Zahl der postmortalen Organspenden in 2022 deutlich gesunken

Das Jahr 2022 ist geprägt durch die Folgen der Coronavirus-Pandemie und des Personalmangels in den Kliniken, die sich insbesondere im ersten Quartal 2022 auch spürbar auf die Organspendezahlen Deutschlands auswirkten. Nach diesem deutlichen Einbruch der Zahlen im ersten Quartal des vergangenen Jahres folgten zwar Stabilisierung und Stillstand. Insgesamt verzeichnete die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) 2022 bundesweit aber einen Rückgang der Zahl der Organspender um 6,9 %. Damit haben 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet, 2021 waren es noch 933 Personen (Abb. 1).

Im Bundesland Hessen gab es im vergangenen Jahr 51 Organspender, das entspricht einer Spenderrate von 8 Spendern pro Million Einwohner. Im Vergleich zu 2021 bedeutet dies einen Rückgang um 15 Spender Der Bundesdurchschnitt für 2022 liegt bei 10,3 Spendern pro Million Einwohner.

Besorgniserregend sind insbesondere die Zahlen der Universitätskliniken in Hessen. Die drei hessischen Universitätsklinika realisierten 2022 gemeinsam acht Organspenden und liegen damit im Ranking der deutschen Universitätskliniken im unteren Drittel, im Vorjahreszeitraum waren es noch 23 Spenden gewesen.

Damit fällt Hessen deutlich aus dem bundesweiten Trend heraus. Von 869 Organspenden in Deutschland im Jahr 2022 entfielen 289 Spenden auf die Universitätskliniken, das waren deutschlandweit 33 % aller Organspenden.

In Hessen konnten nur acht der 51 Spenden in den Universitätskliniken durchgeführt werden, dies entspricht nur 15 % der in 2022 in Hessen erfolgreich durchgeführten Organspenden und damit weniger als der Hälfte des deutschlandweiten Ergebnisses von 33 %. Stabil blieb die Zahl der Organspenden sowohl in den hessischen B-Krankenhäusern (Kliniken mit einer neurochirurgischen Abteilung) als auch in den C-Krankenhäusern.

In den B-Krankenhäusern konnten im letzten Jahr 28 Spenden realisiert werden, das sind 55 % der durchgeführten Organentnahmen. Hier liegt Hessen erfreulicherweise über dem Bundesdurchschnitt. Drei der hessischen B-Krankenhäuser liegen mit sechs erfolgreich abgeschlossenen Organspenden sogar oberhalb der „besten“ hessischen Universitätskliniken mit fünf Organspenden in 2022.

Auch die C-Krankenhäuser (Kliniken ohne neurochirurgische Abteilung) liegen mit einem Anteil von knapp 30 % an den hessenweiten Spenden über dem Bundesdurchschnitt von 25 %, hier wurden 15 Organspenden realisiert (Abb. 2).

Die Summe der entnommenen Organe sank in 2022 um 8,4 % auf 2662 Organe deutschlandweit. In Hessen konnten 335 Organe im Rahmen der 51 Organspenden entnommen werden. Dies ist ein Rückgang von 28,3 % im Vergleich zum Jahr 2021. Sowohl bundesweit als auch in Hessen kam es 2022 zu einer weiteren Zunahme der organspendenbezogenen Kontakte (Abb. 3).

Eine Zunahme der Organspenden gab es dennoch nicht. Schaut man sich die nicht zur Organspende führenden Kontakte in Hessen an, kam es bei über der Hälfte der Fälle zu einer Ablehnung der Organspende – ein deutlicher Anstieg in 2022 gegenüber 2021 (Abb. 4).

Nur in 22,1 % waren der Wille des Verstorbenen schriftlich oder mündlich bekannt. In ebenfalls 22,1 % entsprach dies dem mutmaßlichen Willen, in 41,8 % lehnten die Angehörigen eine Spende entsprechend ihren eigenen Wertvorstellungen ab, da ihnen der Wille des Verstorbenen unbekannt war.

Auffällig ist hierbei des Weiteren eine deutliche Zunahme (3 in 2021 versus 14 in 2022) von Patienten ohne entscheidungsberechtigte Angehörige.

Aufgrund der rechtlich geltenden erweiterten Zustimmungslösung in Deutschland ist in diesen Fällen, wenn kein schriftlich fixierter Wille des Patienten vorliegt, keine Organspende möglich.

Fazit

Auch wenn der starke Rückgang der Organspendezahlen vor allem pandemiebedingt auf die ersten Monate 2022 zurückzuführen ist und sich die Zahlen im weiteren Jahresverlauf leicht stabilisierten, stellt sich weiterhin die Frage, weshalb es insgesamt nicht gelingt, die Organspendezahlen zu steigern. Für die derzeit rund 8500 Menschen auf der Warteliste sind die aktuellen Organspendezahlen ernüchternd und beängstigend. Jährlich sterben derzeit circa 10 % von ihnen, während sie auf eine Transplantation warten. Sollte es zu keiner Trendwende kommen, könnten dies in Zukunft noch mehr sein.

In Bevölkerungsumfragen befürworten acht von zehn Befragten die Organspende. Diese Diskrepanz zeigt die Sensibilität und auch die Komplexität des Themas. Angehörige entscheiden häufig aus Unsicherheit gegen eine Organspende, da das Thema im persönlichen Umfeld kaum angesprochen wird. Hier kann nur weitere Aufklärung helfen!

Sicher haben auch der weiterhin evidente Pflege- und Ärztemangel Auswirkungen. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass weniger Zeit für ausführliche und zeitintensive Angehörigengespräche wie im Falle einer Organspende in den Krankenhäusern auf Grund der zunehmenden Arbeitsverdichtung zur Verfügung steht. Um alle Kliniken bestmöglich bei der Realisierung möglicher Organspenden zu unterstützen, bietet die DSO daher an, sie gerne auch frühzeitig zu kontaktieren und z. B. zur Unterstützung für möglicherweise längere Angehörigengespräche hinzuzuziehen, um das Klinikpersonal zu entlasten und mit den Familien alle eventuell offenen Fragen zu besprechen.

Dass ein Mensch nach seinem Tod Organe spendet, darf nicht die Ausnahme in unserer Gesellschaft darstellen, sondern sollte zu einem Normalzustand werden. Insbesondere dann, wenn wir mit der Organübertragung Menschenleben retten möchten.

Karsten Gehmlich, Ruth Lindner, PD Dr. med. Ana Paula Barreiros, Deutsche Stiftung Organtransplantation, Region Mitte, E-Mail: mitte@dso.de