Um die Erregerdiagnostik deutlich zu verbessern, setzt sich das Netzwerk Junge Infektionsmedizin e. V. für die Implementierung eines Diagnostic Stewardship ein. Dr. med. Cornelius Weiß, Delegierter der Landesärztekammer Hessen und Vorstand im Bündnis Junge Internisten, führte mit Dr. med. Oana Joean, Mitgründerin der Initiative, dazu ein Interview.

Mit der Initiative des Antibiotic Stewardship (ABS) und der Initiative Choosing Wisely gibt es bereits Hilfestellungen Diagnostik zu optimieren. Inwiefern brauchen wir noch Diagnostic Stewardship?

Dr. med. Oana Joean: Grenzen wir die Begriffe zunächst voneinander ab: Die Initiative Choosing Wisely hat für jedes Fachgebiet fünf Themen herausgesucht, die bei der Entscheidung für die optimale Diagnostik helfen sollen. ABS ist entstanden, um bei steigenden Resistenzraten einen rationalen Einsatz von Antibiotika zu erreichen. Um jedoch gutes ABS durchführen zu können, ist es notwendig, dass die infektionsmedizinische Diagnostik verlässliche Resultate erbringt.

Hier setzt Diagnostic Stewardship an?

Joean: Genau. Diagnostic Stewardship möchte dafür sorgen, dass alle Beteiligten an der infektionsmedizinischen Diagnostik wissen, welche für diesen einen Patienten optimal ist. Insofern gibt es natürlich Schnittmengen. Bei Diagnostic Stewardship geht es darum, zusätzliches Wissen zur korrekten Diagnostik in der Erregerbestimmung zu implementieren.

Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem Sie glauben, Kolleginnen und Kollegen im klinischen Setting helfen zu können?

Joean: Ich könnte leider unzählige Beispiele nennen. Die „Klassiker“ wären aber: Blutkulturen vor der antibiotischen Therapie abzunehmen und keine Urin-Proben von symptomfreien Patienten in die Mikrobiologie bzw. in die Laborchemie zu schicken und aus dem Nachweis von Bakterien eine Therapieindikation abzuleiten.

Diese Klassiker kennen sicher viele erfahrene Ärztinnen und Ärzte und werden nicht müde, selbst in Klinik und Praxen Aufklärung zu betreiben. Wie können auch erfahrene Kollegen vom Diagnostic Stewardship profitieren?

Joean: Es braucht leider genau diese Aufklärung, da diese Klassiker noch immer sehr häufig vorkommen. Natürlich ist das nicht alles: Auch Lagerung von Proben kann einen entscheidenden Anteil an der Diagnostik haben, z. B. bei Pneumokokken. Wenn Sputumproben nicht sofort eingesandt oder bei 4° C gelagert werden, können Pneumokokken häufig nicht mehr nachgewiesen werden – was fatale Folgen haben kann.

Was wäre Ihre Idealvorstellung, wie Diagnostic Stewardship in die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten integriert werden sollte? Sollte dies direkt in die Weiterbildung zum Allgemeininternisten implementiert werden?

Joean: Alle klinisch tätigen Ärzte behandeln Infektionserkrankungen. Die Grundprinzipien einer rationalen Diagnostik und antiinfektiven Therapie erst in der Weiterbildung zu vermitteln, halte ich für zu spät. Viel sinnvoller wäre, den Studierenden diese Fertigkeiten gegen Ende des Studiums anhand praktischer Beispiele zu vermitteln und dies in der Weiterbildung zu vertiefen. Viele andere beteiligte Berufsgruppen müssen ebenfalls miteingeschlossen werden.

Welche Vorteile sehen Sie für die ambulante und stationäre Versorgung, wenn das Personal so geschult werden würde?

Joean: Adäquate Therapie echter Infektionserkrankungen einerseits und weniger Übertherapien von eigentlich nicht pathogenen Erregern. Damit würden die Patienten besser infektiologisch betreut und das Risiko von Resistenzen oder Nebenwirkungen durch nicht indizierte Therapien kann minimiert werden. Alleine bei der Blutkulturdiagnostik müssen häufig bei Fragen der Kontamination Folgeblutkulturen abgenommen werden. Wenn hier eine erneute Blutabnahme für Patienten eingespart werden kann, würde man die Versorgungsqualität verbessern und zugleich deutlich Zeit und weitere Ressourcen sparen.

Wie planen Sie, Diagnostic Stewardship zu etablieren?

Joean: Wir wollen zunächst herausfinden, wo es am häufigsten Probleme gibt. Deshalb haben wir als Netzwerk Junge Infektionsmedizin (jUNITE) eine Umfrage gestaltet. Wir wollen damit möglichst viele Akteure im Gesundheitssystem erreichen. Erst danach können wir uns über rationale Interventionen unterhalten.

Wie können Kollegen dabei helfen?

Joean: Die Umfrage ausfüllen und den Link (siehe unten) an möglichst viele Kolleginnen und Kollegen weitergeben.

Interview: Dr. med. Cornelius Weiß

Link zur Onlineumfrage: www.netzwerk-infektionsmedizin.de