Das Jahr stürmt in riesigen Schritten dem Ende zu und hinterlässt uns wahrhaft große Baustellen. Noch immer beherrschen Bilder der Kriege in Nahost und der Ukraine die Nachrichten und sind doch beileibe nicht die einzigen blutigen Auseinandersetzungen in der Welt. Ein Ende ist derzeit leider nicht abzusehen. Hinter jedem Krieg verbergen sich menschliche Dramen, die uns nicht kalt lassen können. Humanitäre Hilfe ist unabdingbar, kann jedoch oft nur unter äußerst gefahrvollen Bedingungen erfolgen. Allen Helfern zolle ich höchsten Respekt und tiefen Dank.
Doch auch vor unserer eigenen Haustür geht es nicht nur friedlich zu. Es kann und darf nicht sein, dass Mitmenschen jüdischen Glaubens in unserem Land wieder Angst haben, als solche erkannt und dann Opfer von Angriffen zu werden. Deshalb begrüße ich die deutlichen Worte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Ärztekammer Berlin und der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin gegen jedwede Form von Antisemitismus egal aus welchem Milieu. Unsere Demokratie muss sich als wehrhaft erweisen, denn das haben gerade wir Deutsche schmerzhaft erleben müssen, dass Freiheit und Demokratie verteidigt werden müssen. Dieses Recht steht selbstredend allen Demokratien zu.
Zur Freiheit gehört auch die Freiheit von Rede und Meinung, doch nur, wenn sie sich im Rahmen unserer freiheitlichen Grundordnung bewegt. Hassreden mit Beleidigung und Volksverhetzung sind davon jedoch nicht gedeckt, wohl aber die Äußerung abweichender Meinungen, auch wenn sie einzelnen oder gar der Mehrheit nicht gefällt. Die Antwort darauf kann nicht in Cancel Culture liegen, sondern in der ernsthaften argumentativen Auseinandersetzung. Das ist – zugegebenermaßen – oft ein mühsames Unterfangen und dennoch unerlässlich.
Auseinandersetzungen gibt es auch weiterhin über die anstehenden Reformen im Gesundheitswesen, die unbestritten notwendig sind. Die Frage ist jedoch, ob der Weg der richtige ist und die von der Regierung gewählten Schritte in der richtigen Reihenfolge erfolgen. Aktuell wird nicht nur über die Krankenhausreform diskutiert, sondern auch über die sogenannten Digitalgesetze. Mit dem Digital-Gesetz soll unter anderem die Opt-Out-Lösung für die elektronische Patientenakte (ePA) ab 2025 und die verpflichtende Einführung des elektronischen Rezeptes (E-Rezept) ab 2024 eingeführt werden. Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz sollen die Grundlagen geschaffen werden, um die persönlichen Gesundheitsdaten aller Versicherten – auch die aus der ePA – für gemeinwohlorientierte Forschungszwecke zugänglich zu machen.
Übersichtliche elektronische Patientenakte nötig
Da war ich dann doch fast perplex, als ich las, dass das Bundeskanzleramt – wohlgemerkt nicht das Bundesgesundheitsministerium – bekannt gab, ein Marktforschungsunternehmen mit einer Umfrage unter Ärzten zur elektronischen Patientenakte beauftragen zu wollen. Eine sogenannte Online-Research-Community mit 20 Ärztinnen und Ärzten soll Auskunft geben, was die Ärzteschaft über die elektronische Patientenakte (ePA) denkt. „Um die erfolgreiche Einführung der ePA zu unterstützen, sollen Vorbehalte und Nutzenerwartungen bei Ärztinnen und Ärzten genauer untersucht werden“, schreibt das Kanzleramt. Durch die Befragung sollten „wirksame Lösungen entwickelt werden, um die Akzeptanz und Nutzungsbereitschaft der ePA bei Ärztinnen und Ärzten zu erhöhen“. Traut das Bundeskanzleramt dem Bundesgesundheitsministerium etwa zu, am Bedarf der Ärztinnen und Ärzte vorbeizuplanen? Oder weiß man nicht, dass die ePA 2025 verpflichtend eingeführt werden soll?
Auch auf die Gefahr der Wiederholung: Ärztinnen und Ärzte benötigen eine übersichtliche ePA, in der Informationen einfach und schnell eingetragen und dann auch wiedergefunden werden können. Immerhin gibt es nun einen kleinen Lichtblick, denn das Bundesgesundheitsministerium kündigte Änderungen der elektronischen Patientenakte an.
So sollen per Anpassungen bei den Spezifikationen der elektronischen Patientenakte (ePA) die ePA-Sicherheitsarchitektur optimiert und eine Pflicht zur Interoperabilität durchgesetzt werden. Damit sollen der Datenfluss innerhalb des Gesundheitswesens verbessert und ein funktionierendes Datenökosystem geschaffen werden. Susanne Ozegowski, Leiterin der Abteilung Digitalisierung und Innovation im BMG erklärte, dass es keinen Sinn mache, in Einzelanwendungen zu denken. Entscheidend sei die Frage, wie alles zusammengebunden wird. Ziel sei, dass die gematik das erste Paket an Spezifikationen Anfang kommenden Jahres veröffentlicht.
Diese Pläne – auch wenn sie spät kommen – kann ich nur ausdrücklich begrüßen und hoffe inständig, dass die Hersteller diesen Pflichten nachkommen und zwar rechtzeitig. Denn, was in den Praxen und Kliniken los sein wird, wenn es hier in alt bekannter Weise ruckelt, muss ich gar nicht explizit schildern.
Mit diesem Hoffnungsschimmer für eine funktionierende ePA wünsche ich Ihnen und Ihren Familien gesegnete Weihnachten und uns allen ein friedvolles Jahr 2024. Möge dieser Wunsch auch für all die von Krieg und Hunger gebeutelten Menschen dieser Erde schnellst möglich in Erfüllung gehen.
Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident