. Die Übernahme von Kinderbetreuungskosten oder speziellen Betreuungsangeboten sollte unkompliziert möglich sein – das gilt auch für weitere Veranstaltungen der LÄKH.

Gewünschte Informationen

Es besteht ein hoher Informationsbedarf insbesondere zu empfehlenswertem Verhalten am Beginn der Berufstätigkeit. Das Versorgungswerk betreffend: Wie verhalte ich mich taktisch klug für möglichst günstige zukünftige Absicherung? Wie viel Rente kann ich erwarten, was passiert bei Höherversicherung? Wie funktioniert die Verwaltung? Wie wird Geld angelegt?

Gibt es Kooperation mit anderen Versorgungswerken? Wie wirken sich Elternzeit und Teilzeitarbeit auf Rentenanwartschaften aus?

Eher allgemeiner Informationsbedarf besteht zu der Bedeutung ärztlicher Selbstständigkeit im Vergleich zum Angestelltenverhältnis sowie zu medizinischen Versorgungszentren. Weitere Themen sind: unter anderem die Telemedizin.

Unterstützungsbedarf und Problemfelder von Ärztinnen

Schwangerschaft in der Weiterbildung (WB) und bei fachärztlicher Tätigkeit sowie insgesamt bessere Anleitung in der WB sind weitere brennende Themen. Gewünscht werden mehr Berücksichtigung von Interessen von Chefärztinnen und Ärztinnen im Krankenhaus, TOP-Sharing-Modelle (Arbeitszeitmodelle, bei dem sich zwei Führungskräfte eine Managementposition teilen) in Beruf und Ehrenamt, Netzwerke, bessere Anerkennung von Teilzeitarbeit in der Weiterbildung, auch für Clinician Scientists, Etablierung von Quoten in vielen Bereichen, insbesondere auch bei Gremien der LÄKH.

Außerdem werden dringend verbesserte Kita-Angebote für Kinder von Ärztinnen benötigt. Charakteristische Aussagen: Kinderlose ziehen in Karriere und Kammer vorbei – Aufbrechen patriarchaler Strukturen – Männer werden mehr gefördert als Frauen – Klima des Buckelns in der WB (nicht geschlechtsspezifisch) – flexiblere Arbeitszeiten, weniger Überstunden – geregelte Arbeitszeit an Kliniken – Ämterhäufung etablierter Personen – gewachsene Männernetzwerke mit Ausgrenzung unliebsamer Frauen – Intransparenz und Überalterung bei Prüfern – auch Einbeziehung interessierter Kolleginnen von außen sollte vermehrt erfolgen.

Zur Mitarbeit motivierende Themen

Vielfach genannt wurden Klima und Gesundheit, Gendermedizin, Fort- und Weiterbildung sowie ethische Fragen insbesondere am Anfang und am Ende des Lebens, in die sich die Befragten gerne einbringen würden.

Ausblick

Die Ergebnisse der Befragung zeigen eine Vielzahl anregender Facetten für eine kreative Einbeziehung und stärkere Beteiligung von insbesondere jungen Ärztinnen. Etliche Anliegen sind, um mehr Wirksamkeit zu entfalten, gut geeignet, um als Anträge in die Delegiertenversammlung eingebracht zu werden. Eine beherzte Transformation entlang dieser „weiblichen“ Impulse könnte die Kammerarbeit bereichern und zukunftsführend machen.

Prof. Dr. med. Erika Baum, Dr. med. Carmen Brosig, Dr. med. Brigitte Ende

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